Dr. Esther Graf, 23. September 2025

Rosch haSchana: Posaunenschall statt Korkenknall

Das jüdische Neujahr steht vor der Tür. In diesem Jahr fällt es im gregorianischen Kalender auf den 23. und 24. September. Dr. Esther Graf, Judaistin und Kunsthistorikerin, erklärt im Kunsthallen-Blog, was es mit diesem hohen Feiertag auf sich hat.

Im Herbst geht es Schlag auf Schlag. In dieser Jahreszeit gibt es die meisten jüdischen Feiertage hintereinander. Eingeläutet wird die Feiertagsreihe mit Rosch haSchana, dem jüdischen Neujahr. Anders als an Silvester wird es aber nicht mit Feuerwerk und Sekt empfangen, sondern mit dem Klang des Schofars (eines Widderhorns) und symbolischen Speisen.

Ursprünge und Namensänderung

Der Feiertag wird in der Tora, den Fünf Büchern Moses an zwei Stellen erwähnt, im 3. Buch Moses 23, 24-25 und im 4. Buch Moses 29, 1-6, trägt aber hier noch andere Namen. Er wird mal „Tag der Erinnerung“ (an die Schöpfung) genannt und an anderer Stelle „Tag des Posaunenschalls“, weil an dem Tag das Schofar* geblasen wird. *Das Schofarhorn, auch Hallposaune genannt, ist ein altes Naturhorn aus dem Vorderen Orient und das häufigste in der hebräischen Bibel erwähnte Musikinstrument.

Wann und wie es zu dem Namenswechsel kam, also seit wann der Feiertag „Neujahr“, Rosch haSchana, genannt wird, wissen wir nicht. Was wir wissen, ist, dass der Talmud* die älteste schriftliche Quelle dafür ist. *Der Talmud ist eine Enzyklopädie jüdischen Wissens, in dessen Mittelpunkt religionsgesetzliche Bestimmungen und ihre Auslegung aus verschiedenen Jahrhunderten stehen.

Im Zentrum der schwarz-weiß Grafik kniet ein unbekleideter Mann mit einem Knie auf einem Stein und hat den Rücken zu den Betrachtenden gewendet. er blick in die im Zentrum strahlende Sonne, habt die Arme. Um ihn herum sind Pflanzen und Tiere wie Hasen, Affen, Adler, Bären.
Johann Elias Ridinger, „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen (…)“, 1730-1760

Symbolik und Kulinarisches

An Rosch haSchana wird das Schofar im Gottesdienst in der Synagoge geblasen. Es kündigt das neue Jahr an und soll die Gemeinde aufrütteln in sich zu gehen, Rückschau zu halten (wie ist das letzte Jahr gelaufen? Was habe ich gut gemacht und was nicht?) und über das eigene Verhalten nachzudenken. Das neue Jahr soll mit guten Vorsätzen begonnen werden.

Das jüdische Neujahr ist anders als Sylvester nicht laut mit Party und Feuerwerk, sondern fröhlich und besinnlich. Das Festmahl wird an diesem Feiertag um zwei symbolische Speisen ergänzt. Über in Honig getauchte Apfelschnitze, die für ein süßes neues Jahr stehen, wird ein eigener Segen gesprochen. Runde Festtagsbrote stehen für den Lebenskreislauf und die Hoffnung auf ein vollständiges Jahr ohne Ecken und Kanten, also ohne schlimme Ereignisse.

Jahresbeginn = Schöpfungsbeginn

Rosch haSchana ist laut Talmud aber nicht nur der Anfang eines neuen Jahres, sondern vielmehr auch Beginn und in der Folge Jahrestag der Weltschöpfung, deren Abschluss die Erschaffung Adams bildet. Auf eine Art sollen wir es Adam gleichtun: Mit guten Vorsätzen ins neue Jahr starten und uns wie neu geboren fühlen.