TheotherCara, 12. Dezember 2020

François Boucher und die zeitgenössische Mode

Kleidung und Stoffe spielen in den Werken François Bouchers eine elementare Rolle. Die Kunsthistorikerin, Fotografin und Fashionexpertin TheotherCara beschäftigte sich mit der Frage, ob sich Elemente der Mode Bouchers in der heutigen wiederfinden lassen.

Jedes Kunstwerk hat seine eigene Geschichte. Künstler*innen wählen bestimmte gestalterische Mittel, um eine gewisse Intention oder auch Gedanken zum Ausdruck zu bringen. François Bouchers Werke werden oft als sinnlich und opulent beschrieben. Doch Bouchers Œuvre lässt sich aus den Blickwinkeln verschiedener Disziplinen betrachten und deuten. Da Boucher als Meister der dekorativen Kunst gilt und er diese zur Zeit Ludwig XV. maßgeblich mitbestimmte, lohnt sich ein Blick auf die Mode in Bouchers Werk. Finden sich auch noch heute Bezüge Bouchers in der aktuellen Mode?

Wir leben im Jahr 2020, in einer Zeit, in der so gut wie jeder Modetrend mindestens einmal wiedergekehrt ist. Nehmen wir als Beispiel die Schlaghose, die in den 1960er, 1970er Jahren das Modesymbol der Hippie-Bewegung war und dann nach 20 Jahren, in den 90ern erneut „modern“ wurde. Bestimmte Modestile bleiben für die Ewigkeit zeitlos bestehen und andere wiederum verschwinden erst einmal völlig von der Bildfläche und tauchen dann urplötzlich wieder auf und erfahren ein Revival. Dieses Zurückgreifen der Modedesigner*innen auf schon erfundenen Modestilen ist mit der Kunst vergleichbar. Das Rad neu zu erfinden ist sowohl in der Mode, als auch in der Kunst heutzutage kaum noch möglich – ein Rekurrieren auf schon bestehende Stile ist kaum vermeidbar und somit ein Bezug zur Vergangenheit unweigerlich mit eingeschrieben.

Die Mode des 18. Jahrhunderts versinnbildlicht vor allem die Inszenierung der Träger*innen – so kann die Mode die Schönheit einer jeden Person hervorheben und diese in ihrer Darstellung untermauern. In der Kunst ist die Zeit des Rokokos vor allem durch opulente geraffte Stoffe und deren Verspieltheit gekennzeichnet. Europa schaut und orientiert sich in dieser Epoche an die Modeentwicklung rund um den Versailler Königshof. Die Hofzeremonielle und die Etikette tragen dazu bei, dass die gesellschaftliche Repräsentation im Vordergrund steht und die Damen- und Herrenmode diesem Anspruch gerecht wird.

Abbildung von François Boucher, Madame de Pompadour von 1756. Es zeugt eine Frau, die ein opulentes Barockkleid trägt. In ihrer Hand hält sie ein Buch.

Madame de Pompadour ist eine Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. und wird im Auftrag dessen von dem Hofmaler François Boucher im Jahre 1756 portraitiert. Blicken wir auf das gleichnamige Portrait, so erkennen wir das Kleid im französischen Stil, welches stilgebend für den frühen Rokoko ist und vor allem von der Oberschicht zu besonderen Anlässen getragen wird.

Die Besonderheit dieses Kleides ist der Schnitt, der Rock und das Oberteil sind nicht mehr aus nur einem Stück Stoff gefertigt, sondern Einzelstücke, die aneinander genäht wurden, um die Taille der Trägerin zu akzentuieren.

Ein genauer Blick auf Bouchers Werk zeigt, dass er das Portrait Madame Pompadours mit einer gewissen Ironie versieht, so wirkt das Kleid vollkommen übertönt. Das prächtige grüne Seidenkleid ist mit einer Vielzahl von Volants, Schleifen und Spitzen besetzt und mit Ornamenten geschmückt. Die Stofffülle scheint Madame Pompadour fast schon zu erdrücken. Das Kleid wirkt fast wie eine Verkleidung, die nur repräsentativen Zwecken dient. Festzuhalten gilt, das wir nicht wissen, ob Madame Pompadours Kleid wirklich so überladen war, oder Boucher mit diesem Portrait die Mode und Raffinesse derer und nicht zu vergessen auch sein künstlerisches Talent als Maler der feinen Stofflichkeit unter Beweis und sein Können zur Schau stellen möchte. Durch diese Überladung lässt sich das Bildnis auch als eine Art Persiflage auf den Rokoko verstehen.

Wenn wir unseren Blick auf die Mode der heutigen Zeit wenden, so finden wir sehr schnell einen Bezug zu Bouchers Darstellungen. Die Übertreibung von Stilen finden wir heute in der Haute Couture wieder, die als tonangebende, schöpferisch höchste Form der Schneiderei zu verstehen ist. Diese Königsdisziplin der Mode wird zweimal im Jahr in Paris auf dem Laufsteg im Rahmen der Fashion Week präsentiert. Die Unikate werden meist unter dem Motto „more is more“ gefertigt und die Käufer*innen Zielgruppe ist äußerst vermögend.

Kleid auf der Marina Hoermanseder Fashionshow Herbst/Winter 2020. Zu sehen ist ein Model wie es über den Laufsteg geht.

Die Haute Couture Mode ist nicht alltagstauglich tragbar, und zeigt genau wie Bouchers gemaltes Kleid im Portrait Madame de Pompadour die Handwerkskunst der Schneider*innen und hat gleichermaßen den Anspruch der Inszenierung.

Die Kunst und die Mode werden noch heute viel zu oft als konkurrierende Disziplinen betrachtet, doch wie das Spiel mit Inszenierung und Handwerkskunst aufzeigt, scheint es einige spannende kongruente Punkte zu geben, die uns einladen sollten, diese mit einem wachen Blick zu betrachten.