Dr. Kirsten Claudia Voigt und Dr. Leonie Beiersdorf, 31. März 2020

„Inventing Nature – Pflanzen in der Kunst“ – verschoben ins Jahr 2021

Shutdown – auch in der Kunsthalle Karlsruhe. Was bedeutet das für eine Ausstellung wie „Inventing Nature – Pflanzen in der Kunst“, die rund neun Wochen später eröffnet werden sollte?

Es bedeutet, einen vollbesetzen Zug, der mit Volldampf unterwegs ist, mit einer Vollbremsung zum Stehen zu bringen. Jahrelange Vorarbeiten, an denen Künstler*innen, Kolleg*innen aus allen Abteilungen unseres Hauses und aus anderen Museen, Galerien, private Leihgeber, ein Verlag, Autor*innen und Institutionen beteiligt waren, werden ausgebremst – wie die Laster, die übrigens teilweise schon auf dem Weg waren, um Werke von mehr als 30 Künstler*innen anzuliefern. Die Vernunft, die Fürsorgepflicht für Mitarbeiter*innen und Publikum gebieten dies.

Künstler*innen, Verlag und Galerien haben gemeinsam Energien, Ideen, Zeit und Geld investiert, sie sind auch – das konnten wir hören – schon mit Existenzsorgen konfrontiert. Staatliche Institutionen aber bleiben verlässlich, ethisch und praktisch in der Pflicht und geben ermutigende Zeichen der Stabilität. Die Arbeit geht unvermindert weiter; der Katalog wird produziert, an der Vermittlung der Ausstellung gearbeitet. Denn: Inventing Nature – Pflanzen in der Kunst, die am 29. Mai 2020 hätte eröffnet werden sollen, wird nun um etwa ein Jahr verschoben. 2021 ist das Jahr, in dem die Kunsthalle ihr 175-jähriges Bestehen feiert, und so wird der Ausstellung und ihrem brisanten ökologischen Thema – der Frage nach unserem Umgang mit Natur und unseren Lebensbedingungen – wohl noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerden.

Die Ankündigung, dass wir aus der weltweit Leid und Existenznot erzeugenden Krise so doch eine Chance für unsere Partner, Freunde und die Kunst entwickeln werden, löste bei allen Beteiligten Freude und Erleichterung aus. Die Antworten der Künstler*innen, Museumskolleg*innen und Galerist*innen, die uns erreichten, waren solidarisch, warmherzig, verständnisvoll, viele berührend und freundschaftlich. Als Kuratorinnen danken wir allen auch hiermit für ihr Vertrauen und ihre Zusicherungen, die Werke, die wir in Karlsruhe zusammenführen wollen, 2021 in die Kunsthalle zu entleihen! 

Das Thema der Ausstellung wird nichts an Brisanz eingebüßt haben – eher im Gegenteil. Die Coronakrise stellt als pandemische Naturkatastrophe jeden von uns und unsere Systeme auf die Probe. Der Philosoph Richard David Precht hat dieser Tage sein Erstaunen darüber ausgedrückt, dass wir nun plötzlich und erstmals in der Lage scheinen, mit Hochdruck alle politischen Hebel in  Bewegung zu setzen, um Schaden zu begrenzen und Leben zu retten, während uns dies im Angesicht der – noch weitaus größeren – drohenden „Naturkatastrophe“, die aus Klimawandel und Artensterben resultieren wird, bisher nicht gelang. Ein Umdenken bahnt sich an – auch das war Gegenstand vieler Antworten, die uns viele der engagierten Künstler*innen und Kulturschaffenden in den letzten Tagen schickten. Diese Gedanken sind integraler Bestandteil von „Inventing Nature“ – im Frühjahr 2021.