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Honoré Daumier - Le ventre législatif

Le ventre législatif

Honoré Daumier

Maße:
H 34,7 cm  B 46,6 cm  
Jahr:
1834
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

"Der gesetzgebende Bauch", herausgegeben von der "L'Association mensuelle", 18. Blatt, Januar 1834.

Daumier karikiert 34 gelangweilte, schlafende oder schwatzende Abgeordnete auf den Bänken der Pairskammer. Seine Galerie der Berühmtheiten des "Juste Milieu" führt jene politische Gemengelage aus Adel und neuem Bürgertum vor Augen, auf die Louis-Philippe seine Herrschaft zu gründen suchte. Bereits 1833 modellierte Daumier Büsten der Abgeordneten, die ebenfalls in der Sammlung der STaatlichen Kunsthalle Karlsruhe vorhanden sind.

Von Mitteln und Mittlern

Karikatur in 3D

Wenn man von der spitzen Feder als Waffe spricht, sind häufig Karikaturen gemeint. Mit Ironie und Übertreibung werden politische Gegner, gesellschaftliche Missstände entlarvt. Bei diesen Zeitgenossen aber haben wir es mit dreidimensionaler Karikatur zu tun!

Die richtige Mitte

Wer uns hier halslos, aber jovial angrinst, skeptisch mustert und missmutig beäugt, das sind die Herren des sogenannten „juste milieu“, der richtigen Mitte. Die Bezeichnung wurde vom selbsternannten französischen Bürgerkönig Louis-Philippe nach der Juli-Revolution 1830 als politisches Ideal ausgerufen. Die Regierenden sollten sich demnach den Bürger*innen verpflichtet fühlen und jenseits aller Extreme handeln. Diese vermeintliche Mitte, nämlich Männer aus Adel und Großbürgertum, also Stützen des königlichen Machtgerüsts, waren jedoch nicht allen französischen Mitbürger*innenn gleichermaßen sympathisch, was die Büsten eindrücklich unter Beweis stellen.

Sammlerobjekte als politisches Statement?

Honoré Daumier fertigte die Büsten ab 1832 auf Anregung von Charles Philipon, Verleger der Satirezeitschriften Le Charivari und La Caricature. Aber zu welchem Zweck? Als Sammlerstücke für liberal gesinnte Abonnent*innen, als politisches Statement? Mitnichten. Bis zu einer Werkschau 1878 wurden die Büsten nie öffentlich gezeigt, geschweige denn zum Erwerb angeboten. Viel zu groß war die Gefahr der Zensur.

Links: unbemalte Tonbüste von Honoré Daumier: Claude Baillot, mit quadratischem Gesicht, hoch sitzenden, geschlossenen Augen und verkniffenem Mund. Rechts: Lithografie von Honoré Daumier: Portrait M. Baillot, ein Mann im Dreiteiler steht in selbstbewusster Poste, den Kopf zur Seite geneigt, die Hände in den Hosentaschen. Verkniffener Gesichtsausdruck.

Vorzeichnungen in 3D

Die Büsten sind vielmehr eine Art „Schnappschuss in Ton“, wie ein zeitgenössischer Kunstkritiker es ausdrückte. Ein festgehaltener Eindruck, um Daumier und seinen Kollegen als Vorlage für druckgraphische Umsetzungen zu dienen. Aus dem Gedächtnis sind sie nicht mit spitzer Feder, sondern spontan mit dem Holzspatel und vor allem mit kräftigen Daumen geformt worden. Als räumliche Entwürfe erlaubten sie das Studium des Lichteinfalls und der plastischen Ausgestaltung, wie sie für die späteren Abbildungen in den Zeitschriften charakteristisch sind. Es sind skulpturale Vorzeichnungen.

Links: Marmorskulptur von Fraçois Masson: Françoise-Charlotte-Ernestine de La Rochefoucauld Doudeauville. Die Büste einer Frau mit elegant drapierter Bekleidung. Ebenmäßiges Gesicht, der Blick in die Ferne gerichtet, die Haare mit Bändern frisiert. Rechts: Weiße Marmorskulptur von Bertel Thorvaldsen: Hebe als junge Frau im gerafften, weich fallenden Kleid, in der einen Hand eine Schale, in der anderen ein Krug. Ruhige, ausgeglichene Haltung.

Kein Schauplatz von Idealisierung

Daumier nutzte auf damit das Medium völlig entgegengesetzt zu den meisten seiner Vorgänger*innen und Zeitgenoss*innen. Denn an den Kunstakademien war die Skulptur, in der Hierarchie der künstlerischen Gattungen ganz an der Spitze angesiedelt, ein Schauplatz von Idealisierung in glattpoliertem Marmor. So beispielsweise bei Thorvaldsens Hebe oder Massons Frauenbildnis. Wie anders, wie spontan, wie nah am Menschlich-Allzumenschlichen dagegen die Büsten Daumiers, die einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der modernen Plastik darstellen.

Weitere digitale Angebote zu Honoré Daumiers "Le ventre législatif"

Foto von Jakob Schwerdtfeger neben einem goldenen Rahmen, in dem eine Abbildung eines Gemäldes mit einigen Menschen in antiken Gewändern zu sehen ist, zu sehen ist. Darüber steht der Schriftzug: "Kunstsnack"

Episode 53: Freakshow aus Ton: Juste Milieu und Le ventre législatif von Honoré Daumier

Honoré Daumier karikierte die französische Elite mit 32 Grimassen aus Ton. Warum diese Kunst ihm Haft einbrachte, erklärt Jakob Schwerdtfeger im Kunstsnack.

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Zum Audiotranskript der Kunstsnack-Episode zu Honoré Daumier

Touren zu diesem Werk

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Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger


Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger präsentiert in einer digitalen Tour Kunstsnacks zu den Werken der Ausstellung KunsthalleKarlsruhe@ZKM.
kurzweilig
ca. 180 min
zur Tour

Daten und Fakten

Titel Le ventre législatif
Künstler*in Honoré Daumier
Entstehungszeit 1834
Inventarnummer 2003-115
Maße Blatt H 34,7 cm  B 46,6 cm  
Maße Darstellung H 28,1 cm  B 43,3 cm  
Material Papier
Technik Lithografie
Gattung Lithografie
Abteilung Kupferstichkabinett
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