
Zwei Ansichten einer am Boden sitzenden jungen Frau
Beschreibung
Antoine Watteau hat mit seinen Darstellungen eleganter und geselliger Vergnügungen im Freien, den sogenannten Fêtes galantes, ein eigenes Genre begründet. Von seinen Zeitgenossen wurden seine Gemälde geschätzt und seine Figurenzeichnungen galten bereits im 18. Jahrhundert als unübertroffen in ihrer Feinheit und Grazie, ihrer Gewandtheit und Leichtigkeit sowie ihrem Ausdruck.
Das Karlsruher Blatt zeigt beispielhaft, wie bedacht Watteau seine Studien anlegte: Platzierung und Ausrichtung der Frauenfiguren korrespondieren, die Konturen scheinen aufeinander Bezug zu nehmen und doch unterscheiden sich die beiden deutlich in Ausdruck und Charakter. Den gesenkten Blick auf die im Schoß liegenden Hände gerichtet, wirkt die oben Dargestellte in sich ruhend, fast selbstvergessen. Ihre in sich gekehrte Haltung kontrastiert mit dem aktiveren Ausdruck der zweiten Gestalt, die sich nach vorn lehnt und deren Körper von der Konzentration des Schauens durchdrungen ist. Gezielt variiert Watteau den Einsatz der Rötelkreide, verwendet dünne wie kraftvolle Linien, deutet durch die unterschiedlich dicht gesetzten Schraffuren Bewegungen an und vermittelt einen Eindruck von der Stofflichkeit der Kleider.
Im Laufe seines Lebens schuf Watteau einen umfangreichen zeichnerischen Fundus, auf den er in seinen gemalten Kompositionen zurückgriff. Die beiden hier gezeigten Frauenfiguren verwendete er im Mittelgrund seines Gemäldes „Les charmes de la vie“ („Die Schönheiten des Lebens“, um 1718/19, London, Wallace Collection), wobei er die Haltung der halb Liegenden links deutlich veränderte. Die rechte Gestalt fand wenige Jahre später als Einzelmotiv Aufnahme in den sogenannten Recueil Julliennes – eine von dem Kunstsammler Jean de Jullienne (1686–1766) veröffentliche Sammlung druckgrafischer Reproduktionen von Watteaus Zeichnungen und Gemälden.
Daten und Fakten
Titel | Zwei Ansichten einer am Boden sitzenden jungen Frau |
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Künstler*in | Antoine Watteau |
Entstehungszeit | Unbekannt |
Inventarnummer | 1977-33 |
Maße Blatt | H 13,0 cm B 19,7 cm |
Material | Farbiges Papier |
Technik | rote Kreide |
Gattung | Zeichnung |
Abteilung | Kupferstichkabinett |
Der Watteau freundschaftlich verbundene Tuchhändler und Kunstsammler Jean de Jullienne ließ etwa 350 Druckgrafiken nach Zeichnungen des Künstlers radieren und veröffentlichte diese wenige Jahre nach seinem Tod.
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sehen denken träumen. Französische Zeichnungen aus der Kunsthalle Karlsruhe
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 29.09.2018 – 13.01.2019
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1957: Antoine Watteau
Parker, K. T.; Mathey, J.
Catalogue complet de son oeuvre dessiné -
1978: Erwerbungsbericht 1977
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Kupferstichkabinett
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1983: Die französischen Zeichnungen 1570 - 1930
Borries, Johann Eckart von
Kritischer und erläuternder Katalog, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe -
1988: 100 Zeichnungen und Drucke aus dem Kupferstichkabinett
Borries, Johann Eckart von; Theilmann, Rudolf
Ausgewählte Werke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe -
2018: sehen denken träumen
Schäfer, Dorit (Hg.); Reuter, Astrid (Hg.)
Französische Zeichnungen aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe