Jörn Brunotte im Gespräch mit Florian Trott, 9. Oktober 2020

Quo vadis Kunsthalle?

Seit September ist Florian Trott Kaufmännischer Geschäftsführer der Kunsthalle. Nach einem Monat im Amt spricht er mit dem Kunsthistoriker und Museumsberater Jörn Brunotte über Chancen, Herausforderungen und Veränderungen.

Florian Trott, Kultur- und Kommunikationsmanager, ist seit dem 1. September Kaufmännischer Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Zuvor war er seit 2017 Leiter der Abteilung Kommunikation des Museums.

Jörn Brunotte ist Kunsthistoriker und Museumsberater und seit mehr als 20 Jahren in und für Museen tätig (www.beramus.de/Blog).

Jörn Brunotte: Lieber Herr Trott, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu der neuen Aufgabe! Vom Leiter der Kommunikationsabteilung zum kaufmännischen Geschäftsführer ist ja ein nicht alltäglicher Karriereschritt. Was hat Sie gereizt, von den Medien und der Kommunikation zu den Zahlen und Finanzen zu wechseln?

Florian Trott: Der Aufgabenbereich der Kaufmännischen Geschäftsführung der Kunsthalle ist sehr vielfältig. Neben der Verantwortung für die Finanzen und das Personalwesen gehören vor allem strategische Aufgaben dazu. Diese beginnen bei der Akquise von Partnern und Sponsoren und reichen bis hin zur langfristigen Ausrichtung und Positionierung des Museums.

Ein Reiz, mich um diese Position zu bewerben, lag für mich darin, meinen Blick auf die Museumsarbeit zu erweitern, als Stichworte möchte ich das Gebäudemanagement und die Museumssicherheit nennen. Als Geschäftsführer muss man zudem kontinuierlich und vielfältig nach innen und außen kommunizieren; hier kann ich nahtlos an meine bisherige Aufgabe anknüpfen. Der Kommunikation als solcher bleibe ich auch in gewisser Weise verbunden, ist doch die Kommunikationsabteilung im Geschäftsbereich der Kaufmännischen Geschäftsführung angesiedelt.

Wir haben uns 2019 schon einmal gesprochen, da war die Digitalisierung der Kunsthalle eines Ihrer wichtigsten Projekte. Wie werden Sie in der neuen Funktion diesen wichtigen Umbauprozess begleiten?

Dem Thema der Digitalen Transformation und den damit verbundenen Herausforderungen bleibe ich weiter eng verbunden; den Prozess werde ich aus der neuen Position heraus weiter steuern. So leite ich auch die interne interdisziplinäre „Steuerungsgruppe digital“ und bleibe so in die einzelnen und vielfältigen digitalen Projekte eingebunden. Ich finde dies auch ein sehr wichtiges Zeichen, dass in der Kunsthalle Karlsruhe die Digitalisierung auf der Vorstandsebene angesiedelt ist.

Museen gehören definitiv nicht zu den Vorreitern der digitalen Transformation. Viel mehr besteht ein enormer Nachholbedarf. Museen müssen der Herausforderung der Digitalisierung aktiv begegnen und die vielfältigen Chancen wahrnehmen, um zukunftsfähig und relevant zu bleiben. 

Abbildung des Architekturentwurfs der baulichen Weiterentwicklung der Kunsthalle Karlsruhe durch das Berliner Architekturbüro Staab Architekten

Worin sehen Sie neben der Digitalisierung die größten Herausforderungen der Zukunft für die Kunsthalle Karlsruhe?

Die Kunsthalle Karlsruhe wird Mitte 2021 in eine baubedingte Schließzeit gehen, das heißt, wir werden zunächst analog nicht mehr besuchbar sein. Umso wichtiger werden unsere digitalen Angebote werden. Die Bedeutung des Themas wurde ja insbesondere während des Lockdowns für jedermann sichtbar. Ich bin froh, dass wir in den vergangenen Jahren eine gute Basis geschaffen haben, auf die wir aufbauen konnten. Daran gilt es anzuknüpfen.

Zugleich müssen wir unsere internen Strukturen und unsere Arbeitskultur weiterentwickeln. Wie viel hier möglich ist, haben auch die besonderen Bedingungen während der Covid-19-bedingten Schließzeit gezeigt. Ich denke, es ist wichtig, hier gute Voraussetzungen zu schaffen, damit wir flexibel auf Bedarfe, aber auch auf Wünsche der Mitarbeiter*innen reagieren können. Ich bin mir sicher, dass die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens zukünftig ein wichtiges Kriterium zur Gewinnung qualifizierter Arbeitskräfte sein wird.

Nur so können wir langfristig attraktive und zeitgemäße Angebote für die Besucher*innen und Noch-Nicht-Besucher*innen entwickeln. Die Publikumsstrukturen der Museen werden sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Es gilt neue Zielgruppen zu erschließen, und hier wird das Digitale eine zentrale Rolle spielen 

Haben Sie in Ihrer beruflichen Karriere schon Erfahrungen mit Bauprojekten gesammelt?

Bevor ich nach Karlsruhe gekommen bin, war ich acht Jahre in der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt tätig. Während dieser Zeit konnte die Stiftung drei ihrer Museen sanieren und erweitern. Die Bauprojekte habe ich eng begleitet, vor allem mit Blick auf Kommunikationsaufgaben; ich konnte aber in zahlreichen Belangen auch konzeptionell mitdenken. In den vergangenen drei Jahren in der Kunsthalle war ich als Leiter der Abteilung Kommunikation bereits eng in die Planungen der Sanierung und Umstrukturierung des Hauptgebäudes eingebunden. So habe ich auch die entscheidenden Schritte von der Auslobung des Architektenwettbewerbs bis hin zu den konkreten Umzugsplanungen begleitet. 

Im Moment sind es, bedingt durch die Corona-Krise, schwierige Zeiten für Museen und Kultureinrichtungen. Können Sie schon, obwohl erst sehr kurz im Amt, eine erste Einschätzung geben, welches die größten Herausforderungen sind. Was wird sich durch die Krise langfristig ändern müssen?

Ich denke, mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit kann man schon jetzt sagen, dass mit Kürzungen der Mittel zu rechnen ist, die die öffentliche Hand – also Bund, Länder und Kommunen – dauerhaft für die Kultur zur Verfügung stellen. Auch wird das Feld der Dittelmittelakquise – ob Sponsoring oder Fundraising – voraussichtlich nicht einfacher.

Zugleich muss man aber vor Augen führen, dass Kultureinrichtungen, die – wie die Kunsthalle – sich in öffentlicher Trägerschaft befinden, vergleichsweise sicher sind. Anders sieht es in der freien Kulturszene aus, ganz zu schweigen von manchen Bereichen in der Wirtschaft. Langfristig wird es darum gehen, die Relevanz der Kultur für unsere Gesellschaft neu herauszuarbeiten und zu unterstreichen. Dazu gehört auch, das Publikum zurückzugewinnen und neu für Kulturangebote zu begeistern. Die aktuellen Besucherzahlen in den Museen zeigen, dass dies eine harte Arbeit wird.

Langfristig stellt sich die Frage, ob und wie sich das Sonderausstellungsgeschäft verändert. Müssen es immer Sonderausstellungen mit von weither angereisten Leihgaben sein oder lohnt es sich, verstärkt die eigenen Sammlungen in den Blick zu nehmen? 

 

Porträt des Kaufmännischen Geschäftsführers Florian Trott

Was halten Sie von einer „agilen Verwaltung“, also davon, die Anspruchsberechtigten einzubeziehen, mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen zu experimentieren und sich regelmäßiges Feedback von innen und außen zu verschaffen. Ist das auch für den kaufmännischen Bereich eine realistische und sinnvolle Herangehensweise?

In der Kunsthalle hatten wir in den vergangene zwei Jahren die Gelegenheit, bei der Umsetzung eines Digitalprojekts mit einer agileren Arbeitsweise ein Stück weit zu experimentieren. Ich habe dies als sehr gewinnbringend empfunden, beispielsweise auf kritisches Feedback von außen reagieren zu müssen und dadurch intern für gut befundene Ideen zu überdenken. Ich wäre sehr dafür, diese Arbeitsweise – wo möglich – auf andere Bereich und Prozesse zu übertragen. Ich denke, hier werden sich mehr Möglichkeiten bieten, als es auf den ersten Blick scheint – trotz aller Vorgaben, die das öffentliche Haushaltsrecht macht. 

Neben den Zwängen durch die Krise: Wo sehen Sie für die Zukunft die größten Gestaltungsmöglichkeiten als kaufmännischer Geschäftsführer?
Und was wünschen Sie sich als Lehre, wenn die Krise einmal überstanden ist. Was ist für Sie am wichtigsten für das Museum der Zukunft?

Als kaufmännischer Geschäftsführer schafft man den finanziellen und organisatorischen Rahmen für die Museumsarbeit. Hier geht es darum, gute Bedingungen für Ausstellungen und Projekte zu ermöglichen, aber natürlich auch, Schwerpunkte zu setzen und notwendige Veränderungsprozesse zu forcieren und zu begleiten. Gestaltungsmöglichkeiten sehe ich unter anderem auch im Schließen von Kooperationen, die für die museale Arbeit notwendiger denn je sein werden. Ich denke, hier sollten Museen auch vor ungewöhnlichen Allianzen nicht zurückschrecken.

Um Lehren aus der Pandemie zu ziehen, ist es meines Erachtens noch zu früh; zumal das Ende noch nicht absehbar ist. Für die Zukunft wünsche ich mir aber grundsätzlich, dass Museen sich weiter öffnen, nach innen wie nach außen. Eine Öffnung nach innen bedeutet für mich, in interdisziplinären Teams zu arbeiten. Stellenprofile müssen überdacht und für zukünftige Aufgaben weiterentwickelt werden. Eine Öffnung nach außen heißt für mich, Mut für Neues zu haben, das können ungewöhnliche Angebote sein. Wichtig scheint mir auch die Besucher*innen stärker einzubeziehen. Partizipation ist hier das zentrale Stichwort, das nicht nur eine Worthülse sein darf.

Lieber Herr Trott, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Ich danke Ihnen, lieber Herr Brunotte, für Ihre Zeit und Ihre interessanten Fragen.