Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Das Foto zeigt einen Fotografen der Kunsthalle, der gerade ein Kunstwerk fotografiert.

Unsere beiden Fotograf*innen fertigen hochaufgelöste, digitale Fotografien von den Vorder- und Rückseiten der Gemälde und Papierarbeiten an, von dreidimensionalen Werken (also Skulpturen und Plastiken) werden mehrere Ansichten aufgenommen. Die Kolleg*innen stellen sicher, dass die Aufnahmen eine ausreichend gute Qualität sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für Onlinepublikationen aufweisen und farbgetreu sind. Ist dies erledigt, werden die Objekte wieder zurück an ihre Aufbewahrungsorte gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: einmal fotografierte Werke werden langfristig geschont, da sie für eine Begutachtung nicht mehr jedes Mal bewegt werden müssen. Auch schwer zugängliche Kunst, die besonders unhandlich ist oder sich andernorts befindet, ist dadurch gewissermaßen einfacher erreichbar.

 

Das Wissen über die Objekte

Die digitalen Aufnahmen werden anschließend in der internen Sammlungsdatenbank Imdas Pro abgelegt bzw. mit dieser verknüpft. Eine Museumsdatenbank stellt nicht nur für die Onlinesammlung das grundlegende Werkzeug dar: Das zuvor analog auf Inventarbücher, Karteikarten, Standortkarteien, Bildakten und Literatur verteilte Wissen über die Kunstwerke wird hier zentral, strukturiert und idealerweise so vollständig wie möglich abgelegt. Dokumentar*innen, Kurator*innen, Provenienzforscher*innen, Restaurator*innen, Registrars, Depotverwalter*innen – sie alle geben Informationen ein, pflegen, prüfen und korrigieren die Daten und greifen bei ihrer täglichen Arbeit darauf zurück. In der Kunsthalle Karlsruhe begann die Arbeit mit der Sammlungsdatenbank (passenderweise) mit Adam und Eva: Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 war im Jahr 2001 das erste Werk, das mit einem Datensatz in Imdas Pro erfasst wurde.

Links ist ein Kunstwerk von Albrecht Dürer zu sehen. Rechts und in der Mitte liegen handschriftliche Notizen dazu.
Auf dem Screenshot ist die imdas Datenbank zu sehen, wo einige Informationen zu einem Kunstwerk von Albrecht Dürer eingetragen sind.

Nach einem langjährigen Projekt sind wir im Bereich der digitalen Grundinventarisierung sehr gut aufgestellt: Nahezu sämtliche Kunstobjekte sind in der Sammlungsdatenbank mindestens mit einem Basisdatensatz und einem Arbeitsfoto erfasst, mit dem sich ein Werk rasch identifizieren lässt – die wesentlichen Grundlagen für eine weitere Bearbeitung und spätere Veröffentlichung.

 

Der Weg der Daten in die Welt

Hat das mit den Objekten verbundene Wissen (die sogenannten Metadaten) seinen Weg vom Papier in die Datenbank gefunden, so muss es von hier aus – gemeinsam mit dem digitalen Bild – hinaus in die Welt. Und das erfordert, anders als man es vielleicht erwartet, etwas mehr als nur einen Knopfdruck: nämlich die enge Zusammenarbeit von Kolleg*innen aus den Abteilungen Kommunikation und Sammlung/Wissenschaft mit verschiedenen externen Dienstleistern.

Diese unterstützen uns zum einen dabei, die gewünschten Informationen mittels einer technischen Schnittstelle aus der Sammlungsdatenbank auszugeben. Zum anderen sorgen sie dafür, dass die Inhalte wie gewünscht in unserer Sammlung Online, dargestellt werden. Eine klare und ansprechende Gestaltung sowie die reibungslose und nutzungsfreundliche Funktion der Website sind hierbei das A und O.

Auf dem Foto sieht man eine Abbildung von Albrecht Dürers "Adam und Eva" im Rahmen der Sammlung online der Kunsthalle Karlsruhe.

Eine unendliche Geschichte?

Über 10 000 Kunstwerke aus dem Bestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe sind aktuell in der Sammlung Online aufrufbar. Das Angebot wächst stetig weiter, sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Qualität der zur Verfügung gestellten Daten. Die sogenannte „Erschließungstiefe“, d. h. die Detailliertheit der mit einem Objekt verknüpften Informationen, reicht mittlerweile von den grundlegenden Basisdatensätzen mit einem niedrig aufgelösten Foto bis hin zu ausführlichen Werkdatensätzen mit Bildbeschreibungen, hochaufgelösten und (wo rechtlich möglich) frei downloadbaren Abbildungen, Rückseitenfotografien, Angaben zu Trivia, Ausstellungen und Literatur sowie wissenschaftlichen Kommentaren. Hinzu kommen weiterführende Inhalte vermittelnder Natur, wie die Einbindung von digitalen Touren, Blogbeiträgen, literarischen Auseinandersetzungen mit und detaillierten Betrachtungen von Kunstwerken aller Sammlungsbereiche.

Angesichts des Umfangs der Bestände ist klar: Die Arbeit an unserer Sammlung Online ist nicht nur work in progress – sie ist eine Aufgabe ohne Schlusspunkt. Denn es geht nicht allein um die fortlaufende inhaltliche Anreicherung, Prüfung und Publikation von Daten zu den vorhandenen Werken. Sowohl die Sammlung als auch unser Wissen zu den Kunstobjekten wächst und verändert sich und wird konstante Pflege und Zuwendung erfordern, um den Ansprüchen an Zuverlässigkeit und Aktualität zu genügen.

Hinzu kommt: Neben der (Weiter-)Entwicklung der technischen Infrastruktur im Hintergrund, die für die Websitebesucher*innen zumeist unsichtbar ist, werden wir abteilungsübergreifend auch an dem „Wie“ des Angebotes kontinuierlich weiterarbeiten. Denn die Nutzungsgewohnheiten und Erwartungshaltungen der vielfältigen, virtuellen Besucher*innengruppen sind ebenfalls einem fortwährenden Wandel unterworfen. Ein regelmäßiger Blick nach rechts und links, der regelmäßige Austausch mit Museumskolleg*innen im In- und Ausland sowie (potentiellen) Nutzer*innen ist dabei stets Inspiration und Ansporn.

Von ihren physischen Aufbewahrungsorten an Wänden, in Kästen und Regalen hat es die Kunst ins Internet geschafft – wohin ihre Reise von hier aus führt, liegt nun auch in der Hand der Betrachter*innen!