Stella Ivanova, 13. August 2021

Geplant schön – Europäische Gartenkunst

Prächtige Palastanlagen mit beeindruckenden Gärten voller Blumen, Statuen und exotischen Gewächsen – Schlossgärten stellen bis heute eine besondere Kunst dar. Begleitend zu „Inventing Nature“ schreibt die Kunstgeschichtsstudentin Stella Ivanova über Schein und Sein der Gartenkunst.

Lässt man heute seinen Blick über einst fürstliche Schlossgärten schweifen, entdeckt man klare geometrische Strukturen und Blickachsen. Gleichzeitig wachsen Pflanzen in allen Farben und Formen nebeneinander und bilden Muster, die die Schönheit der Natur einmal mehr verdeutlichen.

Nicht verwunderlich, dass Adelige bereits vor Jahrhunderten durch ihre prachtvollen Gärten lustwandelten. Doch der erste Blick täuscht, diese Gärten sind keineswegs das, was als Natur im Sinne der von Menschen unbeeinflussten Landschaft verstanden werden kann. Und das hat seinen Grund: Die (scheinbare) Kontrolle über die Tier- und Pflanzenwelt ist seit jeher Teil der Machtdemonstration von Herrscher*innen. Je mehr er sich den Kräften der Natur widersetzte – ob mit gigantischen Bauten oder durch die Züchtung neuer Tier- und Pflanzenarten – desto mehr sah sich der Mensch in seiner scheinbar allumfassenden Macht bestätigt. Die Natur sollte in ihrer Schönheit übertroffen werden. Die Vielfalt wurde zwar geschätzt, musste aber strukturiert und sorgsam geplant sein und sich in die gewünschte Symbolik und Motivik einfügen. Ganz nach dem Vorbild der darstellenden Künste sollten Flora und Fauna dem Menschen dienen. Auch außerhalb der Leinwand sollte dies umgesetzt werden und so entwickelte sich in Europa die Gartenkunst parallel zur Baukunst und etablierte sich mit dem Schlosspark als eigenständige Kunstform.

Italienischer Renaissancegarten in Heidelberg

Stilbildend  für Europäische Gärten waren u.a. Renaissancegärten,  die in Italien ihren  Ursprung hatten und deshalb auch als Italienische Gärten bezeichnet wurden. Im Renaissancegarten wurden erstmals längliche Beete mit Zierpflanzen, sogenannten Blumenrabatten, sowie Hecken und Alleen geometrisch arrangiert. Statuen und kunstvoll geschnittene Büsche, aber auch Grotten und Labyrinthe waren Teil dieser Landschaftsarchitekturen. Ein Beispiel einer deutschen Variante dieses Gartenstils stellt die Gartenanlage des Heidelberger Schlosses dar. Ab 1616 ließ Kurfürst Friedrich V. den Hortus Palatinus (deutsch: Pfälzischer Garten) anlegen. Die Gartenanlage galt zu ihrer Zeit als eine der berühmtesten Europas und begeisterte mit kunstvollen Zierbeeten, Wasserspielen, Irrwegen und exotischen Pflanzen.

Barockgarten Schloss Versaille

Aus den Renaissancegärten entwickelten sich mit der Zeit großflächige Barockgärten, welche im 17. Jahrhundert in Frankreich ihre höchste Blütezeit erreichten und europaweit als Französische Gärten kopiert wurden. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel ist der Schlossgarten von Versailles. Die berühmten Gartenanlagen wurden von 1669 bis 1689 durch André Le Nôtre, einen französischen Landschafts- und Gartengestalter, im Auftrag vom Sonnenkönig Ludwig XIV, geschaffen.

Der Schlosspark Versailles gliedert sich in drei für Barockgärten typische Bereiche: In unmittelbarer Nähe des Schlosses befindet sich niedrig bepflanztes Gelände, sogenannte Parterres. Daran schließen in Form geschnittene Bäume und Hecken, die sogenannte Boskette, an, dahinter das ferne, von Alleen durchschnittene Waldgebiet, das von Adeligen als Jagdwald genutzt wurde.

Fotoaufnahme mit Blick aus Südwesten auf das Schloss Versailles

Im Vergleich zu den Renaissancegärten fielen Barockgärten opulenter aus und nahmen mehr Fläche in Anspruch. Während der Renaissancegarten eher der privaten Inszenierung diente, wurde der Barockgarten als repräsentativer öffentlicher Raum genutzt. In beiden Gartenstilen ist die Hinwendung zur Literatur und Kultur des Altertums zu finden. Die Rückbesinnung auf Formen, Werte und Denksysteme der Antike prägen Architektur und Gartenbaukunst. So bediente sich das Dekorationsprogramm römischer und griechischer Mythologie und stellte Geschichten und Figuren aus dieser in prächtigen Brunnen und Figurengruppen dar.

Mit zunehmender Beliebtheit von Bildungsreisen zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die Exotik eine immer wichtigere Rolle in Gestaltung und Dekoration des Eigenheims ein. So wurden Gärten beispielsweise mit Interpretationen von chinesischen Tempeln oder türkischen Teehäusern ausgestattet. Der Barockgarten sollte durch die scheinbare Zähmung der Natur und der zentralistischen Komposition vor allem einem übergeordneten Ziel dienen: Der Repräsentation der absoluten Macht der Herrscher*innen – auch im Freien. Strenge Geometrie und Symmetrien sind daher die Hauptmerkmale des Barockgartens. Oft bildeten vom Schloss ausgehende Achsen und symmetrisch aufgebaute Nebenachsen das Grundgerüst der Gestaltung. Teilweise wurden sogar ganze Städte auf die Barockschlösser ausgerichtet. So auch die Planstadt Karlsruhe. Die Straßenachsen führen zum Schloss und damit auch zum damaligen zum Mittelpunkt von Kultur, Politik und Gesellschaft.

Sidefact

Als Gegenstück zu den geometrisch durchstrukturierten französischen Gärten entwickelt sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts der Landschaftspark nach englischem Vorbild. Man orientierte sich an malerischen Landschaftsansichten und strebte eine scheinbar wild wachsenden Natürlichkeit an, obwohl auch diese Gärten aufwändig konstruiert wurden.

Must-Visit

Die schönsten Barockgärten Europas

  • Schlosspark von Vaux-le-Vicomte, Frankreich (Vorbild von Versailles)
  • Garten von Versailles, Frankreich
  • Schlosspark von Schönbrunn, Österreich
  • Nymphenburger Schlosspark, Deutschland
  • Park von Sanssouci, Deutschland
  • Schlossgarten Weikersheim, Deutschland
  • Parkanlagen Schloss Ludwigsburg, Deutschland
  • Schlosspark Schloss Belvedere, Österreich