Doris Große
Kirchners Gefährtin in Dresden
Doris Große (1884–1959), von Kirchner Dodo genannt, war seine Gefährtin in Dresden. Als Modistin, damals Putzmacherin genannt, widmete sie sich der kunstvollen Gestaltung von Hüten und Mützen. In vielen Bildern Kirchners zwischen 1905 und 1911 ist sie zu erkennen, oft durch ihre charakteristischen Hüte, die sie unverwechselbar machen.
Mitwirkung als Modell und Unterstützerin im Dresdner Atelier
Die Blätter aus den Skizzenbüchern zeigen Szenen aus Kirchners Atelier. Es war zugleich Lebens- und Arbeitsraum und nach seinen eigenen Vorstellungen eingerichtet. In der Zeichnung Sitzende auf Pantherstuhl sitzt Große vor einem Spiegel auf einem Stuhl aus Kamerun. Auf einem anderen Blatt, Sich bückender Akt, ist sie mitten in einer Bewegung dargestellt, umgeben von den abstrahierten Formen des Atelierraums.
Vermutlich sind darin die von Kirchner selbst bemalten Vorhänge und Paravents angedeutet, die aus seiner Faszination für internationale Kunstformen hervorgegangen sind.
Es liegt nahe, dass Große mit ihrem handwerklichen Blick und ihrem Gespür für Materialien entscheidend an der Gestaltung des Ateliers in der Berliner Straße beteiligt war. Außerdem unterstützte sie Kirchner nicht nur emotional als Partnerin, sondern auch finanziell.
Romantisierung des weiblichen Körpers
Große begleitete Kirchner auch auf Ausflügen zu den Moritzburger Teichen. Als Kirchner 1911 nach Berlin zog, trennte er sich nur schweren Herzens von ihr. Jahre später erinnerte er sich an sie in einem Tagebucheintrag von 1919:
„Heute war die Sehnsucht nach dem Teppich so groß, daß E. (Erna) ihn mir holte, nun liege ich darin. Wie schön er ist. Welche ferne Kaukasierin wird ihr Leben hineingewirkt haben, wie Du, Dodo, mit Deinen fleißigen Händen. Still und fein und so weiß schön. Deine feine freie Liebeslust, mit Dir erlebte ich sie ganz, fast zur Gefahr meiner Bestimmung. Doch Du gabst mir die Kraft zur Sprache über Deine Schönheit im reinsten Bilde eines Weibes, gegen das die Cranachsche Venus eine alte V… ist. Ich weiß, daß Du manchmal an mich denkst, Glück und Qual haben wir beide gehabt.“
Die Vorstellung von Weiblichkeit in Kirchners Werk verdichtete sich in den Erinnerungen an Große. In seinen Tagebüchern finden sich immer wieder Eindrücke von ihr, die für ihn das Ideal weiblicher Schönheit symbolisierten.
Seine Darstellungen spiegeln Bewunderung wider, zugleich bleibt jedoch eine Distanz spürbar, die Doris Große zur idealisierten Figur stilisiert. An ihrem Körper suchte Kirchner nicht nur eine Anregung, sondern auch einen Bezugspunkt für seine eigene künstlerische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kunst. In ihr projizierte er seine künstlerischen Ambitionen und setzte seine Werke in Beziehung zu großen Vorbildern wie Lucas Cranach, einem Maler des 16. Jahrhunderts.