Diana entdeckt den Fehltritt der Kallisto

Dirck van der Lisse schuf eine große Zahl italianisierender Landschaften mit mythologischer Staffage. Das Karlsruher Gemälde ist eine von mehreren Fassungen des Diana-und-Kallisto-Themas. Ein Konvolut von Zeichnungen von der Hand des Künstlers im Dresdner Kupferstichkabinett enthält neben Kompositionszeichnungen zum überwiegenden Teil weibliche Aktstudien, welche als Vorlagen für zahlreiche Bilder zum Einsatz kamen. Ein „sitzender weiblicher Akt“ (Inv. C 1980-473, Abklatsch der Rötelzeichnung Inv. C 1980-472) diente als Vorbild für die am rechten Bildrand sitzende Nymphe mit dem blauen Tuch und erscheint ein weiteres Mal auf einem Gemälde desselben Themas, das am 15.12.2009 in Wien versteigert wurde (Dorotheum, Lot 114, Holz, 40 x 69 cm; RKD Research, Nr. 195804). Michiel Plomp (2020) weist auf den Zusammenhang der Karlsruher Diana mit der Frauenfigur auf einer Darstellung von Lot und seinen Töchtern hin, deren Zuschreibung kontrovers diskutiert wird. Plomp geht von einem Künstler aus, der Zugang zu den Zeichnungen Dirck van der Lisses hatte, denn auch die zweite Tochter geht auf eine Zeichnung im Dresdner Bestand zurück (zum Gemälde siehe David Mandrella, Jacob van Loo 1614-1670, Paris 2011, Kat. Nr. P. 76). Michiel Plomps Datierung der Aktzeichnungen in die frühen 1640er Jahre gibt einen entsprechenden terminus à quo für die Entstehung des Karlsruher Gemäldes.

Dass van der Lisse die Komposition noch im Arbeitsprozess korrigierte, ist heute mit dem bloßen Auge wieder sichtbar: Zwei schemenhaft erkennbare Frauenfiguren, die in etwa die Größe der den Fluss querenden Nymphe haben, sind links und rechts der Kallisto-Gruppe erkennbar und lassen darauf schließen, dass der Künstler diese Figurengruppe ursprünglich größer angelegt hatte. Sie wurden durch kleinere Versionen ersetzt bzw. mit Schilfgras übermalt.