Blick auf die Fassade der Peterskirche in Rom
Beschreibung
Die kleinformatige Architekturansicht zeigt eine der sieben römischen Wallfahrtskirchen, die Johann Wilhelm Baur während seines Aufenthalts in der Ewigen Stadt zwischen 1630 und 1637 malte. Der dargestellte Petersdom ist die größte der vier ranghöchsten römisch-katholischen Kirchen (Basilicae maiores) und wurde 1626 weitgehend fertiggestellt. Die kleine Vedute, die Baur zugeschrieben wurde, diente als Erinnerungsbild. Der Künstler löste mit seinen unikalen Gouache-Miniaturen die bis dato meist als Kupferstich ausgearbeiteten Ansichten von Rom ab.
Baur hielt sich in Rom auf, um Landschaft und Architektur zu studieren. Im damals wichtigsten Kunstzentrum der Welt etablierte er sich rasch und arbeitete für namhafte aristokratische Auftraggeber wie Kardinal Giulio Mazzarino.
Das gigantische Mittelschiff des Petersdoms ist das längste der Welt. Die von Carlo Maderno entworfene Fassade im Renaissancestil lenkt durch ihre horizontale Ausrichtung den Blick auf die beeindruckende, von Michelangelo konstruierte Kuppel des Hauptgebäudes. Der Obelisk, links der Bildmittelachse, ist etwa 4.000 Jahre alt und stammt aus Heliopolis in Ägypten. Auf ihm finden sich keine Hieroglyphen, dafür aber trägt er Inschriften, ein Kreuz und Symbole aus dem Wappen von Papst Sixtus V. – einen Löwen, drei Berge und einen Stern – sowie den gekrönten Adler aus dem Wappen von Papst Innozenz XIII.
Baur malte ungefähr zeitgleich eine weitere römische Wallfahrtskirche im Tondo-Format, die sich im Besitz der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet. Blick auf die Fassade von S. Maria Maggiore in Rom (Inv. 2589) überschneidet sich in Farbigkeit und Komposition mit der Ansicht der Peterskirche. Beide Veduten sind auf einer Platte zusammengefügt: auf der linken die Peterskirche und auf der rechten Seite Santa Maria Maggiore.
Architekturansichten als kostbares Souvenir
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Kunsthistorikerin: Guten Tag und herzlich willkommen in der Kunsthalle. Ich bin hier Cicerone und beantworte Ihnen gerne Fragen, wenn Sie etwas wissen möchten zu den Gemälden oder unserem Museum.
Besucher: Vielen Dank. Tatsächlich fällt mir gerade hier vor den Bildern auf, dass sie eine ganz andere Form als alle anderen Gemälde haben. Wieso sind diese Bilder rund?
Kunsthistorikerin: Diese Form eines runden Gemäldes nennt man Tondo. Maler oder Malerinnen verwendete oder verwenden diese Form dazu, den Fokus auf ein bestimmtes Objekt zu lenken, das als besonders wichtig, wertvoll oder sogar erhaben galt oder gilt. Der Miniaturmaler und Kupferstecher Johann Wilhelm Baur hat diese Form häufiger benutzt.
Auch wenn er 1607 in Straßburg geboren wurde, ist er vor allem für seine Arbeiten in Rom und Wien bekannt. In Rom, dem wichtigsten Kunstzentrum der damaligen Zeit, verbrachte er ganze sechs Jahre und dort entstanden – wie man sieht – auch diese beiden Bilder.
Viele Künstler in dieser Zeit kamen nach Rom, um dort die antike Kunst und die Meisterwerke der großen Renaissance-Künstler wie Michelangelo oder Raffael zu studieren.
Nicht wenige blieben ihr ganzes Leben lang in der Ewigen Stadt. Baur hatte aristokratische Auftraggeber vor Ort, seine Veduten fanden aber auch bei Reisenden großen Anklang.
Besucher: Was ist eine Vedute? Das Wort habe ich noch nie gehört.
Kunsthistorikerin: Vedute kommt aus dem Italienischen und bedeutet so viel wie »Ansicht« oder »Aussicht«. Diese Art der Malerei widmet sich Stadtbildern und hat zum Ziel, Gebäude oder Plätze festzuhalten. Dies war besonders bei Touristen gefragt, die sich ein Souvenir z. B. aus der heiligen Stadt mit nach Hause nehmen wollten.
Dabei gilt Baur als ein Wegbereiter, wenn nicht sogar als Begründer der Vedute, also eines Bildes, das sich vornehmlich auf die Darstellung der Ansicht eines Gebäudes oder eines Platzes oder eines Teils einer Bebauung konzentriert.
Besucher: Also sind das vor uns auch Veduten?
Kunsthistorikerin: Ja. Baur malte hier zwei Ansichten aus Rom. Auf dem linken Bild sieht man vom Petersplatz aus auf die Peterskirche mit ihrer großen, von Michelangelo entworfenen Kuppel und auf dem rechten Bild die Kirche Santa Maria Maggiore, zusammen mit ihrem 75 Meter hohen Glockenturm.
Diese beiden Bilder sind auch deswegen besonders, weil Veduten eigentlich nur als reproduzierbare Kupferstiche verkauft wurden. Baurs gemalte Veduten waren also viel kostbarer, »Luxus-Veduten«, die eine Marktlücke füllten.
Besucher: Aber ein wenig eigenartig kommt mir die Ansicht vom Petersdom trotzdem vor. Sieht der heute nicht ganz anders aus?
Kunsthistorikerin: Ja, das stimmt. Der Petersplatz wurde erst einige Jahre nach Baurs Vedute angelegt. Außerdem porträtierte Baur auch nicht exakt die realen Gegebenheiten, sondern idealisierte sie. Zum Beispiel würde man aus seiner Perspektive die Kuppel Michelangelos eigentlich gar nicht wirklich gut sehen können.
Da sie aber einer der bedeutendsten Teile der Kirche ist, malte Baur sie so, dass man sie gut erkennen kann. Da man diese Bilder mit nach Hause nahm, um sie Freunden und Familien zu zeigen, war es nicht wichtig, dass der Ort exakt wiedergeben wurde. Das Hauptziel der Vedute war die Wiedererkennbarkeit.
Besucher: Ich verstehe. Also sind Veduten eine Art frühe Form der Postkarte oder Souvenirs.
Kunsthistorikerin: Ja, so könnte man es auch sagen. Für uns heute sind sie spannend, weil man durch solche Stadtansichten ein Gefühl dafür bekommt, wie die Städte früher aussahen. Santa Maria Maggiore sieht auf Baurs Tondo auch ganz anders aus als wir sie heute in Rom sehen können, da es seitdem einige Umbauten gab.
Besucher: So weiß man also durch die Bilder, was sich über Jahrhunderte hinweg verändert hat. Was ist aus Baur nach seiner Zeit in Rom geworden?
Kunsthistorikerin: Baur ging 1637 nach Wien und arbeitete dort für den Hof. Mehr als die Hälfte seiner Werke entstand in Wien. Allerdings starb er schon fünf Jahre später, 1642. Er wurde nur 34 Jahre alt.
Daten und Fakten
| Titel | Blick auf die Fassade der Peterskirche in Rom |
|---|---|
| Künstler*in | Johann Wilhelm Baur |
| Entstehungszeit | Erste Hälfte 17. Jh. |
| Inventarnummer | 2588 |
| Maße Bildträger | H 24,0 cm B 24,0 cm |
| Maße Platte | H 63,2 cm B 105,0 cm T 6,0 cm |
| Maße Rahmen | H 33,5 cm B 33,5 cm T 4,5 cm |
| Material | Pergament auf Holz |
| Technik | Deckfarben Kreide |
| Gattung | Gemälde |
| Abteilung | Alte Malerei (vor 1800) |
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1997: Johann Wilhelm Baur (1607 - 1642)
Bonnefoit, Régine
ein Wegbereiter der barocken Kunst in Deutschland