Der Bärenzwinger im Zoologischen Garten

Seit dem 13. Jahrhundert ist der Bär das Wappentier Berlins, woraus sich auch die besondere Attraktion dieser Tiere im dortigen Zoo ableitet. In der Kulturgeschichte des Menschen spielt der Bär seit den frühesten Höhlenmalereien eine besondere Rolle: Die eigentümliche Verbindung von wilder, unbändiger Kraft und possierlichen, dem Menschen verwandten Bewegungsabläufen machte ihn einerseits zur begehrten Jagdtrophäe und andererseits zum geliebten Plüschtier. In diesem Zusammenhang scheint auch die Darstellung des Berliner Bärenzwingers von Adolph von Menzel (1815-1905) aus dem Jahr 1851 eine ambivalente Wirkung auszustrahlen: Fünf ausgewachsene Tiere schildert der Künstler in ihrem abgesenkten und eingemauerten Rundkäfig, in dessen Mitte ein kahler Baum steht. Ein Bär ist dort hinauf geklettert und faucht die Zoobesucher an, welche am oberen Bildrand die Tiere über eine schützende Mauer hinweg betrachten. Unter ihm laufen seine Artgenossen wie im Kreis um diese zentrale Figur. Menzel zeigt dieses enge Beieinander der großen Tiere aus ihrer Sicht: Das Betrachterauge befindet sich auf dem Boden des Zwingers und erlebt visuell die beklemmende Gefangenschaft mit: Einerseits führt dies zu einer Identifikation mit den eingesperrten Bären, andererseits jedoch auch zu einem Gefühl der Bedrohung durch eben diese ruhelosen, gefährlichen Raubtiere. Der Blick gleitet unweigerlich hinauf zur Mauerbrüstung, hinter der die Zoobesucher geschützt dem Spektakel beiwohnen und hinter der man - bei allem Mitgefühl für Meister Petz - selbst auch lieber wäre.

Dieses Blatt gehört zu Menzels berühmter sechsteiliger Lithografiefolge der "Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen", die 1851 in Berlin erschien. Der gelernte Lithograf, der mit 16 Jahren die Steindruck-Anstalt seines verstorbenen Vaters übernehmen musste, um die Familie zu ernähren, zeigt in diesen Blättern seine Virtuosität in der noch jungen Technik der Lithografie und führt ihre mannigfaltigen grafischen Ausdrucksmöglichkeiten vor.

[D.S.]