
Die Belagerung von Breda
Beschreibung
Jacques Callot wuchs in Nancy als Sohn eines Hofbeamten des lothringischen Herzogs auf. Dort begann er eine Lehre bei einem Kupferschmied. Nach einem guten Jahr in Rom blieb er für zehn Jahre bis 1621 in Florenz, bevor er nach Nancy zurückkehrte. Bei seinem Florentiner Lehrmeister Giulio Parigi lernte Callot unter anderem die Darstellung kleinster Figürchen. „Die Belagerung von Breda“ führt das anschaulich vor Augen.
Es handelt sich um eine radierte Darstellung, die auf sechs zusammengesetzten Blättern zu sehen ist. Sie ist eine in der Bildaufteilung abgestufte Kombination aus historischer Schilderung, Landschaftsdarstellung, Landkarte und durch Wappen gekennzeichnetem offiziellem Dokument. Die Erläuterungsblätter zu den hier eingedruckten Nummern fehlen bei dem Karlsruher Exemplar.
Der Anlass zur Anfertigung der Radierung war die Belagerung der Stadt Breda. Der nördliche Teil der Vereinigten Niederlande – mit Breda – hatte schon Ende des 16. Jahrhunderts seine Unabhängigkeit von dem südlichen spanischen Teil der Niederlande erklärt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen diesen Parteien wurden nach einer Zeit des Waffenstillstands mit der Belagerung von Breda durch die Spanier von August 1624 bis Juni 1625 fortgesetzt. Man glaubte, dass sich die Stadt angesichts ihrer Stärke nur so zur Kapitulation zwingen lassen würde. Im Dienste der spanischen Regentin Erzherzogin Isabella stand der Oberbefehlshaber Marquis Ambrogio Spinola, die Gegenseite kommandierte Justin von Nassau für seinen Vater Wilhelm von Oranien.
Nachdem er von Isabella beauftragt war, verfolgte Callot den Anspruch, die Belagerung der Stadt Breda in ihren gesamten Dimensionen und Details möglichst wirklichkeitsnah zu veranschaulichen. Dafür nutzte er mehrere Tricks. Er orientierte sich für den Gesamtplan an den militärischen Zeichnungen des Ingenieurs von Isabella, den er noch aus seiner Florentiner Zeit kannte. Das Befestigungswerk und die Aufstellungen der Armee suchte er genau wiederzugeben. Er hielt sich jedoch nicht streng an die Grundrissprojektion, sondern wechselte je nach Notwendigkeit im Bild die Perspektive. Dies ermöglichte ihm, überall kleine Begebenheiten und Details einzubauen. Sie sollten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen. Damit unterschied sich die Schilderung zum Beispiel von Schlachtenbildern, auf denen die Dramatik des Kampfgeschehens dies zu leisten hatte. Und Callot wandte noch einen weiteren Trick an. Er ließ den spanischen Oberbefehlshaber in unterschiedlichen Zusammenhängen simultan auftreten, um seine Bedeutung in vielen kleinen Erzählungen hervorzuheben und keine Begebenheit, ob wahr oder erfunden, auszulassen.
Es fragt sich, welche Hauptaussage die Darstellung vermittelt. Zweifellos sollen die Dimensionen des eroberten Territoriums beeindrucken. Anders als erwartet geht es im Kern jedoch weniger um die Glorifizierung der neuen Herrscher als um die Vielschichtigkeit der gesamten Unternehmung. Der Blick des Betrachters fällt in der Mitte des Vordergrundes auf eine Gruppe Soldaten unter einem Baum, die in ein Würfelspiel vertieft sind. Sie sind umgeben von Menschen aus verschiedenen Ständen und mit unterschiedlichen Tätigkeiten. Wie die Soldaten mit den Würfeln spielen, so Callot mit dem unerschöpflichen Vorrat an Szenerien.
Für ihn bestand die Herausforderung darin, als Künstler und Chronist die Komplexität eines höchst umfangreichen und detailreichen Belagerungsgeschehens in eine einzige Darstellung zu bannen und die Aneignung des immensen Gebiets nun auch künstlerisch zu vollziehen. Mit seinem Selbstbildnis und Namen bekräftigte Callot selbstbewusst seine künstlerisch-erzählerischen Fähigkeiten.
Daten und Fakten
Titel | Die Belagerung von Breda |
---|---|
Künstler*in | Jacques Callot (1592) |
Entstehungszeit | um 1627 |
Inventarnummer | 1995-1 |
Maße Blatt | H 125,5 cm B 147,0 cm |
Maße Rahmen | H 136,0 cm B 156,0 cm T 2,3 cm |
Material | Papier |
Technik | Radierung |
Gattung | Radierung |
Abteilung | Kupferstichkabinett |
Die Belagerung dauerte angeblich neun Monate, neun Tage und neun Stunden. Es wird geschätzt, dass auf der Darstellung bis zu 20.000 Soldaten zu sehen sind.
-
Mapping Spaces. Netzwerk des Wissens in der Landschaftsmalerei
Karlsruhe, ZKM / Museum für Neue Kunst 12.04.- 13.07.2014
-
Krieg und Frieden. Raderungen von Jacques Callot aus dem Kupferstichkabinett
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Vorlegesaal 18.06. - 04.10.2015
-
1860: Recherches sur la vie et les ouvrages de Jacques Callot
Meaume, Edouard
2 Bde. -
1924 (Reprint 1969): Jacques Callot
Lieure, J.
Catalogue de l'oeuvre gravé -
1995: Jacques Callot
Rommé, Barbara
Radierungen aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe -
2009: Der Kupferstecher als Historiograph?
Boßmeyer, Christine
Visualisierungsstrategien in Jacques Callots Bild "Die Belagerung von Breda" -
2014: Painted Topographies
Gehring, Ulrike
A Transdisciplinary Approach to Science and Technology in Seventeenth-century Landscape Painting