Wenzel Hollar - Muff mit Brokatband

Muff mit Brokatband

Wenzel Hollar

Maße:
H 7,9 cm  B 11,2 cm  
Jahr:
1647
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

Wie in einer Schaufenstervitrine ausgestellt liegt er da: Der Pelzmuff erstreckt sich diagonal und füllt das Format des Blattes fast vollständig aus. Unsere Augen gleiten begehrlich über die Stofflichkeit von Brokat und Pelz, der durch einfallendes Licht von rechts modelliert wird. Es ist als wolle der Künstler uns eine Probe seiner Kunst geben mit der Aufforderung, den Augen nicht zu trauen und das Bild zu berühren. Denn jedes einzelne Haar des Pelzes sowie der Glanz und die Geschmeidigkeit des Fells sind präzise und naturalistisch in winzigen Strichen auf der Graphik differenzierbar. Lediglich das Miniaturformat verweist deutlich darauf, dass es sich um das Bild eines Muffs handelt. Die Radierung, die "nur" einen Muff darstellt, war bereits zu ihrer Entstehungszeit 1647 eine Rarität - ebenso wie das dargestellte luxuriöse Kleidungsstück. Rund 40 englische Pfund musste man im 17. Jahrhundert berappen, wollte man einen Muff in London erwerben. Heute fast aus der Mode gekommen benutzte man den "Pelzhandschuh" zu damaliger Zeit, sich in der kalten Jahreszeit die Hände zu wärmen und um den eigenen Reichtum und damit gesellschaftlichen Status zur Schau zu stellen.

Künstler des außergewöhnlichen Blattes ist der in Prag geborene Künstler Wenceslaus Hollar, der seit 1636 in den Diensten des englischen Diplomaten Thomas Howard Earl of Arundel stand und nach London ging. In zahlreichen Stichen verewigte er die Kleider englischer Damen seiner Zeit. Berühmt sind seine Landschaftszeichnungen und Grafiken von Reisen durch Deutschland, die Niederlande und Nordafrika. Hollar interessierte sich offenbar sehr für das Detail des Muffes. Unser Blatt gehört zu den von 1642-1647 entstandenen insgesamt neun Stillleben, die einen Muff zeigen. Dieser ist auch Requisit der in der gleichen Zeit entstandenen Zyklen der "Vier Jahreszeiten". In der Darstellung des Winters dient er einer maskierten Frau, ihre Hände vor der Kälte zu schützen.

Die Konzentration des Künstlers auf den Muff bewirkt, nach einer tieferen Bedeutung zu suchen. Moderne Assoziationen des Pelzes mit einem Fetisch und als ein Requisit der erotischen "Venus im Pelz" drängen sich auf. Interessanterweise bestätigt ein englisches Wörterbuch von 1699 die erotische Aufladung des Kleidungsstücks, indem es ihn vieldeutig als "a women's secrets" ("Die Geheimnisse einer Frau") bezeichnet. Auch in der zeitgenössischen englischen Liebeslyrik von Richard Lovelace ist der Handschuh ein erotisch aufgeladener Gegenstand. Er bedient sich des Motivs der schönen Hand der Frau und ihres Handschuhs als ein Pfand der Geliebten. Erotisch wird er, weil die imaginäre Geliebte ihn am Körper getragen hat. So ist es möglich, Wenzel Hollars Darstellung eines Pelzmuffs als Zeichen für eine Frau zu lesen, also als einen bildinternen Verweis auf jene Frau, der dieser Muff gehörte. Oder es handelt sich in raffinierter Einfachheit "nur" um eine meisterhafte Studie eines "Handwärmers", die ihren Platz in der Geschichte der Graphik hat.

Die Karlsruher Kunsthalle besitzt rund 550 Radierungen des Künstlers, ein Konvolut, das von Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach (1594-1659) zusammengetragen wurde, zu den ältesten Hollar-Sammlungen und damit auch zu den ältesten Beständen der Karlsruher Kunsthalle zählt.

[N.T.]

Daten und Fakten

Titel Muff mit Brokatband
Künstler*in Wenzel Hollar
Entstehungszeit 1647
Inventarnummer I 1579-2
Maße Blatt H 7,9 cm  B 11,2 cm  
Material Papier
Technik Radierung
Gattung Radierung
Abteilung Kupferstichkabinett
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