Neustart im Aufbruch
Sie tritt ihren neuen Job mitten im Lockdown an und wechselt von einem zeitgenössischen Museum an ein Haus mit vielen alten Meistern – das bald wieder schließen muss. Warum die neue Kommunikationschefin Daniela Sistermanns trotzdem guter Dinge ist, verriet sie im Interview mit der Gründerin des Stadtmagazins Karlsruhepuls, Nina Setzler.
Wie starten Sie in diese neue Position in Karlsruhe?
In der Pandemie eine neue Stelle anzutreten ist besonders: Die neuen Kolleg*innen lerne ich überwiegend digital kennen, zudem war das Museum zu, als ich hier ankam. Zunächst beschäftigte mich deshalb die Frage, wie wir die exzellente Schau zum französischen Rokoko-Künstler François Boucher sichtbar machen können, die seit Mitte November in den Startlöchern stand. Durch die Lockerungen in der Corona-Verordnung konnten wir sie dann am 9. März erstmals öffnen – ohne Pressekonferenz und Eröffnungsfeier, aber mit vielen glücklichen Besucher*innen. Unsere Telefone und der Online-Shop glühen seither und die Tickets sind zwei Wochen im Voraus vergriffen. Offenbar haben sich alle auf Boucher gefreut, das ist ein tolles Gefühl!
Derweil stellen wir die Weichen für ein neues, spannendes Projekt: 2014 konnten in der Kunsthalle Karlsruhe zwei Alben mit knapp 300 Zeichnungen dem römischen Radierer, Architekten und Gelehrten Giovanni Battista Piranesi (1720-1778) und seiner Werkstatt zugeordnet werden. Unter dem Titel Piranesi digital wollen wir diese Alben nun ins Digitale übersetzen und als Wissenschaftsdatenbank samt Vermittlungsplattform erstmals einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Erst der Lockdown, dann soll die Kunsthalle später in 2021 wegen Umbauarbeiten schließen. Wie arbeiten Sie, wenn es keine Ausstellungen gibt?
Glücklicherweise darf die Kunsthalle während ihrer Schließzeit im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien zu Gast sein und präsentiert dort einen Teil ihrer Sammlung. Das wird einen großen Stellenwert innerhalb der Kommunikation einnehmen. In einem Museum, das seinen Hauptstandort wegen Sanierungsarbeiten schließen muss, ist die Abteilung Kommunikation eines der wichtigsten Verbindungsstücke zu den Besucher*innen. Das weiß ich aus Erfahrung, denn ich habe bereits eine Schließzeit des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig kommunikativ begleitet.
Für die Kunsthalle Karlsruhe gilt: Es wird eine große und aufregende Herausforderung für das Team, ein geschlossenes Museum über Jahre hinweg präsent zu halten. Wir informieren unser Publikum über diesen Umbruchprozess und nehmen es mit hinter die Kulissen dieser besonderen Phase. Dabei wird die digitale Form sicher eine große Rolle spielen, aber es müssen auch andere innovative Wege gefunden werden, einen Museumsbesuch zu ermöglichen, obwohl der Ort vorerst nicht betretbar ist.
Sie waren zuvor im Marta Herford tätig. Inwiefern hat Sie der Sprung von einem zeitgenössischen Museum in ein Haus mit vielen alten Meistern gereizt? Oder macht das für die Kommunikationsarbeit gar keinen Unterschied?
Im Grunde gehört mein Herz den alten Meistern. Bereits während meines Studiums der Kunstgeschichte habe ich mich intensiv mit der italienischen Renaissance, dem Manierismus und mit altniederländischer Malerei beschäftigt. Nach einem Forschungsaufenthalt in Rom begleiteten mich diese Themen auch als Mitarbeiterin des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig, bevor ich die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit im Marta Herford – Museum für zeitgenössische Kunst, Architektur und Design – übernahm.
Mein Start hier in Karlsruhe fühlt sich an, als würde ich zu meinen Wurzeln zurückkehren. Was die Kunsthalle für mich besonders macht, ist die Vielfalt ihrer Sammlung und dass sie innerhalb des Ausstellungsprogramms immer wieder Brücken zwischen alten Meistern und zeitgenössischen Interventionen schlägt. Die Ausstellung Inventing Nature. Pflanzen in der Kunst greift diesen Ansatz ab dem 17. Juli ebenfalls auf.
Hinsichtlich der Frage nach dem Unterschied: Eine Kommunikationsstrategie kann nie von einem Museum auf ein anderes übertragen werden, denn sie hängt von zu vielen Faktoren ab: Welches Zielpublikum fühlt sich von den Themen und Werken angesprochen? Hat das Haus eine Dauerausstellung? Befindet sich das Museum in einer touristischen Region, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen ist?
Was die unterschiedlichen Epochen betrifft würde ich sagen, dass alle Werke gleichermaßen mit Herausforderungen zu kämpfen haben: Menschen, die keinen Zugang zur zeitgenössischen Kunst finden, weil sie ihnen kryptisch erscheint, schätzen vielleicht die malerische Präzision barocker Künstler*innen. Diese Werke setzen wiederum einen gewissen Kenntnisstand voraus. Sie wirken oft harmlos, stecken aber voller Symbole, die heute nicht mehr allseits bekannt sind.
Wenn etwa ein Künstler wie der Elsässer Sebastian Stoskopff ein Stillleben mit Gläsern und Pokalen komponiert, dann ging es ihm dabei nicht ausschließlich um eine Studie von Materialität, Transparenz und Lichtbrechung. Stillleben sind oft als Vanitas-Motive zu deuten, verweisen auf Krieg, Gefahr und Tod.
Die Kunsthalle bietet eine Online-Ausstellung an, produziert YouTube-Clips, Instagram- und Facebook-Beiträge. Sind Sie auch auf Clubhouse unterwegs?
In der Tat hat die digitale Kommunikation bereits seit mehreren Jahren einen großen Stellenwert an der Kunsthalle Karlsruhe. Davon profitiert das Haus nicht nur während der Pandemie, sondern bestimmt auch in der bevorstehenden Schließzeit. Viele unserer digitalen Maßnahmen sind so angelegt, dass Besucher*innen sich intensiv mit den Werken einer Ausstellung auseinandersetzen können, ihnen aber auch auf ungewöhnliche Weise begegnen.
Unser Vermittlungsauftrag endet nicht nach Verlassen der Ausstellungsräume, sondern findet auch im Digitalen statt, um Barrieren abzubauen. Ins Clubhouse hat die Kunsthalle noch keinen Fuß gesetzt, denn wir prüfen jede neue Maßnahme unserer digitalen Strategie auf Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit. Ob dieser audio-basierte Dienst ein geeignetes Format sein kann, finden wir bald heraus!
Welche Zielgruppe sprechen Sie mit der Öffentlichkeitsarbeit an? Macht sich durch die vielen Online-Aktivitäten ein Zugewinn an jungem Publikum bemerkbar?
Die Kommunikationsmaßnahmen eines Museums sollten breit aufgestellt und crossmedial gedacht werden, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen: Leute, die sich gern über Printmedien informieren ebenso wie die Digital Natives.
Mit kurzweiligen Kommunikationsmaßnahmen holen wir unsere Besucher*innen immer wieder ab. So erfahren sie bei Boucher in a nutshell, wie die Beauty-Routine im Rokoko aussah oder was Madame de Pompadour zur Mode-Ikone machte. Das interaktive Format Art of will mit Psychotests, Collagen und Funfacts ganz bewusst ein nicht-museumsaffines Publikum ansprechen und zeigt, dass es verschiedene Wege gibt, sich mit Kunst auseinanderzusetzen.
Klar, wenn man die Auswertungen einzelner Digitalmaßnahmen anschaut, tummelt sich hier eine jüngere Zielgruppe. Allerdings muss man innerhalb der Kanäle differenzieren, denn auf Facebook ist das Durchschnittsalter der Nutzer*innen in den letzten Jahren gestiegen, auf Instagram erreichen wir die vergleichsweise jüngste Zielgruppe.
Formate wie unser Blog, der Newsletter oder die Filme sprechen nicht nur ein primär junges Publikum an. Alle Maßnahmen sollten in eine sinnvolle Kommunikationsstrategie einbettetet sein, die so viele Besucher*innen wie möglich inkludiert.
Sie haben in Münster studiert, in Rom, Braunschweig und Herford gearbeitet. Wie ist ihr Verhältnis zu Karlsruhe?
Ich habe die Fächerstadt erst durch meinen Umzug hierher kennengelernt und bin begeistert. So viel Kunst und Kultur in einer Stadt mit 300.000 Einwohner*innen ist wirklich großartig und spricht für Karlsruhes Selbstverständnis. Ich freue mich darauf, meine neue Heimat Stück für Stück weiter kennenzulernen. Sobald die Corona-Beschränkungen es zulassen, möchte ich unbedingt das weitere Kulturangebot testen!