Dr. Astrid Reuter, 5. März 2021

Boucher – Maler von | Maler für FRAUEN?

Kaum ein Künstler wird so sehr mit der sinnlichen Darstellung von Frauen verbunden wie Boucher. Seine Gemälde und Zeichnungen feiern die Schönheit schimmernder Oberflächen. Sie brachten ihm den Ruf eines „Malers der Grazien“ ein und riefen zugleich Kritiker*innen auf den Plan.

Von allen Seiten bieten die Frauen ihre meist entblößten Körper dem Blick der Betrachtenden dar. Obgleich sie aus unserem Alltag hinlänglich bekannt ist, irritiert diese offensive Präsenz nackter Weiblichkeit in der Kunst. Zeigt sich hier der bewundernde Blick eines Malers, der die körperliche Schönheit wieder und wieder feiert, oder die männliche Dominanz, die sich eine Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper anmaßt?

Zeichnung der Jagdgöttin Diana, die mit ihren Nymphen im Wald rastet

Die Darstellungen weiblicher Akte, vielfach im Gewand der Mythologie als Venus oder Diana gezeigt, wurden im 18. Jahrhundert von Frauen wie Männern erworben. Bouchers Kunst galt lange Zeit als feminin, wurde im negativen Sinne als verweiblicht, als unheroisch oder auch geziert beschrieben und als Zeichen weiblicher Vorherrschaft in der Zeit des Rokoko betrachtet. Man kann berechtigte Zweifel an dieser Lesart anmelden. Doch steht außer Frage, dass Frauen von großem Einfluss in der gehobenen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts waren und mit ihrem Geschmack die Kunstproduktion ebenso prägten wie Männer.

Die viel drängendere Frage jedoch scheint, wer als Modelle für solche Bilder zur Verfügung stand. Die Arbeit nach männlichen Aktmodellen gehörte im 18. Jahrhundert zu den Erfordernissen des akademischen Curriculums. Das Studium des weiblichen Körpers hingegen lag in der Verantwortung jedes einzelnen Künstlers. Im Hinblick auf Boucher wurde vermutet, ihm habe seine Ehefrau Modell gestanden, deren Schönheit allgemein bekannt war. Doch war es für die bürgerliche Frau eines angesehenen Künstlers der königlichen Akademie wohl schlichtweg unvorstellbar, als Aktmodell zu posieren. Auch Madame de Pompadour, die wiederholt in diesem Zusammenhang genannt wurde, ist aufgrund ihrer offiziellen Position als „maitresse en titre“ auszuschließen.
Durch zeitgenössische Überlieferungen als Aktmodell belegt ist die irischstämmige Marie-Louise O’Murphy, die aus bescheidenen Verhältnissen stammte. Ihre Familie war aufgrund von kriminellen Machenschaften verschiedentlich im Fokus der Polizei – Spionage, Diebstähle und Prostitution wurden ihr vorgeworfen. Ungeachtet dessen wurde O‘Murphy Bouchers Modell, doch schweigen die Quellen über den Charakter der Beziehung zwischen Maler und Modell.

Wie differenziert Boucher Haltung und Rolle von Frauen wiederzugeben verstand, führt sein großformatiges Bildnis der Madame de Pompadour vor Augen. Ihre makellosen Züge und das kostbare Kleid führen zweifellos Schönheit und Eleganz vor Augen. Doch bleibt der Künstler nicht bei den Äußerlichkeiten stehen. Vielmehr knüpft er mit den rahmenden Vorhängen und dem im Spiegel reflektierten Raum, der den formellen Staatskabinetten gleicht, an Herrscherdarstellungen an. Er fügt Bücher, Schreibzeug und Hinweise auf die künstlerische Tätigkeit der Dargestellten hinzu und zeigt sie damit sowohl als machtvolle als auch überaus gelehrte Frau.

Die hier kurz angerissenen Aspekte können die Komplexität der Frage nach der Rolle der Frauen im und für das Werk von Boucher nur andeuten. Wie weit tragen unsere heutigen Vorstellungen, wie stellt sich die historische Perspektive dar? Wir stehen vor der schönen Herausforderung, im abwägenden Urteil unseren eigenen Blick zu schärfen – auf die Kunst wie auch auf unsere eigenen Maßstäbe.