Lina Franziska Fehrmann

Ein Holzschnitt mit "KG Brücke" oben mit einer nackten Darstellung von einem Mädchen mit Katze.
Dieses Werk enthält sensible Inhalte, darunter potenziell sexualisierte Darstellungen von Kindern sowie Hinweise auf problematische Machtverhältnisse zwischen erwachsenen Künstlern und kindlichen Modellen. Wir glauben an die Selbsteinschätzung unserer Besucher*innen und überlassen Ihnen die Entscheidung, ob Sie das jeweilige Werk durch Klicken des entsprechenden Buttons sehen möchten oder nicht.

Das Kind im Blick der Künstler

Eine frühe Darstellung von „Fränzi“ taucht in einer Postkarte auf, die Erich Heckel an die Kunsthistorikerin Rosa Schapire schickte. Auf der Kunstpostkarte zeichnete er zwei nackte Figuren beim Bogenschießen und schrieb dazu: „Hier zwei Schwestern, die ich neulich entdeckte.“

Seitdem erscheint Fränzi in zahlreichen Szenen und zentralen Werken von den Künstlern der „Brücke“, sowohl im Atelier als auch an den Moritzburger Teichen. Als Figur auf dem Deckblatt des Katalogs zur Dresdner Ausstellung von 1910 wurde „Fränzi“ später häufig als „eines der bekanntesten Künstlermodelle der Kunstgeschichte“ bezeichnet. Heckel beschrieb sie als „spezielles Ereignis aus dem Jahr 1909.“

Der vollständige Name blieb lange unbekannt. Erst 1995 entdeckte der Kunsthistoriker Gerd Presler in einem Skizzenbuch, das auf den 12. Februar 1926 datiert war, den Nachnamen Fehrmann. Gemeinsam mit dem Sammler Klaus Albers gelang es ihm daraufhin, die häufig dargestellte Figur als Lina Franziska Fehrmann zu identifizieren. Durch Eintragungen in kirchlichen Tauf- und Sterberegistern konnten weitere Details ihrer Familiengeschichte erschlossen werden.

Sie lebte von 1900 bis 1950 in Dresden und wuchs in einer Großfamilie auf. Ihr Vater war Heizer und Maschinist, ihre Mutter arbeitete als Putzmacherin. Vermutlich kannte Doris Große die Mutter von Fehrmann durch ihre berufliche Tätigkeit.

Eine locker mit Kohle oder schwarzem Kreidestift gezeichnete Skizze zeigt eine liegende Frau, die auf der Seite ruht und ein kleines Tier, vermutlich eine Katze, im Arm hält. Ein Mann blickt von links unten zu ihr.
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Die Idee, ein vorpubertäres Mädchen als Aktmodell zu verwenden, lässt sich wohl auf Strömungen in der damaligen Kunstszene zurückführen. In zahlreichen Skizzenversuchen sollten Fränzis Kindlichkeit und Unbefangenheit in ihren freien Bewegungen eingefangen werden. Das Kindliche wurde dabei häufig mit Vorstellungen von „Ursprünglichkeit“ verknüpft.

Ein solcher Umgang mit einem Kind rief bereits damals Irritationen hervor. Pechstein erinnerte sich, wie ein Polizist die Gruppe beim Nacktbaden und Zeichnen überraschte:

„Ohne dass wir es ahnten, war er uns nachgeschlichen. Er fragte uns, was wir hier trieben (…) Schnell huschten die beiden Mädchen in ihre Bademäntel, und wir standen vor ihm, nach seiner Meinung ertappt bei gröblicher Versündigung gegen die Sittlichkeit. Es nutzte nichts, ihm klarmachen zu wollen, dass das Aktmalen unsere berufsmäßige Arbeit sei und dass nicht nur wir, sondern auch die Malklassen der Königlich Sächsischen Akademie nackte Menschen in Gottes freier Natur zum Studium benötigten. Er beschlagnahmte als corpus delicti mein soeben gemaltes Bild und kündigte eine gnadenlose Strafanzeige beim Staatsanwalt an.“

Die Intimität der Darstellungen verdeckt ein deutliches Machtgefälle. Aus heutiger Sicht erscheint sowohl die Idealisierung eines Mädchens als auch der Umgang mit Fehrmann problematisch.

Erwachsene männliche Künstler stellten ihre künstlerischen Ambitionen über das Schutzbedürfnis eines jungen Mädchens. Ob es zu körperlichen Übergriffen kam, ist historisch nicht belegt. Dennoch kann das Verhalten aus heutiger Perspektive als grenzüberschreitend betrachtet werden.

Ein rätselhaftes Kennenlernen

Wie Fehrmann mit den Künstlern der Brücke in Kontakt kam, war bis zu ihrer Identifizierung im Jahr 1998 unklar. Die Künstler waren überzeugt, dass Fehrmann und Marcella, ein weiteres Modell, die Töchter einer Artistenwitwe seien. Heckel schrieb in mehreren Postkarten, es handle sich um zwei Schwestern.

Locker mit Kohle gezeichnete Skizze zeigt eine stehende Figur links, die eine Hängematte hält, in der rechts eine liegende Person ruht. Die Szene wirkt reduziert und expressiv, mit schnellen, energischen Linien und angedeuteten Formen auf hellem Papier.
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Recherchen ergaben jedoch, dass die beiden Mädchen keine Geschwister waren. Auch die Altersangaben passten nicht zusammen: Fehrmann war etwa acht Jahre alt, als sie an die Moritzburger Teiche mitgenommen wurde. Max Pechstein erinnerte sich 1946 daran, wie er gemeinsam mit Kirchner und Heckel nach Begleiterinnen für die Ausflüge suchte:

„Ich erinnerte mich an meinen alten Freund, den Hauswart in der Akademie (…) Er wies uns an die Frau eines verstorbenen Artisten und ihre beiden Töchter. Ich legte ihr unser ernstes künstlerisches Wollen dar. Sie besuchte uns in unserem Laden in der Friedrichstadt, und da sie dort ein ihr vertrautes Milieu vorfand, war sie damit einverstanden, dass ihre Töchter sich mit uns nach Moritzburg aufmachten … Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Modell, so sprang einer von uns dreien in die Bresche. Hin und wieder erschien die Mutter, um als ängstliches Huhn sich zu überzeugen, dass ihren auf dem Teich des Lebens schwimmenden Entenküken nichts Böses widerfahren sei.“

Doch kann der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote nicht in allen Punkten historisch nachgeprüft werden.

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