Johann Gottlieb Prestel (1739 – 1808)

Johann Gottlieb Prestel revolutionierte die Druckgrafik des 18. Jahrhunderts mit Innovationsgeist und technischem Können.

Seine künstlerische Ausbildung begann der im Allgäu geborene Künstler im Alter von 20 Jahren bei den namhaften Tiroler Kirchenmalern Johann Jakob (1708-1783) und Franz Anton (1716-1794) Zeiller. Wie viele seiner Zeitgenossen begab er sich anschließend auf Grand Tour – eine große Reise zu Studienzwecken, die ihn durch die Kunstmetropolen Italiens führte.

Auf seiner Reise profilierte er sich durch die Entwicklung bedeutender Techniken zur Konservierung von Kunstwerken, beispielsweise dem Schutz von Freskogemälden gegen Feuchtigkeit und der Übertragung von Ölgemälden auf eine neue Leinwand.

Ein Wendepunkt für Johann Gottliebs Leben wurde sein Aufenthalt in Rom von 1762 bis 1766. Die Begegnung mit den Meistern der italienischen Renaissance ließ ihn nicht nur staunen, sondern konfrontierte ihn schmerzhaft mit der empfundenen eigenen Unzulänglichkeit. Später erinnerte er sich gegenüber einem Schüler mit den Worten:

„Ich irrte von Meister zu Meister, und kehrte unmutig und voll Tiefsinn Abends heim. Dann sprach ich oft zu mir selbst: Du willst ein Mahler werden? mit dieser unfertigen hand, mit diesem an großen und tiefen Gedanken so armen Geist? Was wirst du machen, da Raphael, Angelo, Dominichino, Guido Reni, das Beste und höchste erreicht haben? Ich konnte keine Zeichnung, kein Gemälde mehr anfangen, die Größe selbst machte mich klein“.

Diese künstlerische Selbsteinschätzung mag zu Prestels zunehmender Beschäftigung mit der Reproduktionsgrafik geführt haben. Zurück in Nürnberg, schuf er ab 1769 zunächst jedoch noch einige Jahre lang Öl- und Pastellgemälde sowie Radierungen und erteilte Zeichenunterricht. Eine seiner ersten Schülerinnen war Maria Katharina Höll, die er 1772 heiratete.

1775 verbrachte Johann Gottlieb Prestel ein halbes Jahr in Zürich, das damals als Zentrum der kreativen und intellektuellen Bewegung des „Sturm und Drang“ galt. Dort begegnete er bedeutenden Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und Johann Caspar Lavater (1741-1801). Lavater war so beeindruckt von Prestels künstlerischer Genauigkeit und Beobachtungsgabe, dass er ihn bat, Illustrationen für den dritten und vierten Band seines Werks „Physiognomische Fragmente“ anzufertigen.

Gemeinsam mit seiner Frau Maria Katharina experimentierte Prestel ab 1775 mit der neuen Aquatinta-Technik. Sie waren die ersten, die in Deutschland im farbigen Mehrplattenverfahren arbeiteten. Mit ihren großformatigen, möglichst getreuen Reproduktionen von Meisterzeichnungen erlangten beide internationales Ansehen bei Kennern und Sammlern. Johann Gottlieb wurde von Carl Theodor (1724–1799), Kurfürst von der Pfalz und Bayern, mit mehreren Auszeichnungen für seine Druckkunst bedacht.

Das kostenintensive Aquatinta-Verfahren führte jedoch schließlich zu einer finanziellen Notlage der Familie. Ein Neuanfang in Frankfurt schien zunächst vielversprechend, doch stellte sich auch hier der erhoffte monetäre Erfolg nicht ein. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Situation zog Maria Katharina 1786 zunächst allein (zwei der vier Kinder folgten ihr 1789) nach London, einem der damals führenden Zentren für Druckgrafik. Dort arbeitete sie bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1794 für namhafte Verlagshäuser.

Nach dem Wegzug seiner Frau eröffnete Prestel in Frankfurt eine eigene Kunsthandlung. Er passte sich an veränderte Sammlerbedürfnisse an und widmete sich fortan auch der Gemäldereproduktion.

Johann Gottlieb Prestel verstarb 1808 in Frankfurt. Bereits zu seinen Lebzeiten wurde seine Technik von Zeitgenossen anerkennend als „Prestel-Manier“ bezeichnet – ein Begriff, der bis heute internationales Renommee genießt und Prestels Bedeutung für die Druckkunst unterstreicht.

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