Ann-Christin Porsch, 16. Juni 2023

Female Selfmarketing im 17. Jahrhundert

Wie man sich als Künstlerin des Barocks einen Namen machen konnte.

Clara Peeters (1587 – nach 1639) war eine Zeitgenossin der Antwerpener Künstler Rubens (1577 – 1640), Jan Brueghel d. Ä. (1568 – 1625) und Frans Snyders (1579 – 1657). Über ihr Leben wissen wir fast nichts, doch dass sie vermutlich schon zu Lebzeiten Bekanntheit erlangt hat, darauf deuten die folgenden Indizien hin:


Die Ausbildung zur Künstlerin

Eine Ausbildung bei einem berühmten Lehrer, wie beispielsweise Rubens ihn hatte, wäre eine gute Grundlage gewesen, um als angehende Malerin schnell Anerkennung zu erlangen. Doch wie für die meisten Frauen der Frühen Neuzeit blieb ihr dieser Karriereschritt verwehrt. Vermutlich erhielt sie ihre Ausbildung bei ihrem Vater, der selbst Künstler in der Antwerpener Malergilde war.

Da die Soldatenfigur auf dem Pokaldeckel des Stilllebens mit Blumen und Goldpokalen aus der Kunsthallen-Sammlung fast exakt mit der Figur auf einem anderen Stillleben der Künstlerin übereinstimmt, wird vermutet, dass Clara Peeters nach ihrer Ausbildung in einer Werkstatt arbeitete und Malschablonen für ihre Werke verwendete. Das war eine gängige Praxis in den Werkstätten.

Abbildung des Stilllebens mit Blumen und Goldpokalen von Clara Peeters. Zwei prunkvolle Goldpokale stehen auf einem Tisch. Daneben eine Vase mit bunten Blumen. Auf dem Tisch liegen Muscheln, Münzen und eine Schale.

Mitgliedschaft in der Malergilde?

Jede*r, der/die in Antwerpen im 17. Jahrhundert als Künstler*in arbeiten wollte, musste in der Malergilde registriert sein. Gilden waren Berufsverbände von Handwerkern und Kaufleuten, die die Ausübung ihres Gewerbes regulierten, beaufsichtigten und unterstützten. Dass Frauen in die Gilde aufgenommen wurden, stellte eine Seltenheit dar. Die Künstlerin Judith Leyster (1609–1660) ist eine dieser Ausnahmen gewesen. Sie wurde 1633 in die Haarlemer Malergilde aufgenommen. Bis zu ihrer Hochzeit mit dem Maler Jan Miense Molenaer 1636 arbeitete sie als selbständige Künstlerin.

In Antwerpen lassen sich bis 1615 nur vier Frauen in den Gildenbüchern nachweisen. Clara Peeters gehörte nicht dazu. Das musste sie auch gar nicht unbedingt, denn Frauen, die bei Ihren Vätern in die Lehre gegangen waren, konnten auch ohne diese Mitgliedschaft künstlerisch tätig sein.


Stillleben – ein neuer Trend in der Malerei

Stillleben galten für Frauen, denen im 17. Jahrhundert das Studium menschlicher Figuren anhand von nackten Aktmodellen vorenthalten wurde als unproblematisches Feld in der Malerei. Prunkvolle Pokale aus vergoldetem Silber, Goldmünzen, lange Goldketten, Schalen aus kostbarem Porzellan, teure Tulpen und exotische Muscheln… All das waren beliebte Sammlungsobjekte, die das Interesse der Zeitgenoss*innen weckte und deswegen auch auf zahlreichen Bildern zu finden waren. Wie Clara Peeters ihre Werke verkauft hat, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen – doch was ihre Gemälde so besonders macht, ist bis heute geblieben: die detailgetreue, realistische Darstellung. Das zeugt von ihrem wissenschaftlichen Interesse, ihrer Beobachtungsgabe und technischer Brillanz.

Collage aus zwei Detailausschnitten des Stilllebens mit Blumen und Goldpokalen. Der linke Ausschnitt zeigt drei Muscheln. Der rechte Ausschnitt zeigt verschiedene Blumen.

Ihre Werke bei einflussreichen Sammler*innen

Einige Werke von Clara Peeters sind bereits im 17. Jahrhundert in Sammlungsinventaren dokumentiert. Das zeigt, dass ihre Motive und die Art der Darstellungen genau dem Geschmack der Zeit entsprochen haben und dass die Malerin schon zu Lebzeiten für ihre Werke geschätzt wurde.

Zwei ihrer Gemälde befanden sich in der großen Sammlung des Erzherzogpaares Albert und Isabella – dem Regentenpaar der spanischen Niederlande. Einige der Münzen im Karlsruher Stillleben mit Blumen und Goldpokalen von Clara Peeters sind sichtbar mit den Jahren 1603 und 1606 beschriftet und stammen daher exakt aus deren Regierungszeit.

Detailausschnitt des Stilllebens mit Blumen und Goldpokalen. Darauf sieht man einige Münze auf dem Tisch liegen. Manche nebeneinanderliegend, manche gestapelt. Neben den Münzen liegt außerdem eine Tulpe.

Der USP

Indem sich Künstler*innen auf das fokussieren, was ihre Gemälde einzigartig macht, schaffen sie ihr persönliches Alleinstellungsmerkmal – das, was wir heute unique selling point nennen. So gilt Clara Peeters als Erfinderin des ersten eigenständigen Fischstilllebens. Bis zu ihrer Bilderfindung wurden Fische lediglich als Teil von Markt- oder Küchenszenen gemalt.

Außerdem war Clara Peeters eine der ersten Künstler*innen, die Objekte aus graugrüner Keramik in ihren Stillleben präsentierte. Diese Seladon-Keramik hat ihren Ursprung in China und erfreute sich während der Ming-Dynastie (1368–1644) – als Importware auch in den Niederlanden – großer Beliebtheit, da die Farbe der Glasur an Jade erinnert. Solche Porzellanteller und -Schüsseln sind in mehreren von Peeters‘ Gemälden zu finden, sodass hier von einem typischen Motivrepertoire der Künstlerin gesprochen werden kann.

Auf diesem Ausschnitt des Stilllebens mit Blumen und Goldpokalen sieht man eine graugrüne Schale aus Seladon-Keramik. Darin liegt eine goldene Kette. Daneben sieht man die Sockel der Goldpokale und drei außergewöhnliche Muscheln.

Die Signatur auf den eigenen Werken

Für uns ist es heute vollkommen normal, dass Künstler*innen ihren Namen auf den Gemälden hinterlassen, doch Anfang des 17. Jahrhunderts stellte dies eine Seltenheit dar. Wichtig war es (vor allem als Künstlerin), den eigenen Namen auszuschreiben, sonst konnte es passieren, dass nachfolgende Generationen das Werk einem männlichen Kollegen zuschrieben: „Wer war nochmal ‚C.P.‘? – Das kann nur Pieter Claesz gewesen sein!“ – Tatsächlich wurden Gemälde von Clara Peeters schon ihrem zeitgleich tätigen Künstlerkollegen zugeschrieben. Heute sind über 40 signierte Werke von Clara Peeters bekannt.

Eine weitere Besonderheit: In manchen Gemälden prägte die Künstlerin ihre Signatur auf den Griff eines gemalten Messers. Vielleicht wollte sie sich damit sogar als Eigentümerin des kunstvollen Objekts verewigen…

Abbildung eines Stilllebens mit Käse, Mandeln und Brezeln, worauf eben diese Gegenstände kunstvoll arragniert sind.

Absolut besonders: Clara Peeters in jeder erdenklichen Reflexion auf den dargestellten Objekten – und ja, wirklich in jeder

Kein*e Künstler*in hat sein/ihr Selbstporträt vor 1612 so häufig als Spiegelung auf Stilllebenobjekten gemalt wie Clara Peeters. Sie spiegelt sich etwa sechs oder sieben Mal auf dem hinteren Pokal. Teilweise sind die Spiegelungen allerdings so klein, dass nicht ganz klar ist, ob es sich um ein Porträt oder nur um einen Lichtreflex handelt.

Damit nimmt Clara Peeters eine Darstellungstradition neu auf, die bereits im 15. Jahrhundert von Jan van Eyck (um 1390–1441) begründet und später von Rachel Ruysch (1664–1750), Jan de Heem (1606–1683/84), Maria van Oosterwyck (1630–1693) und anderen ebenfalls genutzt wurde.

Detailansicht des Stillebens mit Blumen und Goldpokalen von Clara Peeters. Man sieht einen der Pokale, in dessen Spiegelungen man mehrfach die Künstlerin erkennen kann.

Das Spiegelbild zeigt die Künstlerin in einem schwarzen Gewand mit hellem Kragen. Ihre Haare sind streng zurückgesteckt. Aufgrund der jungen Gesichtszüge wird vermutet, dass sie sich in den Reflexionen etwa im Alter von 20 Jahren dargestellt hat. Einzigartig im Werk von Clara Peeters ist hier auch, dass sie sich in diesem Stillleben mit einer Palette und mehreren Pinseln in der linken Hand malte. Dadurch ist sie eindeutig als Malerin identifizierbar.

Dass sie ihr Spiegelbild so vielfach abgebildet hat, ist vor allem Ausdruck ihrer optischen Kenntnisse und ihres Könnens. Ob sie damit gleichzeitig auch ganz selbstbewusst ausdrücken wollte, wer dieses Werk geschaffen hat – darüber können wir nur spekulieren.


Clara Peeters – Pionierin der Stilllebenmalerei

Auch wenn Clara Peeters vielleicht nicht mit der Berühmtheit eines Rubens oder Rembrandts mithalten kann und sie als Frau auch gar nicht dieselben Karrieremöglichkeiten hatte – so ist sie dennoch mit ihrem außergewöhnlichen malerischen Talent als eine Pionierin der Stilllebenmalerei in den Kunstkanon eingegangen.

Zwar betrieb Clara Peeters vermutlich keine aktiven Marketingmaßnahmen nach unserem heutigen Verständnis – aber indem sie sich auf sehr subtile Art in ihren Bildern verewigt hat, diese signierte oder sogar Objekte mit ihrem Namen kennzeichnete, machte sie innerhalb der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durchaus auf sich aufmerksam.

Dass sich ihre Werke bis heute erhalten haben, verdanken wir vor allem den Sammler*innen, die die Kunstfertigkeit von Clara Peeters schon früh erkannt und geschätzt haben.

Was denken Sie? Sind die Kunstgriffe in den Werken von Clara Peeters allein eine Demonstration ihres Könnens oder steckt ein strategisches Self-Marketing dahinter?