
Die Verherrlichung des Sommers mit dem heiligen Hieronymus
Beschreibung
Bewegt wuchernde Rocaillen, in denen hier und dort kleine Figurengruppen lagern, umranken das Mittelbild mit dem hl. Hieronymus in seiner Einsiedlerklause vor einer phantasievollen Landschaft. In dieser großformatigen und mit äußerster Sorgfalt ausgeführten Zeichnung transformierte Johann Wolfang Baumgartner ein biblisches Thema in heimische Gefilde. Der aus Tirol stammende Künstler hatte sich 1733 in Augsburg niedergelassen, wo er im Umfeld eines konjunkturreichen Druck- und Verlagsgewerbes beste Bedingungen für die Herstellung seiner Stichvorlagen fand. In Augsburg boten sich ihm vielfältige künstlerische Anregungen. Hier fand er Zugang zu der durch den Kupferstich verbreiteten Malerei von Boucher und Watteau, deren pastorale Szenen deutliche Spuren in seinem Werk hinterließen. Nicht zu unterschätzen sind auch die vorwiegend französischen Ornamentstichvorlagen, die ihm die neuesten Formentwicklungen für die oftmals den Bildaufbau seiner Entwürfe bestimmende Rocaille vermittelten.
Zur Karlsruher Zeichnung ist ein gleich großer, im Abdruck jedoch spiegelverkehrter Kupferstich überliefert, der von Jakob Gottlieb Thelott (1708-1760) für den Augsburger Verleger Johann Daniel Herz (1693-1754) angefertigt wurde. Thelott übertrug die Zeichnung in das Medium der Druckgrafik, zur Erläuterung fügte er Bibelverse hinzu, die wichtige Hinweise auf das bis heute noch nicht vollständig entschlüsselte Bildprogramm geben. Hoch in den Wolken, von Engeln umgeben, schwebt eine Frauengestalt mit großem Heiligenschein, sie hält ein geöffnetes Buch, das der Stich als Altes und Neues Testament ausweist. Die himmlische Dame verkörpert die "höhere göttliche Lehre", via Lichtstrahl sendet sie eine Nachricht zur Einsiedlerklause des hl. Hieronymus. Im Bildvordergrund hingegen weilt ihre von wohl genährten Putten umgebene irdische Gegenfigur. Locker entspannt räkelt sie sich auf frisch gemähtem Heu, in ihren Händen hält sie eine Sichel und einen Sonnenschirm. Von einem Ähren- und Laubkranz wird ihr Haupt bekrönt, all die Attribute weisen sie als Allegorie des Sommers aus. Ihren Kopf wendet sie in Richtung des hl. Hieronymus. Der Bibelübersetzer, Kirchenvater und Patron der Gelehrten sitzt in seinem bescheidenen "Gehäus" und empfängt Landleute, die ihm einen Besuch abstatten. Er stützt den rechten Arm auf einen Totenschädel und hält in der Linken eine Schreibfeder. Zu seinen Füßen ruht ein Löwe, eine kleine Bibliothek mit schweren Folianten verweist auf seine wissenschaftliche Tätigkeit.
Alles in allem verbildlicht die dargestellte Zeichnung das Thema der sommerlichen Ernte in einem übergeordneten, geistlichen Sinne. Baumgartner wählte hierzu eine bunte Mischung allegorisch gelehrter und genrehafter Inhalte. Virtuos dargestellt zeigen die Szenen ein Capriccio der unbefangenen Lebensfreude. Kurzum, eine Spitzenleistung des süddeutschen Rokoko.
Die Kunsthalle verwahrt zwei Zeichnungen von Johann Wolfgang Baumgartner; zudem sind mit dem Kupferstich von Jakob Gottlieb Thelott und weiteren Schabkunstblättern von Philipp Andreas Kilian (1714-1759) eine Hand voll druckgrafischer Werke vorhanden, die auf Baumgartners Bilderfindungen beruhen.
[E.A.]
Daten und Fakten
Titel | Die Verherrlichung des Sommers mit dem heiligen Hieronymus |
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Künstler*in | Johann Wolfgang Baumgartner |
Entstehungszeit | 18. Jh. |
Inventarnummer | 1959-12 |
Maße Blatt | H 57,7 cm B 80,0 cm |
Material | Papier hellgrau |
Technik | Feder in Grau Pinsel in Grau Pinsel in Deckweiß Griffelspuren Rötel |
Gattung | Zeichnung |
Abteilung | Kupferstichkabinett |
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DAS BESONDERE BLATT 2006 07-08
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
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Architectures impossibles
Musée des Beaux-Arts 7.11.2022 - 7.3.2023
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1988: 100 Zeichnungen und Drucke aus dem Kupferstichkabinett
Johann Eckart von Borries/Rudolf Theilmann
Ausgewählte Werke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe -
: Karl & Faber München
Auktion 71
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24.01.1997: Frankfurter Allgemeine Zeitung