Gedanken zum Kriegsende vor 80 Jahren
Der 8. Mai 1945 markierte einen Wendepunkt – ein Ende und zugleich einen Anfang. Er bedeutete die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und zugleich den Beginn eines langen Prozesses des Umdenkens und der Neuorientierung.
Für die Kunsthalle Karlsruhe stellte das Ende des Zweiten Weltkriegs ebenfalls eine entscheidende Zäsur dar. Ab jetzt sollte wieder die Möglichkeit bestehen, mit einer selbstbestimmten Museumspolitik an der aktuellen Kunstentwicklung und Kunstforschung teilzuhaben. Doch zunächst mussten die Kunstwerke für die öffentliche Präsentation vorbereitet werden. Schon ab 1939 waren sie durch Magazinierung und später durch Auslagerungen an verschiedenen Bergungsorten in Sicherheit gebracht worden. Einige Monate nach ihrer Auffindung durch amerikanische Kunstschutzoffiziere im Mai 1945 wurden sie geordnet zurückgeführt. Vielerorts, auch in Karlsruhe, mussten für die wiederaufgenommene Museumsarbeit die räumlichen, personellen, administrativen und konzeptionellen Grundvoraussetzungen erst wiederhergestellt oder geschaffen werden.
Wie bewegend die Wiederauffindung der Museumsbestände sein konnte, dokumentiert die Geschichte des berühmten Selbstporträts von Rembrandt aus der Gemäldesammlung der Kunsthalle Karlsruhe. Harry Ettlinger (1926-2018), der aufgrund der Rassenideologie der Nationalsozialisten 1938 Karlsruhe mit seiner Familie verlassen musste und in die USA emigrierte, kannte dieses Gemälde durch eine grafische Reproduktion im Besitz seines Großvaters. Aufgrund der sich verschärfenden Gesetze gegen Juden und Jüdinnen war Harry Ettlinger die Möglichkeit genommen worden, das Gemälde Rembrandts in der Kunsthalle im Original zu sehen. 1945 gehörte er als 19-jähriger Dolmetscher beim amerikanischen Militär zu den sogenannten Monuments Men, die Rembrandts Selbstporträt an seinem Bergungsort im Salzbergwerk Heilbronn entdeckten. Hier sah er es zum ersten Mal im Original. George Clooney widmete den Monuments Men 2014 einen Spielfilm, in dem auch diese Szene dargestellt wird. 2014, mit 88 Jahren, wurde Ettlinger in Karlsruhe für seinen Einsatz persönlich geehrt.
Nach dem 8. Mai 1945 machte das Auspacken und Sichtbarmachen der zuvor in Sicherheit gebrachten und eingelagerten Kunstwerke deutlich, dass nicht alle Bestände den Krieg unbeschadet überstanden hatten. Die Gesamtverluste seit 1933 waren auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Lange nährten sie das einseitige Selbstbild der Museen, sich in der Opferrolle des Regimes und des Krieges zu befinden.
Doch zu der ganzen Erzählung der Geschichte der Museen in der NS-Zeit gehört auch, dass sie teilweise Profiteure von zwangsweisen Enteignungen und erniedrigendem Vermögenseinzug verfolgter, entrechteter und ermordeter Mitbürger*innen gewesen waren. Mit dem Kriegsende hörte dies endlich auf. Es sollte jedoch noch lange dauern, bis die Museen verstärkt begannen, ihre eigene Rolle während der NS-Zeit im Ganzen kritisch zu reflektieren und sich ihrer Verantwortung zu stellen. Auf der Grundlage internationaler Vereinbarungen versucht die Forschung zur Herkunft der Kunstwerke, die sogenannte Provenienzforschung, seit Ende der 1990er-Jahre, Fälle von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut aufzudecken, zu klären und faire und gerechte Lösungen mit den rechtmäßigen Erben und Erbinnen zu finden.