
Le Joueur d'orgue barbarie
Beschreibung
1839 kam der noch junge Charles Nègre nach Paris und ging bei dem Historienmaler Paul Delaroche in die Lehre. Es war das Jahr, in dem die Daguerreotypie in der Pariser Akademie der Wissenschaften als erstes fotografisches Verfahren der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der französische Staat kaufte das Patent und gab es direkt wieder frei, sodass auf die sogenannte Geburtsstunde der Fotografie eine experimentierfreudige wilde Kindheit folgte. Delaroche hielt alle seine Schüler dazu an, sich produktiv mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen. Der Drehorgelspieler , ein mit Ölfarbe und Rötelkreide ausgeführtes Werk, gewährt seltene Einblicke in genau diesen Prozess. Es handelt sich um ein frühes Beispiel des Dialogs zwischen Fotografie und Malerei.
Im Hof seines Pariser Ateliers, 21 Quai de Bourbon auf der Île Saint-Louis, inszenierte Nègre die Kinder seines Freundes Henri Le Secq neben einem Drehorgelspieler und nahm die kleine Gruppe selbst mit der Kamera auf. Das reizvolle Motiv übermittelt schon als Fotografie ein sorgfältig komponiertes Bild, wie die erhaltenen Abzüge im Musée d’Orsay zeigen. Einen solchen schwarz-weißen Papierabzug übermalte Nègre mit Ölfarbe, so als handle es sich um eine Vorzeichnung, die er zur Unterstützung des Gedächtnisses kolorierte (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. FK 58). In der zweiten, hier betrachteten Fassung übertrug er das Motiv mit Rötel auf ein neues Blatt und übermalte es erneut mit Ölfarbe. Hierbei war ihm wichtig, Form und Farbe weiter zu klären. Mindestens eine weitere, dritte Fassung muss existiert haben, denn ein motivgleiches Gemälde reichte Nègre nachweislich 1853 im Salon ein. Sie gilt heute jedoch als verschollen.
Nègre widmete sich mit Vorliebe dem Genrethema, also Alltagsszenen, die er vorwiegend auf der Straße beobachtete. Sich vom Klang der Musik berühren zu lassen und innezuhalten, diese zunächst unscheinbar wirkende Zäsur städtischen Treibens wählte Nègre hier als Bildthema. Mit diesem Sujet stellte er sich jedoch in eine künstlerische Tradition: Von Adriaen van Ostade Mitte des 17. Jahrhunderts bis zu Nègres Zeitgenossen Honoré Daumier ist der ärmliche Straßenmusiker ein wiederkehrendes Motiv, genauso wie auch in der Bohème-Literatur, etwa bei Charles Baudelaire oder Henri Murger.
Daten und Fakten
Titel | Le Joueur d'orgue barbarie |
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Künstler*in | Charles Nègre |
Entstehungszeit | 1852/1853 |
Inventarnummer | FK 59 |
Maße Bildträger | H 22,5 cm B 16,5 cm |
Maße Rahmen | H 34,2 cm B 27,8 cm T 2,7 cm |
Material | Papier |
Technik | Ölfarbe Rötel |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
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