Was für eine düstere Landschaft! Auf den ersten Blick könnte man meinen, wir sind auf der dunklen Seite des Mondes. Aber da sind ja ein paar Pflänzchen – vielleicht sind wir am Meeresgrund? Dagegen spricht der angedeutete Horizont und vor allem das abstrakte Figurenpaar rechts oben, das den einzigen Farbakzent in diesem rätselhaften Gemälde von 1927 setzt. Trotzdem springen einem die Beiden nicht gleich ins Auge. Auch, weil sich die Farbigkeit in den fließenden weichen Bewegungen der Traumlandschaft fast verliert, alles bleibt vage.

Typisch Yves Tanguy. Nie sind seine surrealistischen Landschaften eindeutig fassbar, bis heute bleiben seine Bildwelten rätselhaft und verschlüsselt. Was den ebenso anarchistischen wie schweigsamen Bretonen freuen dürfte. Schließlich war der Autodidakt überzeugter Surrealist. Eine Ausstellung von Giorgio de Chirico brachte ihn zur Malerei, später war er in Kontakt mit berühmten Kollegen wie Salvador Dali, Max Ernst, René Magritte oder André Breton.

Schon die Romantiker hatten ja menschliche Seelenzustände mit der Natur zusammengebracht. Was die Surrealistinnen und Surrealisten nach dem Trauma des Ersten Weltkriegs wieder aufgenommen haben. Sie alle setzten sich mit Träumen, dem Unterbewussten, Emotionen und Visionen auseinander, haben Elemente aus der Natur abstrahiert und künstlerisch umgesetzt.

So wie Tanguy in seinen Landschaften: Sie sind von seiner Heimat im äußersten Westen der Bretagne beeinflusst – den bizarren Felsküsten, den Dünen, dem hohen Himmel mit den sich dauernd wandelnden Wolkenformationen und dem Atlantik mit dem Wechsel von Ebbe und Flut.

Bevor er Künstler wurde, ist er mit der Handelsmarine durch die Welt gefahren und hat auch die Sahara besucht. Was uns die scheinbar schwerelosen bunten Figuren, die amorphen Gebilde, Nebelschwaden, Amöben und Schwämme sagen, die wir in dieser Landschaft – wie in seinen anderen Bildern finden: das bleibt Ihrer Fantasie überlassen. Vielleicht sind wir in einer phantastischen Traumwelt, einer apokalyptischen Endzeitvision, auf einem fernen Planeten oder in einer Unterwasserlandschaft – oder einfach in uns selbst.