Der Weg des Gemäldes „Olevano“ in die Kunsthallen-Sammlung
#kunsthalleathome – Das Motto gilt auch für den internationalen Tag der Provenienzforschung. Mit der wissenschaftlichen Rekonstruktion der Geschichte des Gemäldes „Olevano“ gibt Provenienzforscherin Dr. Tessa Rosebrock einen Einblick in ihre Arbeit.
Das Gemälde Olevano aus dem Jahr 1927 des Karlsruher Malers Alexander Kanoldt gehörte einst dem jüdischen Anwalt Ismar Littmann aus Breslau. Er hatte es direkt nach seiner Entstehung im Atelier des Künstlers erworben, der damals Professor an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe zu Breslau war.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden gerade in Breslau die Rechtsanwälte jüdischer Herkunft stark verfolgt. Littmann wurde seine Zulassung entzogen, und auch als Notar durfte er nicht länger tätig sein. Da er hochverschuldet war und beruflich keine Zukunft für sich sah, beging er einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er 1934 erlag.
Seine Frau Käthe und seine vier Kinder waren ebenfalls jüdischer Herkunft. Während die Kinder frühzeitig emigrierten, verblieb Littmanns Witwe noch viele Jahre in Breslau. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes sah sie sich gezwungen, einen Teil der familieneigenen Kunstsammlung zu verkaufen. Sie gab ihn an den Berliner Auktionator Max Perl, der die Kunstwerke in der Auktion vom 26. und 27. Februar 1935 anbot.
Zwei Tage vor der Auktion beschlagnahmte die Gestapo insgesamt 64 Kunstwerke aus dem Auktionshaus Max Perl als „entartet“ und übergab sie der Berliner Nationalgalerie zur Verwahrung. 18 davon stammten aus der ehemaligen Sammlung Littmann. Ein Teil dieser Arbeiten wurde auf Weisung der Gestapo in der Heizungsanlage des Museums verbrannt.
In der trotzdem stattfindenden Auktion wurde nur sehr wenig verkauft. Eines der verkauften Werke was das Gemälde Olevano, das für den sehr geringen Preis von 250 RM an den Händler Karl Nierendorf ging. Da der von Hans Littmann festgesetzte Mindestpreis von 260 RM nicht erzielt wurde (normalerweise werden Kunstwerke in einem solchen Fall vom Auktionshaus zurückgehalten) und der Erlös der Auktion von den Erben Littmann zudem dazu genutzt werden musste, ihre Emigration aus Deutschland zu finanzieren (das Geld stand ihnen also nicht zur freien Verfügung), muss man bei diesem Verkauf aus heutiger Sicht von „Verschleuderung“ ausgehen und somit von einem NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlust.
Im November 1950 erwarb der Magistrat von Groß-Berlin das Gemälde Olevano von der Galerie Meta Nierendorf, Berlin, zum Kaufpreis von 6.000 DM. Der Magistrat war das „vollziehende und verfügende Organ der Volksvertretung des sogenannten Demokratischen Sektors von Groß-Berlin“ – der Deutschen Demokratischen Republik.
Im Juli 1951 ging das Bild als „Schenkung des Magistrats von Groß-Berlin“ an die Ostberliner Nationalgalerie auf der Museumsinsel. Nach dem Mauerfall und der Vereinigung der Ost- und Westberliner Nationalgalerie wurde es bis 1992 in dem Mies-van-der-Rohe-Bau am Potsdamer Platz gezeigt.
Ab den 1960er Jahren strengten die Kinder Ismar Littmanns Verfahren bei den Berliner Wiedergutmachungsämtern hinsichtlich des Verlusts der Kunstsammlung ihres Vaters an. Da sie jedoch keine Unterlagen besaßen, mit denen sie hätten nachweisen können, um welche verlustigen Gemälde und Papierarbeiten es sich handelte, konnten sie nur Entschädigungen für die Bilder erlangen, die bei Max Perl von der Gestapo beschlagnahmt und dann zerstört worden sind.
Auf der Grundlage von zwei später wiedergefundenen Inventarbüchern der Kunstsammlung im Nachlass eines verstorbenen Familienmitglieds konnten sie in den 1990er Jahren noch weitere Kunstwerke aus der Sammlung ihres Vaters ausfindig machen und reklamieren – darunter das Gemälde Olevano von Alexander Kanoldt. Das Gemälde wurde 2001 aus der vereinten Nationalgalerie an die Erbengemeinschaft nach Ismar Littmann restituiert. Noch im selben Jahr hat es der Förderkreis der Kunsthalle von dieser erworben.