Stillleben mit Obst, Maus und Eisvogel

Neben einem mit Äpfeln, Birnen und Pfirsichen gefüllten Korb steht chinesisches Porzellan mit blau-weißem Dekor. Sorgfältig nach Sorten getrennt werden hier Esskastanien, Kirschen und Erdbeeren präsentiert. Der Tisch dient jedoch nicht allein dem menschlichen Augenschmaus, sondern zieht sichtbar auch verschiedene Tiere an.

Eine Maus knabbert an einer Erbsenschote, während ein roter und ein brauner Käfer zielstrebig auf weitere Nahrung zusteuern. Auf der Erdbeerschale hat sich ein Eisvogel niedergelassen und ein Schmetterling ruht auf einer Birne. Die von den Früchten angezogenen Tiere verstärken die illusionistische Wirkung des Stilllebens und betonen die naturalistische Präzision der Darstellung.

Georg Flegel dokumentiert Tiere und Pflanzen auch in präzise aquarellierten Naturstudien. Dabei arbeitet er sowohl nach bildlichen Vorlagen als auch nach der Natur selbst. In Frankfurt am Main, seinem Wohn- und Arbeitsort, findet er ideale Voraussetzungen: botanische Forschung, naturkundliche Publikationen ortsansässiger Verlage, einen regen Blumenhandel sowie eine ausgeprägte Gartenkultur.

Der aus Olmütz in Mähren (heute: Olomouc, Tschechien) stammende Georg Flegel gilt als erster spezialisierter Stilllebenmaler in Deutschland und zählt zu den bedeutendsten europäischen Künstler*innen dieser Gattung im frühen 17. Jahrhundert. Seine Entwicklung zum Stilllebenmaler beginnt mit der Zusammenarbeit mit dem flämischen Maler Lucas van Valckenborch (1530–1597), dem Flegel um 1592/93 nach Frankfurt am Main folgt. Seit den späten 1580er-Jahren ist er – so die in der Forschung weitgehend akzeptierte These – als Spezialist für stilllebenhafte Details in Arbeiten der malenden Mitglieder der Familie Valckenborch zuständig.

Flegels Motive sind außergewöhnlich vielfältig: Sie umfassen etwa Mahlzeiten- und Dessertstillleben, Vorbereitungen zur Mahlzeit, Mahlzeitenstillleben mit Blumensträußen, Blumen- und Vogelstillleben, Nachtstücke mit Kerzenlicht, augentäuschende Schrank- und Nischenbilder sowie kleinformatige Insektenstillleben. In der Auswahl und Darstellung luxuriöser Objekte, rarer Delikatessen und seltener Blumenarten scheinen sich Warenangebot und Wohlstand der Handels- und Messestadt Frankfurt am Main widerzuspiegeln, die dem Künstler zur langfristigen Wirkungsstätte geworden war.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Flegel der differenzierten stofflichen Wiedergabe seiner Bildobjekte. Oberflächen und Texturen arbeitet er mit größtmöglicher Präzision heraus. Ihm geht es dabei sowohl um die naturgetreue Darstellung von Naturalien und Artefakten als auch um die Wiedergabe der Fülle und Vielfalt der von Gott geschaffenen Welt.