Dr. Leonie Beiersdorf, 11. März 2024

Ramadan Mubarak!

Strenge Symmetrien, aufwendigste Stuckarbeiten, antike Holzdecken und farbenfrohe Kacheln sind Beispiele des anspruchsvollen muslimischen Kunsthandwerks und lassen bis heute Besucher*innen erstaunen.

Die Rede ist von der atemberaubenden Architektur der Nasridenpaläste, dem ursprünglichen Sitz der muslimischen Herrscher innerhalb der Alhambra im andalusischen Granada. Von außen glatt, entfalten die Wände im Innern eine enorme Pracht. Zurecht zählt die Alhambra mit ihrer Zitadelle, den Palastbauten, Wasserkanälen, Gärten und mit den späteren christlichen Sakralbauten seit 1984 zum UNESCO-Kulturerbe.

Während heute die meisten Fotografien dieser Räumlichkeiten die Fülle des Ornaments feiern, wählte Felix Alexander Oppenheim 1852 einen anderen Blickwinkel. Der angehende Jurist war als Privatier zur Fotografie gekommen, kaum, dass diese neue Technologie zur Erfassung der Wirklichkeit publik geworden war. Seine extrem frühe Aufnahme aus den Nasridenpalästen in der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe zeigt den Eingangsbereich des Torre de los Comares mit seinen schlanken vorgelagerten Säulen linkerhand, woran sich rechts im Bild der Thronsaal (auch Botschaftersaal) anschließen würde.

Die Abbildung einer Fotografie zeigt den Eingangsbereich des Torre de los Comares mit schlanken Säulen. Es ist die Schwelle in einen imposanten Raum.

Wir stehen jedoch nur an der Schwelle zu diesem imposanten Raum, ohne hineinblicken zu dürfen. Denn an diesem Übergang führt uns Oppenheim eine formale Analogie zwischen dem großen maurischen Bogengang zum Innenhof und dem Bogen der kleinen Wandnische vor Augen, die in einem tiefen Schwarz versinkt und darüber das reiche Stuck-Ornament nur als Idee aufscheinen lässt.

Durch die angewandte Technik des Salzpapierabzugs erscheinen die an sich fein ziselierten Wölbungen und Grate wenig konturscharf, eher weich und ätherisch. Die Alhambra liegt so wie unter einem Schleier und tritt als ein geheimnisvoller Ort in Erscheinung, dessen Schönheit über die Jahrhunderte hinweg bezaubert, auch vage Vorstellungen vom Exotischen und Anderen bedient und bis heute einen ungebrochenen Touristenmagnet darstellt.

Die Alhambra zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen maurischer Baukultur, wie man sie in Andalusien und dem Maghreb finden kann. Sie steht außerdem für die Geschichte der islamischen Kunst und Kultur in Europa, die von der sukzessiven Eroberung des Reichs der Westgoten durch muslimische Berber im Jahr 711 bis zur sogenannten Rückeroberung Granadas durch die vereinigten christlichen Truppen Spaniens im Jahr 1492 währte. In anderen Worten: über 700 Jahre lang war der Islam früher schon einmal kontinuierlich in Europa beheimatet und hat ein reiches Erbe hinterlassen, das sich auch in der Gegenwart in zahlreichen transkulturellen Formen zeigt – von der Sprache und der Geistesgeschichte über die materiellen Zeugnisse der Baukultur bis hin zur Kulinarik.

In diesen Tagen begehen Muslim:innen den heiligen Fastenmonat Ramadan, eine Zeit der inneren Einkehr, während der man sich körperlich einschränkt und insgesamt ein wenig zurücknimmt, um der Spiritualität Raum zu lassen und in Familie oder Gemeinde das abendliche Fastenbrechen zu zelebrieren. Allen Muslim:innen wünschen wir eine friedliche Zeit des Miteinanders – Ramadan Mubarak!