Meister der Monster: Die Versuchung des Heiligen Antonius von Joos van Craesbeeck

Der Künstler der heutigen Folge entwickelte sich einfach vom Bäcker zum Maler. Also von Brot und Brötchen zur Profi-Pinselei – was für ein grandioser Werdegang! Der Künstler dieser Folge heißt Joos van Craesbeeck und ähnlich skurril wie seine Karriere war auch seine Kunst. Das Bild, um das es heute geht, ist komplett abgedreht! Darauf ist einfach ein Einhorn mit Schnabel und eine Schnecke mit Flügeln. Ich weiß, das klingt wie ein stattlicher Drogentrip, ist aber ein altes Gemälde. Um 1650 wurde das gemalt und es trägt den Titel „Die Versuchung des Heiligen Antonius“. Wo befindet es sich? Natürlich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Ok, dann tauchen wir mal ein in diesen gemalten Trip. Viel Spaß!

Intro

Ich weiß, ich sage immer, dass ihr euch das Bild der Folge ansehen sollt. Aber dieses Mal ist es mir besonders wichtig – denn auf dem Bild sind so viele crazy Details. Das ist „Wo ist Walter?“ im Wunderland. Also, in den Shownotes ist ein Link zur Abbildung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Bevor ich euch das Bild beschreibe, hier ganz kurz eine Info: Das Werk heißt ja „Die Versuchung des Heiligen Antonius“. Ok, aber wer war dieser Heilige Antonius? Ein frühchristlicher Mönch, geboren um das Jahr 251 nach Christus. Er war quasi eine Art Prototyp Mönch, der super asketisch gelebt hat. Der Teufel und andere Dämonen versuchten immer wieder ihn zu verführen und von seinem Weg abzubringen. Aber der Heilige Antonius blieb jedes Mal standhaft. Und genauso ein Verführungs-Moment wird auf dem Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe gezeigt.

Um den Heiligen Antonius tobt der absolute Wahnsinn, aber er sitzt ruhig unter einem Baum mit einem Buch in der Hand und entsagt allem. Das erinnert mich stark an eine Situation, die ich mal im Berghain erlebt habe. Das ist ein legendärer Technoclub in Berlin, in dem es wirklich wild zugeht. Das ist echt ein anderes Level an Exzess. Ich war nur ein Mal dort und völlig überfordert. Alle sind komplett auf diese ohrenbetäubende Musik ausgerastet, nur auf die Fresse und dann saß da ein Typ in einer Ecke und hat einfach ein Buch gelesen. Vollkommen absurd. Das war so deplatziert, als würden man einen seriösen Zoom-Call in der Achterbahn machen. Das absolute Kontrastprogramm.

Naja, und ähnliche Vibes gibt mir das Bild dieser Folge. Denn um den Heiligen Antonius steppt der Bär, aber er sitzt da in seiner Kutte mit einem Buch auf dem Schoß und guckt skeptisch. Neben ihm steht eine Frau. Sie bietet ihm eine Nautilusschale an, die für Reichtum steht. Er ist nicht interessiert. Die Frau zieht aufreizend ihren Ausschnitt nach unten. Er ist nicht interessiert. Die Verführung des Heiligen Antonius klappt nicht. Man muss sagen, bei all den Sachen die da passieren: Nice try! Unter dem Kleid der Frau guckt ein roter Krallenfuß hervor, offenbar ist sie ein höllisches Ungeheuer. Und davon gibt auf dem Bild viele, das ist echt die gemalte Monster AG. Hier ein paar Beispiele: Ein Monster reitet auf einem Wildschwein herum, zwei Hexen zählen Geld, aus einem gigantischen Ei schießen Schlangen hervor, dann sitzt da noch ein knallroter Hund mit Hörnern sitzt auf einem Boot, genau wie ein menschliches Wesen mit Schweinekopf. Und das ist nur ein Bruchteil all der Wesen und wirren Szenen. Insgesamt wirken die Ungeheuer nicht mega gruselig, sondern teilweise sogar knuffig – einige sehen aus, als kämen sie aus einem fantasievollen Kinderbuch oder Pixar Film.

Die linke Hälfte des Bildes ist ein Gewässer, auf dem etliche Monsterboote angefahren kommen, die rechte Seite des Bildes ist eine Art Strand, wo der Heilige Antonius sitzt. Aber das skurrilste Element ist in der Bildmitte: Dort liegt einfach ein riesiger Menschenkopf. In den Haaren nisten Vögel, warum auch nicht? Im aufgerissenen Mund wohnen Wesen, vor denen jeder Zahnarzt das Grauen kriegen würde. Außerdem ist die Stirn des Kopfes aufgeklappt wie eine Tür. Wenn man manchmal sagt, „Ich wüsste gern, was hinter deiner Stirn vor sich geht“, hier weiß man es: Hinter der Stirn sind verschiedene menschliche Gestalten und unter anderem wird dort gemalt. Also mit so einer Staffelei. Also, in diesem Kopf steht die Welt Kopf. Und auf dem ganzen Bild auch. Warum ist das so? Hat sich der Maler Joos van Craesbeeck ausschließlich von Magic Mushrooms ernährt? Oder hat das alles einen tieferen Sinn? Das klären wir jetzt.

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Als Erstes widmen wir uns natürlich diesem riesigen Kopf, der von Monstern bevölkert ist. Das ist vermutlich ein Selbstporträt von Joos van Craesbeeck. Steile Art sich selbst einzubauen. Manche malen sich schön, Joos van Craesbeeck mal sich mit zwei Zähnen im Mund und voller Monster. Der große Kopf mitten im Bild ist aber keine neue Erfindung. Künstler wie Pieter Brueghel der Ältere hatten das schon vorher gemacht. Generell muss man sagen: „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ ist ein beliebtes Motiv in der Kunst des 17. Jahrhunderts.

Das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe steckt voller Anspielungen. Vieles ist hier gar nicht so durchgeknallt, sondern ziemlich durchdacht. Die Hauptaussage des Bildes ist: „Lebt so vorbildlich wie der Heilige Antonius!“ Oder in anderen Worten: „Macht keinen Scheiß!“ Deshalb wird in dem Bild auf die sieben Todsünden angespielt, die sehr geschickt in das Gemälde eingewoben wurden. Die Schnecke auf dem Bild steht zum Beispiel für die Todsünde Trägheit – passt ja zur Schnecke. Oder die hexenartige Frau mit dem Geld in ihren Krallen, die steht für Geiz. So sind subtil alle Todsünden eingebaut. Wir hatten bei Kunstsnack übrigens schon mal eine Folge zu den sieben Todsünden, da wars aber ein ganz anderer Ansatz – Folge 27 zu Otto Dix ist das. Hört gerne mal rein!

Ok, auf dem Bild „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ gibt es aber auch noch andere Anspielungen, zum Beispiel ein Monster-Mensch-Mischwesen, das eine Krücke schwingt. Das erinnert an das Sprichwort: „Lügen haben kurze Beine.“ Oder eine Brille und Kerze – die liegen zusammengebunden auf dem großen Kopf rum. Brille und Kerze stehen für Erkenntnis, aber so funktionslos und deplatziert mitten auf dem Kopf, stehen sie hier eher für das Gegenteil. Und so geht’s weiter, das ganze Gemälde ist voller Symbole und Sinnbilder. Die Bottomline ist eigentlich immer: Haltet euch von Lastern fern, führt ein vorbildliches, gottgefälliges Leben. Das sagt uns dieses Bild ungefähr 30 Mal auf unterschiedliche Weise. Die Botschaft wird uns richtig eingebimst.

Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Kurz zur Erinnerung: Das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe entstand um 1650. Joos van Craesbeeck stammte aus Neerlinter/Brabant, heute ist das in Belgien, früher in den südlichen Niederlanden. Mitte des 17. Jahrhunderts erlebten die Niederlande einen religiösen Umbruch. 1648 kam es nämlich endgültigen Trennung der nördlichen und südlichen Provinzen der Niederlande. Es bildete sich die Republik Holland im Norden und dann gab es eben die südlichen Niederlande. Der nördliche Teil, also Holland wurde stark calvinistisch geprägt – eine protestantische Strömung, die ziemlich asketisch unterwegs war. Das führte zu schlicht gestalteten Kirchen, die teilweise so viel Bildschmuck hatten wie ein Wartebereich im Krankenhaus – nämlich gar keinen. Und die Bilder beschäftigten sich viel weltlichen Motiven. Der Süden der Niederlande war weiterhin katholisch und hier wurden viele religiöse Inhalte gemalt – wie „Die Versuchung des Heiligen Antonius“.

Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen

Ein als Nonne verkleidetes Schwein, ein nackter Schlittschuhfahrer und ein Hintern, aus dem Vögel flattern. Der niederländische Maler Hieronymus Bosch ist berühmt für seine abstrusen Gemälde, besonders für „Der Garten der Lüste“, den ich gerade beschrieben habe. 150 Jahre vor Joos van Craesbeeck malte Hieronymus Bosch ein Altarbild mit der Versuchung des Heiligen Antonius und machte das Thema damit populär. Hieronymus Bosch ist der König der Ungeheuer, seine Fantasiewesen sind über 500 Jahre alt und könnte easy in jeder Geisterbahn weiterhin mitspielen. Von ihm hat sich Joos van Craesbeeck inspirieren lassen und wurde dadurch zu einem Meister der Monster.

Diese grotesken Höllenwesen waren damals sehr beliebt beim Publikum, es macht ja heute noch Spaß sich diesen Irrsinn anzuschauen. Ich habe aber auch das Gefühl, dass höllische Darstellungen Kunstschaffenden damals einen ziemlich großen kreativen Freiraum geboten haben. Da konnte man plötzlich Sachen malen, die sonst nicht klargingen und das macht die Faszination dieser Bilder bis heute aus, deshalb bin auch ich echt geflasht von dem Bild dieser Folge.

Genau wie vom Werdegang des Künstlers. Denn eingangs hatte ich es ja erwähnt: Van Craesbeeck startete als Bäckersgeselle im Antwerpener Kastell. Das war wie eine Stadt in der Stadt, dort gab es auch Handswerksläden und ein Wirtshaus und ein Gefängnis. Naja, in diesem Kastell lernte van Craesbeeck den Maler Adriaen Brouwer kennen. Der war im Kastellgefängnis Insasse, warum weiß man nicht mehr. Auf jeden Fall lernte van Craesbeeck von ihm das Malen. Er hatte also einen Knasti als Lehrer. Naja, und dann nahm das Ganze seinen Lauf und heute haben wir dieses großartige Gemälde in der Kunsthalle Karlsruhe! So, und damit sind wir schon am Ende dieser Folge, in zwei Wochen geht’s wie immer weiter. Lasst ein kostenloses Abo da, danke fürs Zuhören, Ciao.

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