
Geschlachtetes Schwein
Beschreibung
Angesichts des anhaltenden Trends zum Veganismus erscheinen historische Kunstwerke, die die ›voluptas carnis‹, die Fleischeslust in ihren verschiedenen Spielarten, ins Bild setzen, heute zunehmend übersetzungsbedürftig. Max Slevogts Geschlachtetes Schwein ist hierfür ein besonders deutliches Beispiel. Das Aufhängen des getöteten Tiers dient der Genießbarkeit des Fleischs: Traditionell lässt man das Schwein nach dem Schlachten in Hälften etwa eine Woche unter kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit am Haken hängen. In dieser Zeit reift das Fleisch nach und wird zart und aromatisch.
Schonungslos hat der Maler alles wiedergegeben, was nach dem Köpfen, Häuten und Ausweiden zu sehen ist: Gerippe, Blutgefäße, Muskelstränge und Fett. Die schiere Gewalt der Tötung und Zerteilung hat Slevogt deutlich ins Bild gesetzt. Schnelle und breite Pinselstriche unterstützen diese Idee von Rohheit. Anders als heute standen für Slevogt 1906 jedoch keine ethischen oder ökonomischen Fragen im Vordergrund, als er dieses Sujet wählte.
Künstlerische Vorbilder fand er stattdessen etwa in dem Ausgeweideten Ochsen des flämischen Malers Maerten van Cleve von 1566 (Kunsthistorisches Museum, Wien), in dessen Hintergrund noch das Schlachtpersonal zugange ist. Näher ist Slevogts Fassung jedoch einem Gemälde von Rembrandt van Rijn, dessen große Ausstellung er 1898 im Stedelijk Museum in Amsterdam besucht hatte. Rembrandts Geschlachteter Ochse von 1655 war Slevogt zudem aus seinem Studienaufenthalt in Paris bekannt. Es fokussiert auf den monumental ins Bild gesetzten Korpus, der so sehr unter Spannung zu stehen scheint, als würde sich das enthauptete Tier noch einmal aufbäumen können.
Den historischen Vorbildern sind unterschwellige religiöse Themen zu eigen, so etwa die Idee des ›memento mori‹ bzw. der Vanitas. Aber auch der Opfertod Jesu wird in diesem Kontext diskutiert. Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert mehren sich die Schlachthausbilder unter deutschen Impressionisten wie Max Liebermann, Lovis Corinth und Slevogt. Dem resoluten Freilichtmaler Slevogt ging es jedoch nicht um eine christliche Metapher. Vielmehr übersetzt Slevogt den alten Bildtopos in seine Gegenwart, indem er das profane Motiv nicht überhöht, sondern uns den gewaltsamen Tod im Fleischerhandwerk frontal gegenüberstellt.
Daten und Fakten
Titel | Geschlachtetes Schwein |
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Künstler*in | Max Slevogt |
Entstehungszeit | 1906 |
Inventarnummer | 1583 |
Maße Bildträger | H 76,5 cm B 62,5 cm |
Maße Rahmen | H 85,0 cm B 71,2 cm T 7,0 cm |
Material | Leinwand |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
Der Begriff des »Abhängens« kommt aus der Fleischersprache und dient dem nötigen Reifungsprozess des Fleischs, was jedoch nichts Anderes ist als langsam zu verrotten.
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Max Slevogt
1925, Kat. Nr. 16
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1971: Katalog Neuere Meister
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.)
19. und 20. Jahrhundert -
1971: Katalog Neuere Meister
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1997: Die Kunsthalle Karlsruhe - Der Beginn einer modernen Sammlung
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Willy F. Storck (1920-1927) und Lilly Fischel (1927-1933) Teil 1 -
2005: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Voigt, Kirsten Claudia