Tabea Schwarze, 13. Dezember 2019

Wie war Baldung vor 60 Jahren – aus Sicht der Besucher*innen ?

60 Jahre ist sie her, die letzte große Retrospektive, die sich dem außergewöhnlichen und unterschätzten Renaissance-Künstler Hans Baldung Grien widmete. Spätestens, wenn man sich das Keyvisual der Großen Landesausstellung vergegenwärtigt, kommt die Frage auf, wie eine Ausstellung eines solch außergewöhnlichen und bisweilen expliziten Künstlers vor 60 Jahren gewirkt haben muss.

Wir haben eine Besucherin getroffen, die vor 60 Jahren die Baldung-Ausstellung in der Kunsthalle besuchte und ihre Erinnerungen mit uns teilte.

1959 war Ingeborg Stadler noch keine 20 Jahre alt und extrem sportbegeistert. Neben dieser Leidenschaft interessierte sie sich vor allem für Kunst, organisierte später Ausstellungen mit Laienkünstler*innen und nahm regelmäßig an den Vorträgen des damaligen Kunsthallendirektors Jan Lauts teil.

„das kulturelle Angebot in der Stadt war gering, sobald es dann überregionale Ausstellungen zu sehen gab, mussten wir dorthin – unabhängig davon was, wann und wo.“

Eine ihrer Sportfreundinnen arbeitete als Sekretärin bei Jan Lauts und berichtete von den oft nächtelangen Arbeiten an einer großen Ausstellung über den bislang wenig beachteten Renaissance-Künstler Hans Baldung Grien. Diese war ursprünglich zum 400. Todesjahr Baldungs 1945 geplant und sollte nun nach dem Kriegsende der erste Ausstellungshöhepunkt der Kunsthalle werden. Durch die Begeisterung der Freundin angesteckt, besuchte Ingeborg Stadler die Ausstellung – und dass, obwohl ihr Interesse eigentlich stärker der Kunst der Moderne galt.

Wenn Ingeborg Stadler sich an die Baldung-Ausstellung 1959 zurück erinnert, fallen ihr vor allem die sakralen Werke und biblische Szenen Baldungs ein. Auch, wenn ihr Andenken an die Ausstellung ein profanes Werk ist: Das Ausstellungsplakat, das ein Selbstporträt des Künstlers zeigt, hängt noch heute in ihrem Haus. Dieses Gemälde fasziniert sie bis heute. Seit einigen Monaten wird es durch einen Ausschnitt des Plakatmotivs für die Baldung-Ausstellung 2019 ergänzt.

Angesprochen auf das in der nun eröffneten Ausstellung Hans Baldung Grien. heilig | unheilig fokussierte Spannungsfeld des künstlerischen Schaffens zwischen den Polen heilig und unheilig, zeigt Ingeborg Stadler Begeisterung und Vorfreude. Insbesondere auch auf die wenig sakralen und vielmehr provokanten Werke des Baldungs: „das Schockierende gehört zur Kunst – ob früher oder jetzt“.