Den linken Bereich der Darstellung bilden abstrakte Farbschlieren, die das Laub des Gartencafés lediglich andeuten und so der Imagination der Betrachter*innen überlassen. Degas schuf ganz bewusst eine Malerei, die sich von einer erkennbaren Szene rechts sukzessive nach links (gegen unsere normale Leserichtung) zu einer gegenstandslosen Malerei hin entwickelt.
Ziemlich versteckt in den graugrünen Spuren der Aquarellfarben findet sich die Signatur des Künstlers und das Datum der Herstellung des Fächers: Degas 80.
Mit wenigen, sehr groben Linien skizziert der Künstler große Blätter, die über dem graugrünen Hintergrund das dichte Laub der Bäume andeuten. In ihren Proportionen sind sie im Vergleich zur Tänzerin viel zu groß – wie Chiffren symbolisieren sie die üppige Vegetation im Garten des Pariser Konzertcafés.
In der Aquarellmalerei vermischen sich die flüssig aufgetragenen Wasserfarben miteinander und erzeugen Pfützen, Kleckse und Trocknungsränder, die auf dem Bildträger eine Art Eigenleben entfalten.
Die kugelförmigen Gaslampen im Garten des Café des Ambassadeurs auf den Champs Elysées reiht Degas hier wie in einer Perlenkette aneinander. Bei den Betrachter*innen erzeugt er so die Illusion einer Kopfdrehung, die das schwungvolle Drehmoment der Tänzerin wiederholt und den Blick nach links führt.
Das Aquarell ist auf schimmernde Seide gemalt, die an den Rändern ausfranst. Mit diesem edlen Material war der Fächer nicht zur Benutzung gedacht, sondern als reines Kunstobjekt, das wie ein Bild gerahmt und an die Wand gehängt werden sollte.
Der für die Komposition des Bildes so wichtige graue Streifen wurde über das bereits fertige Bild gemalt. Der Künstler hat zunächst die senkrechten Umrisslinien angelegt und den Zwischenraum anschließend mit grauer Aquarellfarbe gefüllt.
Das strenge Kompositionselement des senkrechten grauen Streifens ist als Motiv japanischen Holzschnitten entlehnt, die seit den 1860er Jahren in Frankreich Mode waren und starken Einfluss auf die französische Kunst ausübten. Auch Edgar Degas besaß eine große Sammlung japanischer Kunst. Hier deutet der Streifen eine Stange des Bühnendaches an und trennt die Gestalt der Tänzerin vom Rest des Bildes. Dabei hat der Künstler genau Maß genommen: Der Streifen zerteilt den Bildraum im exakten Verhältnis 1:2.
Wie ein Heiligenschein sammeln sich die leuchtenden Kugellampen um den Kopf der in Rückansicht wiedergegebenen Tänzerin. Sie erscheint daher im Gegenlicht und wird von einem zarten Schimmer umfangen, den die durchscheinende Seide erzeugt. Dargestellt ist die Chansonsängerin Mademoiselle Emilie Bécat, die für ihren tänzerischen style épileptique gefeiert wurde.
Bewusst „entzieht“ Degas der Darstellung den Boden – die Tänzerin scheint so der Schwerkraft enthoben und im grünen Laub zu schweben. Hier beginnt die wirbelnde Bewegung, die den Blick von rechts nach links über den Kreis des Fächers schweifen lässt, wo er sich in den gegenstandsfernen Farbpfützen verliert.