Brief und handschriftliche Autobiografie Ernst Ludwig Kirchners, 25. Januar 1935

Privatbesitz

Der Verleger Ludwig Goldscheider, Leiter des Phaidon-Verlags in Wien, plante ein Buch mit „Fünfhundert Selbstporträts von der Antike bis zur Gegenwart“ und bat Ernst Ludwig Kirchner im Januar 1935 um die Erlaubnis zur Abbildung eines seiner Selbstporträts sowie um eine Kurzbiografie.

 

Davos. 27 Jan 35
Phaidon Verlag
Wien

Sehr geehrter Herr [Ludwig Goldscheider]

Vielen Dank für Ihren Brief vom 25 d. M, nun bin ich im Bilde Und gebe Ihnen gerne die Erlaubnis
Zur Abbildung des Bilder Selbstporträt
Aus dem Folkwang [G 621, 1920, 120 x 85 cm] in Ihrem Buche
„Das Selbstporträt“. Beiliegend die erbetenen biographischen Notizen

Hochachtungsvoll

E L Kirchner.

 

Biographische Notiz über E L Kirchner

Geboren 1880 in Aschaffenburg. Nach der Matura studiert er Malerei und Architektur an den Kunsthochschulen München und Dresden. Beginn 98 mit Holzschnitten.

Sein Vater zeigte ihm die Technik an mittelalterlichen Stöcken. Erzogen in den Techniken Dürers und Rembrandts bekam er wichtige Belehrung durch die Theorie des Neoimpressionismus, speziell Seurat. Er selbst findet neue Art des Naturstudiums durch das Zeichnen der Bewegung und ein altes Malmittel, das Wachs bereitet er auf neue Weise für seine Technik. Seine Arbeit findet Beachtung und junge Künstler sammeln sich in Dresden in seinem Atelier, lernen die neuen Techniken. Kirchner regt für Ausstellungszwecke die Bildung einer Künstlergruppe an, die später „Brücke“ genannt wird. Diese neue Kunst wird in der Folge so angegriffen, besonders in Dresden, dass Kirchner 1909 nach Berlin zieht, um in der grossen Stadt besser wirken zu können, vorher 1906 verstärkte sich die Gruppe durch Eintritt von Nolde, damals dänischer Maler und Pechstein. Beide übernahmen die neuen Techniken. Kirchner brachte 1910 Otto Müller zu Gruppe und weihte ihn ein. Müllers Kunst bekam so neuen Auftrieb.

1908 stellt Kirchner zuerst in der Secession aus auf Empfehlung Liebermanns. 1912 tritt er aus Brücke aus. Gräf in Jena wurde sein treuer Förderer. Kirchners Arbeit wurde so weiter bekannt, dass er 1912 die Thorn – Prikker Kapelle auf der Sonderbundausstellung entwerfen konnte und sie mit Heckel ausführte. Er malte und radierte damals seine Berliner Strassenbilder, 1912 -14 in Berlin und Fehmarn. 1914 erhielt er den Auftrag, die malerische Ausgestaltung des Tabakraumes von Feinhals auf der Werkkunst Ausstellung zu machen. 1915 Freiwilliger im Kriege. 1916 erkrankt malt er in Frankfurt und im Taunus. 1917 in Davos. Neue Auffassung der Berge und Bauern in der Arbeit bringt Kirchner neuen Schülerkreis aus Basel. Seit 1925 abermals neue Gestaltungsart, die aus der Auswertung des bisher erreichten entsteht. 1930 wird Kirchner zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin ernannt. 1933 grosse Gesamtausstellung in Bern.

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