Florian Trott, 24. September 2021

Wenn ein Museum umzieht …

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe schließt am 31.10.2021 für die Besucher*innen ihre Pforten, für das Museum beginnt eine ungewöhnliche und herausfordernde, aber sicher auch sehr spannende Zeit.

Bevor in der historischen Vierflügel-Anlage in der Hans-Thoma-Straße die Bauarbeiten beginnen können, muss das Gebäude komplett geräumt werden. Für das Team der Kunsthalle heißt es also: Kisten packen und umziehen.

Jeder, der schon einmal privat umgezogen ist, weiß, wie aufwendig ein solches Unterfangen ist. Alle Abläufe sollten bzw. müssen bis ins kleinste Detail vorbereitet und gut geplant werden. Dies gilt besonders für einen Museumsumzug, wobei die Dimension des Vorhabens natürlich deutlich größer und komplexer ist. Die Kunsthalle Karlsruhe bereitet sich schon seit geraumer Zeit auf ihren Auszug vor. Wie bei einem privaten Umzug musste auch hier zunächst die Frage geklärt werden, wohin das Museum denn für die Zeit zieht, in der das Hauptgebäude saniert wird. Es wurden verschiedene Optionen geprüft und wieder verworfen; schließlich konnte eine geeignete Immobilie gefunden werden, in der nahezu das gesamte Museum mit all seinen Bereichen – der Sammlung, der Bibliothek, den Werkstätten und den Büros – Platz finden wird. Ein Glücksfall!

Mit größter Sorgfalt widmet sich das Team seit einiger Zeit den Umzugsvorbereitungen für die Kunstsammlung. Gut 3.600 Gemälde, 400 Skulpturen und mehr als 100.000 Blätter mit Zeichnungen oder Grafiken müssen bewegt werden. Für nahezu alle Objekte werden spezielle Verpackungsvorgaben entwickelt. Die Gemälde wurden dafür konservatorisch begutachtet, um sie – sofern nötig – fit für den Umzug zu machen. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass die Digitalisierung der Gemäldesammlung mit den Umzugsvorbereitungen weitestgehend abgeschlossen werden kann.

Blick in den Feuerbachsaal der Kunsthalle mit dem Gemälde Gastmahl des Plato

Bevor der Umzug dann tatsächlich beginnt, sind die logistischen Abläufe minutiös zu planen. Manche Werke stellen das Kunsthallen-Team vor nahezu unlösbare Aufgaben. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde Das Gastmahl des Plato von Anselm Feuerbach, das mit seinen Maßen von 3,62 mal 6,69 Metern durch keine Tür und in keinen Aufzug passt. Aber auch hierfür werden individuelle Lösungen erarbeitet, damit jedes Werk den Umzug sicher und unbeschadet überstehen wird.

Um die Sammlung am neuen Standort, der sich in der Hermann-Veit-Straße in Karlsruhe befindet, gut aufbewahren zu können, wurde intensiv an den Planungen der Depoträume und der Werkstätten gearbeitet. Denn natürlich laufen das Museumsleben und vor allem die Arbeit hinter den Kulissen auch in einem geschlossenen Museum weiter. So wird die Kunsthalle weiterhin viele ihrer bedeutenden Werke für Ausstellungen anderer Museen weltweit zur Verfügung stellen. In Planung sind ebenso Forschungs- und Restaurierungsprojekte. Aktuell ist das Team bereits mit den Vorbereitungen für die Sammlungspräsentation im ZKM beschäftigt. Die Interimszeit wird aber auch intensiv genutzt, um neue Konzepte zu erarbeiten, beispielsweise im Bereich der Kunstvermittlung.

Blick auf einige Büsten und Skulpturen im Depot der Kunsthalle Karlsruhe

Neben dem Umzug der Kunstsammlung werden auch die Umzüge der anderen Bereiche, also der Bibliothek, der Werkstätten und der Büros, geplant und vorbereitet. Wie in einer Wohnung oder einem Haus sammeln sich auch in einem Museum über die Jahrzehnte zahllose Gegenstände an, die nicht mehr benötigt werden, wie etwa alte Luftbefeuchter oder Materialien aus den Malwerkstätten. Hier gilt es, sorgfältig zu prüfen, von welchen Dingen man sich trennen kann – kein leichtes Unterfangen, schon gar nicht in einer Institution, deren Aufgabe es ist, zu sammeln und zu bewahren.

Auch Aktenbestände müssen gesichtet und bewertet werden. Alte Akten, vor allem aus dem wissenschaftlichen Bereich, die für die alltägliche Arbeit nicht mehr benötigt werden, gibt die Kunsthalle an das Generallandesarchiv. Dort werden die Unterlagen langfristig fachgerecht aufbewahrt und für die Öffentlichkeit erhalten. In einem Haus mit vielen langjährigen Kolleg*innen existieren zudem meterweise Aktenordner mit Protokollen, Gesprächsnotizen und sonstigen Papieren. Hier ist zu entscheiden, welche dieser Unterlagen vernichtet, digitalisiert oder tatsächlich analog umziehen werden.

Abbildung des Architekturentwurfs der baulichen Weiterentwicklung der Kunsthalle Karlsruhe durch das Berliner Architekturbüro Staab Architekten

Die Zeit des Interims wird für die Kunsthalle eine Gelegenheit sein, interne Strukturen und Abläufe kritisch zu beleuchten. Mit Blick auf die sich wandelnden Aufgaben von Museen und sich verändernden Anforderungen an die museale Arbeit im 21. Jahrhundert wird es sinnvoll und notwendig sein, die Organisation insgesamt weiterzuentwickeln. Bei diesen Überlegungen werden auch Fragestellungen zu berücksichtigen sein, die im aktuellen kultur- und museumspolitischen Diskurs von zentraler Bedeutung sind: Für wen ist das Museum da? Wie kann die Öffnung der Museen für ein diverseres Publikum gelingen? Wie möchte die Kunsthalle wahrgenommen werden und wie verankert sie sich im Karlsruher Stadtraum? An welchen Debatten sollte sich das Museum künftig beteiligen? Die Beantwortung dieser Fragen setzt interne Gespräche, aber auch einen Austausch mit den Besucher*innen voraus.

Der Ausbau der digitalen Strategie ist eines der Vorhaben, dem sich das Kunsthallen-Team im Interim widmet. Hierbei geht es sowohl um eine Weiterentwicklung der unterschiedlichen Formate und Angebote für die digitalen Besucher*innen, als auch um interne Arbeitsprozesse. Von der Einführung der E-Akte in der Verwaltung über analoge Bildakten bis hin zu den Abläufen beim Leihverkehr: in zahlreichen internen Bereichen werden die Möglichkeiten, die die digitale Transformation bietet, noch nicht ausreichend genutzt.

Natürlich wird auch die Begleitung der Bauarbeiten im und am Hauptgebäude der Kunsthalle eine der großen und wichtigen Aufgaben der nächsten Jahre sein. Am Ende dieses langen Prozesses steht dann die Konzeption der Neueinrichtung der Sammlung für die Wiedereröffnung der sanierten Kunsthalle. Eine Aufgabe, auf die sich das kuratorische Team des Hauses sicher schon heute freut. Dabei ist auch zu überlegen, wie wir hier die Besucher*innen einbeziehen können. Es gibt viel zu tun…