Früchtestillleben

Mit dem Früchtestillleben Richard Earloms besitzt die Kunsthalle Karlsruhe ein Meisterwerk der so genannten Schabkunst, die auch als Mezzotinto oder englische Manier bezeichnet wird. Das im 17. Jahrhundert aufkommende Tiefdruckverfahren gilt als Erfindung von Ludwig von Siegen (1609-1680), dem erstmals 1642 ein Werk in dieser neuen Drucktechnik gelang. In England verbreitete der selbst auch künstlerisch tätige Prinz Ruprecht von der Pfalz (1619-1682) diese neue Technik. Sie entwickelte sich dort im 18. Jahrhundert zu höchster Blüte, so dass man alsbald von der "englischen Manier" sprach. Ein aufwändiges Verfahren steht hinter der Schabkunst: zunächst wurde die Kupferplatte in langwieriger, oft tagelanger Arbeit vollständig und gleichmäßig mit einem "Wiegemesser" oder "Wiegeeisen" genannten Granierstahl mit bogenförmiger, gezahnter Schneide aufgeraut. Da die so behandelte Platte im Druck eine pechschwarze Fläche ergeben hätte, sprach man bereits im 17. Jahrhundert von der "Schwarzen Kunst". Je feiner und sorgfältiger die Platte aufgeraut war, desto samtigere, tiefere Töne konnten erreicht werden. Nach dem Aufrauen wurden die Stellen, die im Abdruck hell erscheinen sollten, mit dem Schabeisen oder Polierstahl durch Glätten der Platte erzeugt. Die charakteristischen zarten und stufenlosen Übergänge von tiefstem Schwarz zu strahlendem Weiß ließen die Schabkunst sehr bald zur bevorzugten Technik im Bereich der Reproduktionsgrafik werden. Dank dieser neuen Drucktechnik war es Earlom möglich, eine nahezu originalgetreue Wiedergabe eines Stilllebens von Jan van Huysum zu schaffen. Er verstand es meisterhaft, anhand seiner differenzierten Technik abgestufter Hell- und Dunkeltöne die unterschiedliche Stofflichkeit und scheinbar auch farbliche Erscheinung der einzelnen Gegenstände täuschend echt wiederzugeben: die zartblättrigen Blüten, die prallen, saftigen Früchte, die glänzenden Tauperlen oder die kühle Oberfläche des Marmors erscheinen nahezu greifbar. Um die räumliche Bildwirkung durch sehr dunkle Schattenzonen zu verstärken, nutzte der Künstler zusätzlich die Radiertechnik, die eine tiefere Schwärze mancher Stellen erlaubt. [A.V.]