Sarah Ball, 27. Januar 2023

Kunst und Humor: Warum die Kunst mehr Nahbarkeit verdient hat

Niederschwellige Kunstvermittlung – ein häufiges Vorhaben im Museumskontext. Doch was steckt dahinter und wie gelingt die Umsetzung? Jakob Schwerdtfeger ist Kunsthistoriker, Kunst-Comedian und Teil des Kunsthallen-Podcasts Kunstsnack. Im Gespräch hat er verraten, warum Kunst und Humor in der Praxis ein unschlagbares Team sind und wie dadurch Kunst leicht zugänglich vermittelt werden kann.

Exzess, Glücksspiel und ein Tanzbär. So lautet der Titel der Kunstsnack-Episode über das Gemälde Die Melancholie im Garten des Lebens von Mathis Gerung. Dieser Titel beschreibt in erster Linie das, was auf diesem 500 Jahre alten Werk unter anderem zu sehen ist und er ist unkonventionell, er überrascht. Im ersten Moment mag er anmaßend wirken, doch beim zweiten Hinsehen ist es eine ziemlich treffende Beschreibung des Werks. Das ist das Ziel, das wir als Kunsthalle gemeinsam mit Jakob Schwerdtfeger und dem Podcast Kunstsnack erreichen möchten.

Jakob Schwerdtfeger kommt aus einer künstlerischen Familie, hat Kunstgeschichte studiert, im Museum gearbeitet und dann doch einen anderen Weg eingeschlagen: Den Weg auf die Bühne, wo er Kunst und Humor erfolgreich zu seinem Alleinstellungsmerkmal machte und seine beiden persönlichen Leidenschaften verbindet. Schwerdtfeger ist überzeugt: Humor ist der Türöffner in die Welt der Kunst. Wir alle lachen gerne, wir alle interessieren uns für außergewöhnliche Geschichten und wir alle schätzen es, neue Perspektiven aufgezeigt zu bekommen. Alles Aspekte, die Kunst leisten kann.

Leider haben sich Museen ein bisschen von der Gesellschaft entfremdet, durch zu viele schlaue Worte und durch zu viel Brimborium.

Sammeln, bewahren, forschen, ausstellen und vermitteln. Das sind die zentralen Aufgaben eines Museums. Aufgrund der aktuellen Schließzeit stehen wir vor allem hinsichtlich der letzten beiden Verantwortungsbereiche vor einer Herausforderung. Auf Hochtouren werden zwar gerade alternative Ausstellungsorte vorbereitet, doch es geht auch darum, neue Zielgruppen über neue Kanäle zu erreichen. Um den musealen Aufgaben gerecht zu werden, ist es ein bedeutendes Ziel, auch diejenigen für Kunst zu begeistern, die bisher keine Berührungspunkte damit hatten. Dafür arbeiten wir kontinuierlich an verschiedenen Projekten, wie beispielsweise Art of. Der Kunstsnack ist ein weiteres ergänzendes Format der digitalen Angebote der Kunsthalle Karlsruhe.

Jakob Schwerdtfeger verfolgt mit seiner Kunst-Comedy zwei ganz ähnliche Ziele: Kunst einfach verständlich zu vermitteln und sie durch einen Alltagsbezug für Betrachter*innen relevant zu machen.

Zu erfahren, dass das Selbstbildnis von Rembrandt in einem Hollywood-Film mit George Clooney mitspielte, kann unter Umständen zu einem stärkeren Interesse führen, als zu erfahren, dass Rembrandt einen pastosen Duktus (sprich: einen dickflüssigen Farbauftrag) wählte. Durch einen Alltagsbezug schafft es Jakob Schwerdtfeger, einen gemeinsamen Nenner zwischen Kunst und Menschen zu schaffen. Als studierter Kunsthistoriker weiß er, dass er damit inhaltlich nur an der Spitze des Eisbergs kratzt. Doch durch diesen gemeinsamen Nenner entsteht ein wichtiger Erstkontakt mit Kunst, der Lust auf mehr macht, der ein Interesse für dieses Kulturgut aufflammen lässt und der im Nachgang Raum für inhaltliche Vertiefung lässt.

Die wahre Challenge ist es, simpel zu formulieren und trotzdem schlaue Inhalte rüber zu bringen.

Die Kunsthalle verwahrt Schätze aus über 800 Jahren Kunstgeschichte, in denen sich erstaunlich viele Alltagsbezüge finden lassen. Im Gemälde Die Versuchung des Heiligen Antonius von Joos van Craesbeeck wird beispielsweise vor Lastern gewarnt und unter anderem das Rauchen verteufelt. Die dahinterliegende Aussage des Werkes lautet: Wer raucht, erleidet später Höllenqualen – ganz ähnlich verhält es sich mit den Schockdarstellungen heutiger Zigarettenpackungen. Dieses Beispiel zeigt exemplarisch, wie nahbar die Werke sind und wie ein Werk aus dem Jahr 1650 zu heutigen Debatten beitragen könnte.

Zum Alltagsbezug gehört auch, die Inhalte simpel zu formulieren. Egal, um welchen Museumskontext handelt: Nur durch alltagsnahe Sprache kann eine gewisse Nahbarkeit und eine emotionale Verbindung erreicht werden. Jakob Schwerdtfeger ist der festen Überzeugung: Komplizierter Fachjargon hat eine eher abschreckende Wirkung, als dass ein vertieftes Interesse am Thema entstehen könnte.

Diese Schätze der Kunsthallen-Sammlung aus 800 Jahren Kunstgeschichte verdienen es, mit Ehrfurcht und Respekt behandelt zu werden, aber vor allem verdienen sie es, überhaupt angesehen und verstanden zu werden. Was wäre Kunst wert, wenn sich niemand dafür interessieren würde? Und was würden wir verpassen, wenn wir die Schönheit der Kunst nicht sehen würden?

Kunst ist ja sinnlos. Wir könnten ohne sie leben, aber dann wäre das Leben nicht so schön und bunt und interessant.

Wenn Kunst mit Humor begegnet wird, bedeutet das nicht, dass Kunstwerke belächelt werden. Vielmehr soll das Zusammenspiel von Kunst und Humor dazu anregen, über sich selbst und eigene Eigenarten und Obsessionen zu lachen. So hat es Dr. Michael Kröger bereits in der theoretischen Hinführung an das Thema treffend beschrieben. Die Kunst fungiert als Ideenfabrik, als Perspektivwechsel und als Inspiration, gewohnte Denkmuster zu durchbrechen.

Es ist ein gemeinsames Ziel von Kunsthistoriker*innen wie Jakob Schwerdtfeger und den Museen, die eigene Leidenschaft für Kunstwerke und das eigene Wissen zu vermitteln, um ein kunstaffines wie nicht-kunstaffines Publikum gleichermaßen zu begeistern. Der Kunstsnack ist ein Schritt in diese Richtung. Der Podcast verbindet Kunst mit Humor mit Wissen und funktioniert genau dadurch als Türöffner. Ein Türöffner, der aufzeigt, wie toll, spannend, lustig und berührend Kunst sein kann. Und dass es sich lohnt, Kunstwerke als ein Fenster in die Vergangenheit und Gegenwart zu nutzen.

Der Kunstsnack serviert kurze Facts leicht bekömmlich – alle zwei Wochen auf den gängigen Podcast-Plattformen. Feedback und Themenvorschläge können per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de abgegeben werden.