Tabea Schwarze, 9. August 2022

Feedbackkultur leben, lieben, nutzen

Ob Onlineshopping, Servicehotline oder Ärzt*innenbesuch – die Bitte um Feedback ist allgegenwärtig. Auch für die (Weiter-)Entwicklung digitaler Angebote von Museen sollte dies Grundlage sein.

Um konstruktives Feedback tatsächlich erhalten, korrekt einordnen und zielführend einsetzen zu können, gilt es einige Punkte zu beachten – wir teilen unsere wichtigsten Learnings.

1. Ziele setzen und Zielgruppen definieren

Gerade in Museen steht oft das vermeintliche Ziel, alle erreichen zu wollen, im Fokus. Dass sich Angebote, die sich an eine zu große Zielgruppe – im schlimmsten Fall an „alle“ – richten, nicht zielführend konzipieren, geschweige denn umsetzen lassen, liegt auf der Hand. Dennoch müssen Kultureinrichtungen ihrem Bildungsauftrag nachkommen und Zugänge für die gesamte Breite der Gesellschaft entwickeln. Das bedeutet aber weniger, dass mit einem Angebot alle erreicht werden können, als vielmehr, dass es unterschiedlicher, zielgruppenspezifischer Wege bedarf.

2. Die Zielgruppe aktiv kennen und verstehen lernen

Damit zielgruppenspezifische Angebote das Zielpublikum auch erreichen können, ist es zunächst unabdingbar, sich dort aufzuhalten, wo die Mitglieder der Zielgruppe präsent sind. Eine perfekt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe hin entwickelte Anwendung wird diese nicht erreichen, wenn sie lediglich auf der Museumswebsite kommuniziert wird.

Aber auch schon in der Konzeptionsphase sollte mit dem Zielpublikum in den Austausch getreten und intensiv zugehört werden, welches die Themen und Bedürfnisse sind, aber auch welche Angebote und Medien regelmäßig genutzt werden. Je mehr man versteht, wie die Zielgruppe diese verwendet und welche Aspekte hieran als reizvoll wahrgenommen werden, desto mehr kann dieses Verständnis in die Entwicklung der Museums-Anwendungen eingesetzt werden.

3. Vorbilder finden und adaptieren

Von der Zielgruppe gerne und vielgenutzte Medien können als quasi indirektes Feedback betrachtet und als Inspiration für eigene Angebote genutzt werden. Voraussetzung ist es auch hier, dass der Zielgruppe zugehört wird und verstanden wurde, warum sie eine bestimmte Anwendung so schätzt: Sind beispielsweise die Inhalte ausschlaggebend für die Nutzung, können das Design und die Usability folglich nicht automatisch auch als Vorbild dienen. Statt einer Eins-zu-eins-Übertragung sollten vielmehr die medienspezifischen Eigenheiten genutzt werden, um Inhalte zielgruppengerecht zu vermitteln. So geht es beispielsweise in den sozialen Medien weniger darum, dass Museen vermeintlich humorvolle Videos ihrer Mitarbeiter*innen veröffentlichen sollten, sondern die Sprache und Trends nutzen sollten, um mit den eigenen Inhalten einen Mehrwert für die User*innen zu schaffen. Die kunsthistorische Bedeutung eines Werkes kann und soll dabei in den allermeisten Fällen nicht vollumfänglich vermittelt werden – Ziel ist es, eine Brücke zu der Lebensrealität der User*innen zu schaffen und ein erste Antwortmöglichkeit auf die Frage „Was hat denn Kunst eigentlich mit mir zu tun?“ zu geben.

4. In den Austausch kommen

Austausch auf Augenhöhe sollte stets das A und O sein. Konstruktives und wertvolles Feedback kommt vor allem dann zustande, wenn die Mitglieder einer Zielgruppe wahr-, ernstgenommen und wertgeschätzt werden. Auch hierfür gilt es, einen langen Atem zu bewahren, nicht nur zu fordern, sondern auch zu geben. Immer wieder wird die Einbeziehung der Communities als kurzfristige Maßnahme einer Marketing-Strategie genutzt. So forderten auch Museen schon von User*innen einen relativ hohen Aufwand zu betreiben, um dann eine Freikarte für ein Museum zu erhalten, das sie ggf. aufgrund räumlicher Entfernung nicht besuchen können oder wollen. Warum sollten User*innen Feedback geben, wenn sich die Institution selbst nicht in Diskurse einbringt oder mit den Mitgliedern der Community interagiert?

Dazu zählt auch, dass die sozialen Medien nicht nur als Werbekanal für die eigenen Angebote genutzt, sondern auch hier bereits Mehrwerte generiert werden. Im Sinne des Community-Gedankens sollte es auch Museen in erster Linie darum gehen, wertvolle Inhalte zu vermitteln. Kommunikation auf Augenhöhe heißt hier auch, sich auf Plattformen einzulassen und Wissen für diejenigen bereitzustellen, die das gewählte Medium eben nicht verlassen wollen.

Drei junge Besucherinnen stehen vor einem Blumenstillleben und scheinen sich darüber auszutauschen. Im Vordergrund ist ein weiterer Besucher unscharf zu erkennen.

5. Wertschätzen

Feedback ist besonders dann wertvoll, wenn es nicht nur darum geht, verwertbare Zitate und Zahlen zu generieren, die Stakeholdern wie Förderern vorgelegt werden können, oder das Einholen von Feedback als Teil einer Marketing-Kampagne zu inszenieren,  sondern wenn die Institution wirklich daran interessiert ist, die Rückmeldungen zu verstehen, einzuordnen und zu nutzen.

6. Einordnen

Jedes Feedback sollte wertgeschätzt und gewürdigt, nicht jedes aber direkt umgesetzt werden. Zur Einordnung steht zuallererst die Frage, ob das Feedback zu einem Angebot auch aus der dafür anvisierten Zielgruppe kam: Dass beispielsweise ein Ü65-Publikum wenig mit der Meme-Kultur anzufangen weiß oder eine nicht kunstinteressierte Person nur schwer Zugang zu einem wissenschaftlichen Forschungsangebot findet, ist nachvollziehbar, macht ein Angebot für die dafür vorgesehene Zielgruppe nicht weniger gut. Ähnlich verhält es sich mit anekdotischem Wissen: Ob Bekannte das Design attraktiv finden, man niemanden kennt, der Do it Yourself-Anleitungen umsetzt, oder man selbst sich eine andere Art von Informationsaufbereitung wünschen würde, sollte die Umsetzung eines Angebots nicht beeinflussen. Wir alle wissen, wie stark unsere Meinung zum common knowledge von den Personen, mit denen wir den Großteil unserer Zeit verbringen, geprägt wird. Gerade deshalb gilt es, die Personas der Zielgruppe sehr genau im Blick zu haben.

7. Feedback verwenden – Deutungshoheit abgeben

Das Einlassen auf Feedback aus den jeweiligen Communities ist in den allermeisten Museen glücklicherweise schon Normalität geworden. Damit wird immer auch ein Stück der ehemals im Museum verankerten Deutungshoheit abgegeben, was den Prozess für manche Häuser etwas schmerzvoller werden lässt: Der Fokus verlagert sich von dem, was ein Museum vermitteln möchte, hin zu dem, was die Zielgruppen interessiert.

8. Qualität versus Quantität

Quantität hilft, Einzelmeinungen von allgemeinen Empfindungen zu unterscheiden. Sie hilft auch, Indizien für Erfolg zu identifizieren, allerdings werden die Daten der digitalen Besucher*innen erst dann aussagekräftig, wenn sie richtig interpretiert werden: Ist die Verweildauer eines Angebots hoch, weil die gewünschte Information nicht auf Anhieb auffindbar war oder weil eine Seite besonders interessante Inhalte enthielt? Ist die Absprungrate hoch, weil die gewünschte Information sofort gefunden wurde, weil die Seite zu wenig Anreize bot, sich mit anderen Themen zu beschäftigen, oder gar weil das Konsumieren von Inhalten hier nur unter Anstrengungen möglich ist? Und der Klassiker: Werden bestimmte Angebote nicht mobil genutzt, weil die Zielgruppe hierfür nicht besteht, oder weil die Seite nicht optimal auf eine mobile first / only Nutzung eingestellt ist? Da qualitative Methoden wie die Arbeit mit Fokusgruppen wiederum die quantitativen Aspekte zu stark vernachlässigt, sind wir hier auf der Suche nach zielführenden und datensparsamen neuen Wegen.

9. Erwartungsmanagement und transparente Kommunikation

Was geschieht mit nachvollziehbarem Feedback, das aber nicht umgesetzt werden kann? Seit mehreren Monaten arbeiten wir intensiv an einem Tool, das sich im Prozess der Programmierung sehr viel komplexer darstellte, als zuvor vermutet. Zeitgleich zeigten User*innen-Testings, dass die Erwartungen hoch sind. Erwartungen, die begründet und nachvollziehbar sind, aber derzeit technisch nicht umgesetzt werden können. Unser erster Impuls: Die Besucher*innen darüber informieren und offen kommunizieren, warum bestimmte Aspekte sind, wie sie sind. Aber müssen sich Besucher*innen mit den Herausforderungen von Museen auseinandersetzen oder sollten sie nicht einfach ihren digitalen Besuch genießen können?

10. Austausch jenseits des musealen Kontextes

Der Blick nach außen bleibt wichtig. Auch wenn die Ressourcen der Museen nicht mit denen der freien Wirtschaft mithalten können, erscheinen museale Angebote auf den verschiedenen Plattformen, Suchmaschinen und Kanälen neben kommerziellen Angeboten und müssen sich entsprechend an diesen messen lassen. Spätestens mit der Pandemie sind die Ansprüche der User*innen nochmals signifikant gestiegen: Von Suchen in Online-Sammlungen wird die gleiche Trefferqualität wie von Google erwartet und die übrigen Seiten sollten unbedingt so user*innenfreundlich wie die großer Konzerne sein. Und auch, wenn Museen das in den allermeisten Fällen nicht leisten können, ist es wichtig, diesen Anspruch zu verinnerlichen. Schließlich sind das die Angebote, mit denen Museen konkurrieren: Will Persona X lieber eine Serie streamen, sich mit einer App die Sprachkenntnisse vertiefen oder mit der Kunsthalle in die Tiefen der Geschichten ihrer Sammlung eintauchen?

11. Mit Feedback zur Nachhaltigkeit

Unerlässlich für die Planungen schon in der Konzeptionsphase: Das neue Angebot wird auch langfristig Ressourcen binden. Ohne das kontinuierliche Einholen, Auswerten und Arbeiten mit dem User*innenfeedback sind die Angebote schnell überholt und werden nicht mehr genutzt. Auch deshalb sollten sie von vornherein auf einen continuous relaunch ausgelegt sein.

In diesem Sinne: Wir werden nicht müde, zu fragen, was wir in unserer digitalen Kommunikation, in unseren digitalen Angeboten und auch insgesamt besser machen können. Hinter den Kulissen arbeiten wir an neuen Wegen, wie wir Feedback, Meinungen, Empfindungen, Wünsche und Bedürfnisse effektiver und zielführender einholen können. Für heute bleibt der Wunsch in den Kommentaren zu lesen, was Sie und Ihr denkt! Und wer es anonymer mag: Gerne auch per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de