Eine Tasse Schokolade und einen Zeichenstift in der Hand
In der aktuellen Ausstellung präsentieren wir Werke aus allen Schaffensperioden François Bouchers. Teilweise weisen die Gemälde und Zeichnungen auf einzelne Charakterzüge des Malers hin. Welche Persönlichkeit versteckt sich hinter dem arbeitsamen, von der europäischen Elite geschätzten und doch zugleich auch kritisierten „Franz Fleischer“?
Wir wissen einiges über seine äußeren Lebensumstände: François Boucher wird am 29. September 1703 als Sohn des Malers Nicolas Boucher und Elisabeth Lemesle in einem Handwerkerviertel im Zentrum von Paris geboren. Nach ersten Lehrjahren im Atelier seines Vaters und bei Akademiemalern, setzt er seine Ausbildung in Italien fort. Zu Beginn seiner Karriere verdient er seinen Lebensunterhalt als Radierer. 1733 heiratet er Marie-Jeanne Buseau. Das Paar hat drei Kinder: Jeanne-Elisabeth-Victoire (*1735), Juste-Nathan (*1736) und Marie-Émilie (*1740). Etwa zur gleichen Zeit festigt sich seine offizielle Karriere: 1734 wird Boucher als Historienmaler in die Königliche Akademie aufgenommen, 1737 zum Professor gewählt und 1765 schließlich zum Königlichen Hofmaler ernannt. Fünf Jahre später, am 30. Mai 1770 verstirbt er in Paris. Seine gesamte Laufbahn hindurch führt er Aufträge für die europäische Elite aus, nimmt regelmäßig an Salonausstellungen teil und arbeitet eng mit den Manufakturen der angewandten Kunst zusammen.
Kunstgeschichtliche Forschung basiert auf Quellenarbeit. Besonders aufschlussreich kann der Umgang mit Archivmaterial sein. Briefe, Erinnerungen oder Notizen helfen uns Gedankengänge nachzuvollziehen und mehr über persönliche Wünsche oder Sorgen der Künstler*innen zu erfahren. Doch wie nähern wir uns einem Künstler an, von dessen Hand heute kaum schriftliche Zeugnisse überliefert sind?
Hier helfen Berichte aus dem sozialen Umfeld. Der deutsche Maler Christian von Mannlich lernte ab 1764 in der Werkstatt Bouchers und schreibt in seinen Lebenserinnerungen über Bouchers Morgenroutine: „Des Morgens, während er im Arbeitszimmer seine Schokolade trank, vergnügte er sich damit, Zeichnungen zu entwerfen oder zu verbessern.“ Diese sympathische Beschreibung zeichnet das Bild eines genussvollen Arbeiters mit dem wir uns leicht identifizieren können. Zugleich sind persönliche Anekdoten, die heute nicht mehr überprüft werden können, immer mit der nötigen wissenschaftlichen Distanz zu betrachten. Welche Intention hatte Mannlich bei der Schilderung dieser Szene?
Boucher galt als extrem fleißiger Künstler, war vielseitig interessiert und nahm aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Er begeisterte sich für das Theater sowie die Musik seiner Zeit und besuchte häufig die Salons von Madame Geoffrin. Sie organisierte wöchentliche Treffen zum Austausch über Kunst und Literatur, bei denen auch zahlreiche Förder*innen des Malers verkehrten – wie beispielsweise die spätere Madame de Pompadour. Boucher war wohl ein gern gesehener Gast, da seine Neugierde vielen Bereichen galt. Seine Privatbibliothek umfasste knapp 7.000 Bände und zeugt von seinem literarischen Interesse. Gepaart mit einer ausgeprägten Einbildungskraft übertrug er dieses Wissen in anmutige Bilderzählungen. Zugleich präsentierte er in den Räumen neben seinem Atelier im Louvre seine umfangreiche Privatsammlung, die unter anderem Kunstwerke, Objekte aus fernen Ländern oder Schalenweichtiere umfasste. Diese Gegenstände nutze er als direkte Inspirationsquelle für seine Darstellungen.
Ungeachtet der wenigen historischen Quellen zur Privatperson, erscheint uns Boucher als facettenreicher Künstler, der wesentliche Eigenschaften in sich trug, die wohl heute noch als Grundlage für Erfolg gelten: Begeisterungsfähigkeit, Leidenschaft und handwerkliches Können gepaart mit einer gehörigen Portion Humor und Lebensfreude.