Elena Boerman, 19. Juli 2024

Paradigmenwechsel im Bauwesen

Die Ausstellung „Pilzpaläste und Tütentürme“ in der Jungen Kunsthalle beschäftigt sich u.a. mit Möglichkeiten des nachhaltigen Bauens. Teil der Ausstellung ist auch der „Mycotree“, der als Prototyp eines nachhaltigen Baumaterials entwickelt wurde.

Das 21. Jahrhundert steht vor einem radikalen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie Materialien für den Bau unseres Lebensraums produziert werden. Das lineare Konzept des Wirtschaftens hat sich angesichts knapper Ressourcen und exponentiell wachsender Stadtbevölkerungen als nicht nachhaltig erwiesen. Um Kreisläufe aus Produktion, Nutzung und Wiederverwendung zu etablieren, müssen wir alternative Materialien und zirkuläre Bauweisen erforschen.

Die Professur Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie und die Block Research Group an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich bündelten ihr Wissen in den Bereichen Material, Konstruktion, Struktur und Geometrie, um aus den regenerativen Materialien Bambus und Myzel eine raumhaltige Struktur zu entwerfen, dessen Geometrie auf polyedrischen Formen und Kraftdiagrammen basiert.

Der MycoTree ist eine Vision dafür, wie digitales Design, Technik sowie Anbau und Kultivierung alternativer Ressourcen einander ergänzen können, um die derzeitige Baupraxis zu hinterfragen und nachhaltigere Ansätze vorzuschlagen.

Maschinen mit braunem Pulver.
Pilze wachsen auf biologisch abbaubaren Substraten wie landwirtschaftlichen Abfällen oder Sägemehl. In einem ersten Schritt werden die Nährstoffe in Beutel verpackt und mit den Pilzhyphen beimpft.
Frau im Schutzanzug mit Sprühflasche.
Zur Aktivierung des Pilzwachstums sind sterile Bedingungen ohne fremde Bakterien oder Pilzsporen, eine ausreichende Bewässerung des Nährbodens und die Einhaltung einer konstanten Lufttemperatur und -feuchte wichtig.
Wachsender Pilz
Der Pilz beginnt nun zu wachsen, und mit ihm ein dichtes Netz aus Myzel, sein Wurzelgeflecht. Das Geflecht besteht aus Hyphen und wirkt wie ein natürlicher Klebstoff für seinen Nährstoff, das biologische Substrat.
Maschinelle Presse.
Pilzmyzel ist ein relativ schwaches Material mit einer geringen Biege- und Zugfestigkeit, seine Druckfestigkeit ist jedoch für bestimmte strukturelle Anwendungen ausreichend. Deshalb wird mit digitalen Methoden ein baumartiges, ausschließlich druckbelastetes Form- und Tragwerkskonzept entwickelt.
Hände in Handschuhen die etwas in einen Trichter füllen.
Der Inhalt der Pilzbeutel wird für den zweiten Wachstumszyklus in parametrisch erzeugte, hergestellte und wiederverwendbare Formen gefüllt.
Plastiktüte mit Inhalt.
Das Pilzmyzelgewebe verdichtet sich in der Form. Ist das Bauelement ausreichend gewachsen, kann es aus der Form herausgeholt werden und das Wachstum wird durch eine Wärmebehandlung gestoppt.
Pilz
Aufgrund seiner starken Fasern wird Bambus zu Vorspann- und Verbindungsplatten für die Fügungspunkte und zu Elementen des oberen Strukturabschlusses verarbeitet.
Pilzkonstrukt
Aus natürlichen Ressourcen kultiviert, sind die Elemente nach Gebrauch biologisch abbaubar. Die verwendeten Materialien können als Nährstoffe in den natürlichen Stoffkreislauf zurückgeführt werden.