
Ratapoil
Beschreibung
Honoré Daumier, Maler, Graphiker und Karikaturist, schuf die Figur des „Ratapoil“ um 1850 zunächst in einer Reihe von Karikaturen. Die Bronze mit diesem Namen – „Ratapoil“ könnte man etwa mit „haarige Ratte“ übersetzen – entstand zur selben Zeit, wurde aber aus Furcht vor der Zensur erst lange nach Daumiers Tod, nämlich im Jahr 1891 gegossen. Bei der Version der Kunsthalle handelt es sich um den fünften Guss von 20 Exemplaren, die in einer ersten Auflage entstanden.
Der 1848 zum Staatspräsidenten gewählte Louis-Napoléon Bonaparte hatte 1849 ein Schlägerkommando aus zwielichtigen Individuen etabliert. Eine Truppe ehemaliger Häftlinge, Soldaten, Wegelagerer und Kleinkrimineller machte auf den Straßen von Paris Stimmung für ihn, streute Desinformationen und schüchterte Bürger durch Gewalt ein. „Ratapoil“ ist eine hagere, verkommene Figur. Sie trägt den gezwirbelten Bart wie Louis-Napoléon ihn trug, einen zerbeulten Zylinder, abgewetzten Gehrock und Schlagstock. Die Bronzefassung dieser Gestalt posiert im grotesk gestelzten Kontrapost. Als Agenten des Staatspräsidenten waren die „Ratapoils“ der Republik beteiligt an den Manövern, mit denen der Präsident die Auflösung der Nationalversammlung betrieb, um sich 1852 selbst zum Kaiser Napoleon III. zu ernennen.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal war diese Plastik brisant – die karikierend groteske Überpointierung, die markante Modellierung der Oberfläche mit ihrem jähen Wechsel zwischen konvexen und konkaven Partien machte sie zu einem wegweisenden Werk moderner Plastik.
Daten und Fakten
Titel | Ratapoil |
---|---|
Künstler*in | Honoré Daumier |
Entstehungszeit | um 1850 |
Inventarnummer | P 178 |
Maße Plastik | H 43,6 cm B 17,1 cm T 19,0 cm |
Material | Bronze |
Gattung | Plastik |
Abteilung | Plastik |
Nachdem Daumier 1832 wegen Majestätsbeleidigung sechs Monate inhaftiert worden war, wurde die Zeitschrift „La Caricature“, für die er gearbeitet hatte, eingestellt.
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