Die Verwaltung macht den Ausstellungsbetrieb möglich
Sylvia Jung hat im Mai 2025 die kaufmännische Geschäftsführung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe übernommen. Die Juristin teilt im Gespräch ihre Eindrücke der ersten Monate und ihre Ziele für die Arbeit in der Fächerstadt.
Die Redakteurin und Autorin Cordula Schulze spricht mit der neuen kaufmännischen Geschäftsführerin über kreative Freiheit, Sparzwänge, Digitalisierung, das Ankommen in Karlsruhe und das, was ein Museum zum Publikumsmagneten macht.
Herzlich willkommen in Karlsruhe! Sie sind ja im Südwesten verwurzelt. Wie vertraut ist Ihnen Karlsruhe, was verbinden Sie mit der Stadt und worauf freuen Sie sich hier?
Karlsruhe war mir bis Mai überhaupt nicht vertraut. Ich arbeite daran, es mir vertraut zu machen, in vielerlei Hinsicht. Eine Stadt lebt ja vor allem durch die Menschen – und die erlebe ich in Karlsruhe als sehr offen und freundlich. Ich habe auf Veranstaltungen schon einige berufliche Kontakte geknüpft außerhalb des Museums, oder ich habe mich mit Menschen getroffen. Das hilft, eine Stadt noch besser kennenzulernen, zu hören, wie sie „tickt“ und dann letztendlich auch zu lernen, was die Stadt und die Menschen in ihr von der Kunsthalle erwarten.
Den Sommer hier habe ich sehr genossen und war viel mit dem Fahrrad unterwegs, um die Stadt besser kennenzulernen. Das Schloss mit Schlosspark und botanischem Garten sind fantastisch, aber auch der alte Flugplatz oder der Weg an der Alb entlang. Karlsruhe hat eine schöne Größe, die Wege sind kurz und alles ist wunderbar mit dem Fahrrad zu erreichen, was für mich ganz wichtig ist.
Das kulturelle Angebot ist so groß und vielfältig, dass es mir im Moment noch schwerfällt zu entscheiden, wohin ich gehen möchte. Es gibt einfach noch zu viel zu entdecken und gleichzeitig zu wenig Zeit dafür.
Bitte beschreiben Sie kurz das Aufgabengebiet einer kaufmännischen Geschäftsführerin für diejenigen, die sich damit nicht so gut auskennen.
Es ist nicht einfach, das kurz zu beschreiben, weil die Aufgaben so vielfältig sind. Grob besagt trage ich die Verantwortung für Finanzen, Controlling, Fundraising, Sponsoring sowie Personalverwaltung. Ich vertrete die wissenschaftliche Direktion im nicht programmatischen Bereich.
Das klingt sehr trocken, doch Verwaltung hat keinen Selbstzweck.
Die Rolle der Verwaltung ist es, die Erfüllung der Kernaufgaben des Museums – Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen, Vermitteln – möglich zu machen.
Ich bin also viel im Austausch mit Kolleg*innen aus allen Bereichen.
Ganz wichtig ist es zu verstehen, dass bei uns immer alles Hand in Hand gehen muss, damit aus einer Idee ein kuratorisches Konzept, aus dem Konzept ein Projektplan, aus dem Projektplan eine Ausstellung wird, zu der dann unsere Besucherinnen und Besucher kommen.
Mir ist es vor allem wichtig, ansprechbar und unterstützend zu sein. Oft geht es auch darum, sich auszutauschen, etwas gemeinsam zu strukturieren, nochmal einen neuen Impuls zu geben oder eine Entscheidung zu treffen. Das gelingt nur, wenn man in Kontakt ist und zuhört.
Neben dem kaufmännischen Aufgabenbereich liegt alles, was mit Bauen und Räumen zu tun hat, in meiner Verantwortung. Dazu gehört das Hauptgebäude der Kunsthalle, die Orangerie, die Verwaltung und die Bibliothek in der Hermann-Veit-Straße sowie die Depots. Die Sanierung des historischen Gebäudes, die gerade läuft, ist eine umfassende Aufgabe, die regelmäßige Termine mit dem Architektenteam und der zuständigen Landesbehörde mit sich bringt. Dabei werde ich glücklicherweise unterstützt von einer Architektin.
Dabei arbeiten Sie eng mit dem wissenschaftlichen Direktor Prof. Dr. Frédéric Bußmann zusammen. Wie ergänzen sich Ihre Aufgaben?
Der wissenschaftliche Direktor verantwortet die inhaltliche Ausrichtung des Hauses. Wir arbeiten Hand in Hand und sehr transparent. Höchste Priorität haben für uns Konzeption und Umsetzung des Projektes „Kunsthalle 2030“ – also die Wiedereröffnung des historischen Hauptgebäudes im Jahr 2030. Das beinhaltet programmatische und kuratorische Fragen, Fragen der inhaltlichen Ausrichtung, Fragen der Besuchendenorientierung, der Barrierefreiheit, der Nachhaltigkeit, technische und bauliche Fragen, Fragen der Einrichtung, Fragen der Sicherheit und vieles mehr.
Welche Herausforderungen muss eine große Kulturinstitution wie die Kunsthalle Karlsruhe in der heutigen Zeit – auch kaufmännisch – bewältigen?
Im Moment sind wir finanziell noch relativ gut ausgestattet, weil dem Land Baden-Württemberg die Kultur wichtig ist, und dafür sind wir sehr dankbar. Aber angesichts der angespannten finanziellen Situation öffentlicher Kassen werden wir damit rechnen müssen, dass uns merklich weniger Mittel zur Verfügung stehen. Wie viele andere auch, werden wir uns noch intensiver um andere finanzielle Mittel von Unternehmen, Privatleuten und Stiftungen bemühen mit Sponsoring und Fundraising. Es gibt viele potenzielle Geldgeber und viele, die um sie werben.
Nur wenn es uns gelingt, deutlich zu machen, dass wir als Kunsthalle eine Relevanz haben, eine Bedeutung für die Gesellschaft, für die Wissenschaft, für die Bewahrung des kulturellen Erbes, wird es eine Bereitschaft geben, uns auch finanziell zu unterstützen.
Ein wichtiges Thema ist für uns die Digitalisierung. Sie beschäftigt uns intensiv – es gibt schon Angebote und diese werden wir orientiert an den Bedürfnissen der Besuchenden und der Wissenschaft erweitern. Natürlich kann hier KI – Künstliche Intelligenz – nicht ungenannt bleiben. In den Themenkomplex sind wir gerade erst eingestiegen – auch dieser wird uns langfristig beschäftigen. Für mich ist wichtig, dass „analog“ und „digital“ nebeneinander stehen dürfen – wertungsfrei und mit Blick auf die jeweiligen Potenziale und Bedürfnisse der Nutzer*innen.
Wir haben eine Stabsstelle Nachhaltigkeit, die schon vieles in Bewegung gesetzt hat. Wir wollen barriereärmer sein in allen Facetten und Diversität mit Leben füllen. Ich bin gerade in den Beirat des Zentrums für Kulturelle Teilhabe berufen worden, was mich sehr freut.
Diese positiven Ansätze führen mich zu einer weiteren grundlegenden Herausforderung nicht nur für die Kunsthalle, sondern für Kultureinrichtungen allgemein. Wenn wir sehen, was in den USA gerade an Einflussnahme und Beschränkung bis hin zur Leugnung und Verdrehung von historischen Tatsachen passiert, dann muss uns dies sehr aufmerksam sein lassen.
Museen wird eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen. Dies zu bewahren, halte ich für elementar wichtig zum Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, der wir uns verpflichtet fühlen.
Welche Transformationsprozesse gilt es zu begleiten oder vielleicht sogar zu ermöglichen?
Ich fremdle etwas mit dem Begriff. Die Gefahr liegt darin, ihn so zu verstehen, dass sich eine Institution heute in einem Zustand befindet und sich in einen anderen Zustand bringen möchte. Für mich ist das, was wir tun, ein fortwährender Prozess, der schon lange begonnen hat, Zwischenziele hat, aber nach Erreichen eines Zwischenziels wird es schon wieder neue Ziele geben. Deshalb gefällt mir das Bild vom „Gemeinsamen auf dem Weg sein“ besser.
Unser großes Ziel ist die „Kunsthalle 2030“ – doch uns ist jetzt schon klar, dass sie nur ein Zwischenziel sein wird. Denn nach der Eröffnung geht es ja weiter und wir werden uns neuen Fragen und Herausforderungen stellen.
Welche Anforderungen stellt der Interimszustand des Hauses zu Gast im ZKM während der Sanierungsarbeiten an Ihre Arbeit?
Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir im ZKM Teile unserer Sammlung und auch immer wieder besondere kleinere Ausstellungsformate zeigen können. So bleiben wir in der Öffentlichkeit und können auf kleinerer Fläche mit – für uns – ungewohnten Formaten interessante Ausstellungen machen. Allerdings werden wir im ZKM nur eingeschränkt als Kunsthalle wahrgenommen. Nicht alles, was wir gerne machen möchten, ist möglich, schon allein aus Platzgründen oder weil die Logistik aufwändiger ist.
Im September haben wir einen Teil der Orangerie wieder bespielen können mit dem Programm „Room to Grow“ und dem Tanzensemble Ben Rentz. Ende November dieses Jahres eröffnen wir die Ausstellung „Archistories“. Das ist für uns ein sehr wichtiger Schritt, da wir mit der Orangerie und mit der Jungen Kunsthalle, in der zurzeit mit überwältigender Resonanz „Pettersson und Findus“ gezeigt wird, wieder zwei eigene Häuser haben, mit denen wir in der Stadt präsent sind.
Welche inhaltlichen Akzente wollen Sie in Ihrer Position insgesamt setzen, welche Ziele verfolgen Sie?
Ein wichtiges Ziel meiner Arbeit oder auch ein Akzent, wenn man so will, ist es, dass alle Mitarbeitenden in der Kunsthalle gute Arbeitsbedingungen haben. Das beginnt mit den äußeren Rahmenbedingungen und umfasst genauso eine gute, wertschätzende Arbeitsatmosphäre.
Ein weiteres Ziel ist es, dass wir auf dem Weg zur Kunsthalle 2030 ein Leitbild entwickeln, hinter dem alle stehen und das unsere Haltung nach innen und außen deutlich macht.
Fundraising und Sponsoring möchte ich so aufbauen, dass unsere Arbeit auch in Zukunft gesichert ist und uns Handlungsspielräume für kreative neue Ideen eröffnet bleiben. Hier wird es spannend sein, neue Kooperationen einzugehen und Ideen mit anderen gemeinsam zu entwickeln.
Eine Reihe weiterer Herausforderungen und Ziele wie Digitalisierung oder Relevanz haben wir bereits besprochen, aber ich nenne noch ein kleines, ganz persönliches Ziel:
Ich wünsche mir, dass wir ein wunderbares Museumscafé eröffnen, denn ich liebe Museumscafés.
Nach dem Freiburger Barockorchester GbR ist dieses Ihre zweite Position in der Kultur nach Positionen als Juristin in verschiedenen Unternehmen und in einer Kanzlei. Was reizt Sie an der Arbeit in kulturellen Einrichtungen?
Ich sollte etwas „Ordentliches“ studieren, deshalb bin ich eher zufällig Juristin geworden. Mein Interesse liegt schon lange bei der Kultur. Mich hat immer beeindruckt, wie Kunst und Musik oder auch Theater neue Welten eröffnen. Kunst oder auch Musik und Theater trauen sich Dinge, die die Konventionen (zunächst) nicht zulassen. Das rüttelt auf, stellt infrage, setzt Neues in Gang.
Und noch ein anderer Aspekt ist wichtig für mich. Alte Kunst und alte Musik haben etwas sehr Verlässliches, Bewahrendes, Stabiles, wenn man so will. Es ist ein beruhigender Gedanke, dass dieselbe Kunst oder Musik Menschen über Jahrhunderte gleichermaßen berühren kann.
Kurzum: Meine Arbeit, Kultur möglich und zugänglich zu machen, halte ich für sinnvolles Tun, das mir Freude macht.
Sie sind persönlich engagiert, unter anderem in der evangelischen Kirche. Welche Rolle spielt Ihr Engagement in Ihrer Arbeit – und vielleicht gilt das auch umgekehrt?
Ich war schon immer auch ehrenamtlich tätig, in Elterninitiativen, als Gemeinderätin in einem meiner früheren Wohnorte, jetzt seit vielen Jahren in der evangelischen Kirche. Durch das ehrenamtliche Engagement habe ich viel gelernt, was mir heute bei der Arbeit hilft, zum Beispiel Gremienarbeit, Leitung von Sitzungen, Umgang mit schwierigen Situationen, Einblick in politische Entscheidungsprozesse. Und was ich bei meiner beruflichen Tätigkeit an Erfahrungen sammle, hilft auch beim Ehrenamt.
Auch meine Haltung, meine Werte, meine innere Ausrichtung spielen eine Rolle bei meiner Arbeit und bei meinem ehrenamtlichen Engagement. Ich mag Menschen und bin gerne mit Menschen zusammen. Ich habe eine positive Grundhaltung und bringe viel Vertrauen und Zutrauen in meine Mitmenschen mit – und ich habe bei aller Umtriebigkeit eine innere Gelassenheit. Zu wissen, dass man nicht alles in der Hand hat, so sehr man sich auch müht, kann frustrieren, es kann aber auch erleichternd sein. Auch hier: Es ist eine Frage der Perspektive.
Die Einarbeitungsphase war bisher sicher sehr fordernd. Bitte verraten Sie uns zum Abschluss: Hatten Sie schon Muße für die sagenhafte Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe? Gibt es schon Ihr Lieblingswerk?
Ich kann mich besonders begeistern für etwas, eine Sache, eine Idee und auch ein Kunstwerk. Das führt dazu, dass ich mich ganz oft neu in ein Werk verlieben kann – sei es eine Zeichnung von Dürer, die vor mir liegt, über 500 Jahre alt, ein Papier, das Dürer selbst in Händen hielt, sei es eine Arbeit von Pierre Soulages wie „Peinture 252 x102 cm, février 1990“, die wir gerade erwerben konnten für die Sammlung oder Grünewalds „Heilige Elisabeth von Thürigen“ mit ihrem herrlichen Faltenwurf.
Kunst kann durchaus etwas sehr Distanziertes haben, den Eindruck vermitteln, man bräuchte viel Wissen, um zu verstehen – und es macht auch Freude zu verstehen und einzuordnen. Das ist aber nur eine Seite, denn man darf Kunst auch ohne alles Wissen einfach genießen oder doof finden oder sich von ihr berühren lassen.
Ich empfehle auch unseren Instagram-Kanal, da kann über Kunst gelacht, gerätselt, gestaut werden – und etwas Wissen gibt’s auch noch dazu.