Baldung vor 60 Jahren
Am 4. Juli 1959, einem Samstag, eröffnete in der Kunsthalle die erste große Ausstellung zu Hans Baldung Grien. Genau 60 Jahre später werden wir die Große Landesausstellung „Hans Baldung Grien. heilig │ unhelig“ zeigen.
Doch wie verhält sich die Ausstellung von 2019 zu der Ausstellung von 1959? Was wird anders sein und was bleibt gleich? Und brauchen wir überhaupt schon wieder eine Baldung Retrospektive?
Um das gleich vorweg zu sagen: Ja, natürlich! Denn während etwa Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. in den letzten Jahren mit zahlreichen umfassenden Schauen gewürdigt wurden, fanden zu Baldung einige wichtige, aber eher kleine Ausstellungen statt, die sich mit Teilaspekten des Werkes beschäftigten. Einen „großen Rundumschlag“ hat es also seit 60 Jahren nicht mehr gegeben. Und in dieser Zeit hat sich viel geändert: In der Baldung-Forschung, aber natürlich auch im Ausstellungsbetrieb ganz allgemein.
Damals und heute
Wenn man sich alte Schwarzweißfotos der Ausstellung von 1959 ansieht, dann wird schnell deutlich, dass nicht nur die Mode der Besucher*innen, sondern auch der Charakter großer Sonderausstellungen damals noch ein anderer war als heute. Das Prinzip einer Retrospektive hat sich seit 1959 zwar nicht geändert – es geht nach wie vor darum, eine umfassende Gesamtschau des Werks eines Künstlers oder einer Künstlerin zu zeigen. Doch wird die Baldung-Ausstellung 2019 den Besucher*innen unter anderem durch einen Multimedia-Guide und verschiedene digitale Angebote, wie dem digitalen Skizzenbuch und dem digitalen Hochaltar, wesentlich mehr Angebote machen, sich Wissen über Baldung individuell anzueignen. Auch die Entwicklung einer eigenen Ausstellungsarchitektur war vor 60 Jahren noch nicht unbedingt üblich.
Doch natürlich gibt es auch konzeptuelle Unterschiede: So werden in der Ausstellung 2019 etwa auch Werke von wichtigen Zeitgenossen Baldungs zum Vergleich gezeigt werden: Nicht nur Dürer und Cranach, sondern auch Albrecht Altdorfer, der Niederländer Jan Gossaert und Barthel Beham, ein Nachfolger Baldungs, bilden einen aufschlussreichen Kontext für Baldung. Zudem werden die Ausstellung und der Katalog nicht ausschließlich chronologisch angelegt sein, sondern Themenkapitel bilden – etwa zum Sündenfall. Dass Ende der 1950er Jahre noch einige Gemälde und Zeichnungen Baldungs in Karlsruhe gezeigt werden konnten, die 2019 nicht mehr dabei sein werden, liegt auch an mittlerweile gestiegenen konservatorischen Ansprüchen: Wenn sich Werke nicht in einem völlig stabilen Zustand befinden, dürfen sie nicht reisen.
Insgesamt profitiert die Baldung-Ausstellung in diesem Jahr natürlich von ihrer „Vorgängerin“: Wenn es 1959 darum ging, überhaupt erstmals die Möglichkeit zu haben, das Werk Baldungs versammelt zu sehen, kann 2019 aufgrund von vielen Vorarbeiten (auch durch andere Ausstellungen und Publikationen), der Blick für die Charakteristiken seiner Bilder geschärft werden: Der Untertitel „heilig │ unheilig“ gibt den Leitfaden vor, Baldungs Werk im Spannungsfeld zwischen dem Sakralen und dem Profanen zu betrachten. Dass man sich heute womöglich weniger als zur Nachkriegszeit scheut, auch den eher provokanten ─ wenn man so will „unheiligen“ ─ Teil seines Schaffens herauszustellen, mag der Plakat-Vergleich zeigen: Während 1959 ein Ausschnitt aus dem Sebastians-Altar mit dem Selbstbildnis des Künstlers das Ausstellungsplakat (und den Katalog) zierte, werden es 2019 seine gefährlich-verführerischen Hexen sein – ein Flyer zur Ausstellung gibt darauf bereits einen Vorgeschmack.
Der Faktencheck: 1959 versus 2019
Laufzeit
4.7.1959 – 27.9.1959
Zahl der Exponate
410 (davon 97 Gemälde)
Schirmherrschaft
- Dr. Curt-Georg Kiesinger
Ministerpräsident von Baden –Württemberg - Seine Exzellenz Dr. Hermann Schäufele
Erzbischof von Freiburg - Günther Klotz
Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe - und weitere
Motiv des Plakats
Selbstporträt Baldungs auf Sebastianaltar von 1507
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Ausstellungskatalog
- 400 Seiten
- Paperback
- keine Farbabbildungen
- Werke in chronologischer Reihenfolge geordnet nach Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik
- kurze Texte
Digitale Angebote
keine
Laufzeit
30.11.2019 – 8.3.2020
Zahl der Exponate
rund 260
Schirmherrschaft
- Winfried Kretschmann
Ministerpräsident von Baden –Württemberg - Jean Rottner
Präsident des Conseil régional Grand Est, Frankreich
Motiv des Plakats
Zwei Hexen von 1523
Städel Museum Frankfurt
Ausstellungskatalog
- ca. 500 Seiten
- Hardcover
- durchgehend Farbabbildungen
- Gliederung der Werke in rund 15 chronologische und thematische Kapitel
- vorweg einführende Essays und ausführliche Texte zu den einzelnen Werken
Digitale Angebote
- Digitales Skizzenbuch zum Karlsruher Skizzenbuch Baldungs
- Digitaler Hochaltar zum Freiburger Hochaltar Baldungs
- Multimediaguide
- Baldung in a nutshell
War heute in der Ausstellung. Es war grandios – besonders der digitale Hochaltar. Solche Feinheiten kann man nicht im Original erkennen. Die Gegenüberstellung von Dürer und Baldung ist einfach faszinierend. Ich glaube ich werde noch mal von Freiburg nach Karlsruhe zu dieser Ausstellung fahren. Herzliche Grüße Doris Jehle
Liebe Doris Jehle,
vielen Dank für die positive Rückmeldung, über die wir uns freuen. Schön, dass Ihnen auch der digitale Hochaltar gefällt. Man kann dort wirklich wunderbare Details entdecken.
Viele Grüße, Florian Trott
Ich möchte vorausschicken, dass ich mich schon sehr auf die Hans Baldung Grien Ausstellung freue. Ich konnte mir bisher drei Bilder in der Kunsthalle ansehen. Aber z. B. für das Bild „Tod und Frau“ hätte ich nach Basel fahren müssen. Nun habe ich es in Ihrem YouTube Video entdeckt und erwarte, dass ich es in Karlsruhe sehen werde.
Aber was soll der ständige Vergleich mit der Ausstellung von 1959 und die Rechtfertigung für die neue Retrospektive? Darf es so eine Ausstellung nur einmal geben? Als einfacher Besucher brauche ich den Vergleich mit anderen Ausstellungen nicht und den Antrieb, dass ständig alles neu sein muss. Ich freue mich einfach auf die Bilder. Ich schaue mir viele Bilder in der Kunsthalle immer wieder gern an. Zudem habe ich mit meiner Geburt die letzte Ausstellung leider verpasst. Insofern wird es für mich, wie wohl für die meisten anderen Besucher auch, die erste große Hans Baldung Grien Ausstellung sein. Und ihre neuen, digitalen Angebote werde ich sicher auch gern nutzen.
Von mir gibt es schon mal ein großes Lob für die Idee der Ausstellung und bezüglich des weiteren Vermittlungskonzepts und was noch in Arbeit ist, mache ich mir keine Sorgen.
Lieber Herr Bürger,
vielen Dank für Ihr positives Feedback und Ihre Anmerkungen. Neben „Tod und Frau“ werden weitere Leihgaben aus Basel sowie u.a. auch aus Madrid, Paris und New York zu sehen sein – darüber freuen wir uns ebenfalls sehr. Den Verweis auf die Retrospektive 1959 verstehen wir nicht als Rechtfertigung, vielmehr möchten wir den Blick auf die Hintergründe richten, warum es seit nunmehr 60 Jahren keine große Ausstellung zum Werk des Dürer-Zeitgenossen mehr gegeben hat und die Neuentdeckung des in der Forschung und Öffentlichkeit lange vernachlässigten Baldung feiern. Wir hoffen, dass die kommende Retrospektive Auftakt vieler neuer Betrachtungen sein wird, denn eine Baldung-Ausstellung – so finden wir – sollte es nicht erst in 60 Jahren wieder geben. Für alle, die – wie Sie – die letzte Schau verpasst haben, berichten Besucherinnen der Schau vor 60 Jahren hier und in einem Ausstellungsvideo über ihre Erinnerungen, Eindrücke und Erwartungen.
Beste Grüße aus der Kunsthalle
Felicitas Hilge
Danke für den interessanten Vergleich zwischen der Ausstellung 1959 und 2019. Doch was sind 60 Jahre verglichen mit dem Abstand zur Lebenszeit Hans Baldung Griens! Und trotzdem hat sich in der Zwischenzeit sehr vieles in der Gesellschaft verändert und wir werden Griens Werke sicher anders wahrnehmen und für uns interpretieren als Besucher 1959. Gibt es eigentlich noch Presseberichte zur Ausstellung von 1959?
Liebe Frau Brück,
haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar – wir freuen uns, dass Ihnen der Beitrag gefallen hat!
Auch wir sind sehr gespannt auf die veränderte Blickweise auf Baldungs Werke, zu der auch bald noch der ein oder andere Blogartikel erscheinen wird.
Medienberichterstattungen von 1959 liegen uns teilweise vor, auch diese werden wir nach und nach – wo es uns rechtlich möglich ist – zugänglich machen.
Beste Grüße aus der Kunsthalle
Tabea Schwarze