Barbara Bauer, 7. Mai 2021

Boucher und die Druckgrafik

Die Kunsthalle Karlsruhe besitzt eine der ältesten Grafiksammlungen Europas , die rund 90.000 Arbeiten auf Papier umfasst. Im Kupferstichkabinett werden auch zahlreiche Grafiken aus dem 18. Jahrhundert aufbewahrt – unter anderem solche, die nach Werken des Rokoko-Künstlers François Boucher entstanden.

In der Sammlung des Karlsruher Kupferstichkabinetts befinden sich über 80 Grafiken, die in Verbindung zu Boucher stehen. Einen Einblick in die Komplexität des Marktes für Druckgrafik bietet diese Entdeckungsreise in unsere Online-Sammlung:

Boucher als Grafiker

In den Anfangsjahren seiner Karriere verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Radierungen nach Kompositionen anderer Künstler. Unter anderem reproduzierte er zahlreiche Zeichnungen des französischen Künstlers Antoine Watteaus aus der Sammlung Jean de Juliennes. Auch die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts  diente ihm als Vorlage für Figurenstudien nach Abraham Bloemaert.

Ansicht der Boucher-Ausstellung. Es hängen Kunstwerke an der Wand. Unter einem Werk befindet sich eine Vitrine.
Direkte Auftragsvergabe

Boucher wurde von seinen Zeitgenoss*innen für seinen Erfindungsreichtum geschätzt und erhielt immer wieder direkte Aufträge durch die Werkstätten. Er fertigte Entwürfe für Frontispize, (die grafischen Illustrationen vor der Titelseite einer Publikation) oder Zeichnungen für Vorlagenbücher an. Diese Sammlungen dienten anderen Künstler*innen als Inspiration.

Gewissermaßen als Spezialgebiet Bouchers galten die Darstellungen von Putten – kindliche Kunstfiguren, die als schmückendes Beiwerk seine Kompositionen bevölkern. Der befreundete Grafiker Gabriel Huquier gab in den 1750er-Jahren sechs Folgen mit Kupferstichen von Pierre-Alexandre Aveline nach Kinderzeichnungen Bouchers heraus.

Nur einige Jahre nach ihrer Entstehung wurden drei der Bände für Karlsruhe erworben, die Kleinkinder mit lockigem Haar in variierenden Haltungen präsentieren. Fast schwerelos schweben sie zwischen den Wolken und hantieren in luftiger Höhe mit diversen Gegenständen. Durch unterschiedliche Blickwinkel und Perspektivwechsel ergeben sich reizvolle Darstellungen von humorvoller Leichtigkeit. Einer der Putten stürzt beinahe kopfüber in die Tiefe als er mit zwei Gehilfen versucht ein Tuch möglichst elegant zu drapieren. Ein anderes weiteres Blatt zeigt zwei Putten beim Spiel mit Schwert und Helm und an anderer Stelle sind liebliche Engel damit beschäftigt, Blüten zu sammeln.

Motivadaption

Die Grafik Venus und Amor von Gilles Demarteau entstand nach einer Zeichnung Bouchers, die in enger Verbindung zu einer Reihe von Gemälden steht, die eine liegende junge Frau in aufreizender Pose zeigen. Am stärksten ähnelt die Grafik dem Gemälde Ruhendes Mädchen aus München: Die Haltung der weiblichen Schönheit ist nahezu identisch, allerdings sind der Darstellung ein Köcher mit Pfeilen im Vordergrund sowie der kleine Amorknaben hinzugefügt. Durch diese Veränderungen erhält die aufreizende Pose der Liegenden eine mythologische Deutung.

Ansicht von Werken in der Boucher-Ausstellung. Zu sehen sind drei an der Wand hängende Werke.
Verbreitung künstlerischer Ideen

Reproduktionsgrafiken ermöglichten die weite Verbreitung der Bildfindungen Bouchers und trugen wesentlich zu dessen Bekanntheit bei. Ausgeführt nach Gemälden und Zeichnungen des Malers, geben sie die Kompositionen detailgenau wieder und beeindrucken in ihrer künstlerischen Qualität. Ihre Beschriftungen informieren über Titel, Erfinder der Darstellung mit „F. Boucher Pinxit“ („F. Boucher hat gemalt“) oder „ F. Boucher Delineat“ („F. Boucher hat gezeichnet“), ausführende Hand durch „Sculpsit“ („hat gestochen“), Eigentümer*innen der Werke und eröffnen mögliche Interpretationsebenen der Darstellung durch Gedichte oder Zitate. Sie sind für uns eine wichtige Quelle zum Sammlungswesen und zur Rezeptionsgeschichte des 18. Jahrhunderts.

Qualitätsstandards

Boucher galt als extrem arbeitsamer Künstler, der der Qualität seiner Werke einen hohen Stellenwert beimaß, da seine Kompositionen so bekannt wurden, dass sie das Bild des Künstlers prägten. Als Reproduktionsgrafiken nach seinen Kompositionen nicht seinen Erwartungen entsprachen, verkündete er dies auch öffentlich in der Zeitschrift „Mercure de France“.

Freudiges Stöbern

Die Online-Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe wird stetig erweitert und bietet einen reichen Schatz an Werken, die zum Erkunden einladen und als Inspiration für die eigene Kreativität genutzt werden können – vielleicht in der Rubrik Art of Creating Stuff der Kunsthallen-Anwendung Art of?