Rudolf Dischinger - Schreitende

Schreitende

Rudolf Dischinger

Maße:
H 65,2 cm  
Jahr:
1935/36
Ort:
Orangerie

Beschreibung

In dieser Collage aus dem Jahr 1935/1936 konfrontiert Rudolf Dischinger die zeichnerische Studie eines Schreitmotivs mit einer Fotografie des italienischen Diktators Benito Mussolini. Er arbeitet mit Analogien zwischen Anatomie und Architektur: Der gezeichnete Halbkörper hat weder Rumpf noch Kopf – den schräg in den Hintergrund gestaffelten Säulen fehlt in einer bedeutsamen Parallele dazu das Kapitell. Die antike Größe, an die Mussolini anzuknüpfen suchte und auf die hier zeichenhaft durch die architektonischen Versatzstücke angespielt wird, ist lediglich eine Scheinarchitektur, eine brüchige Kulisse für die Inszenierung der Macht.

Das hier verarbeitete Zeitungsfoto Benito Mussolinis zeigt ihn am 9. Mai 1936, nachdem der unter Einsatz von rund 200 000 italienischen Soldaten geführte Krieg gegen Äthiopien beendet worden war. Damals verkündete der Diktator in Rom, damit sei der Grundstein für die Wiedererrichtung des römischen Weltreichs gelegt. Die Architekturelemente im Hintergrund verklammern Epochen und nationale Baustile. Die antiken Relikte sind vor die Fassade eines Renaissance-Palazzo postiert. Links neben dem Palazzo ist eine Hauskontur angelegt, die an Dischingers eigenes Wohnhaus in Freiburg erinnert. Davor sitzt eine Gruppe von Zuschauern, die dem Auftritt des Duce, seiner theatralischen Selbstinszenierung – auch mithilfe architektonischer Symbole – zuschaut. In weiter Ferne über den Dächern zucken Blitze durch den Himmel.

Eine Bühne für den Größenwahn

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Eine beeindruckende Komposition: Der Blick wird sofort von der alles überragenden Anatomiestudie gefangen genommen. Sie zeigt den inneren Aufbau der Beine und der Beckenknochen einer schreitenden Figur.

Während der Fokus beim rechten Bein auf der Zurschaustellung der einzelnen Muskeln und Sehnen liegt, bleibt das linke Bein, das einen Stiefel trägt, eher angedeutet. Das Stand- und Spielbein-Motiv spiegelt sich im Schrittmotiv der elegant gekleideten Figur rechts daneben.

Es handelt sich um den italienischen Faschisten Benito Mussolini, der hier selbstbewusst eine bühnenartige Treppe hinuntergeht gebannt. Die Gruppe am linken Bildrand verfolgt den theatralischen Auftritt des Diktators gebannt.

Die surreal anmutende Szenerie wird von drei Architekturelementen hinterfangen. Die drei abgebrochenen antiken Säulen erheben sich – aufgrund der perspektivischen Verkürzung schräg nach rechts in ihrer Höhe abfallend – vor einem Renaissance-Palazzo. Diesem ist ein klassizistisches Wohnhaus zur Seite gestellt.

Das Gewitter, das sich über der in der Ferne liegenden Stadt zusammenbraut, kann als Hinweis auf ein drohendes Unheil gesehen werden.

Große Pläne für Großbauprojekte

Rudolf Dischingers Collage wirkt suggestiv. Mussolini verkündete im Mai 1936 in Rom, er wolle das antike Imperium Romanum wiedererrichten. Das unter Mussolinis Ägide geförderte faschistische Bauen knüpft in seiner Monumentalität an die römische Größe an, jedoch stellt Dischinger die antiken Säulen ohne Säulenhals und Säulenkopf dar und verdeutlicht damit das Fragmentarische und die Fragilität der Konstruktion.

Analog dazu fehlen der anatomischen Studie Oberkörper und Kopf. Frappierend und gleichzeitig erhellend ist die Konfrontation von Körper und Architektur. Beide sind hier als Zeichen für die Brüchigkeit einer politischen Ideologie, ihres Menschenbildes und eines Systems zu lesen.

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Daten und Fakten

Titel Schreitende
Künstler*in Rudolf Dischinger
Entstehungszeit 1935/36
Inventarnummer Lg 903
Maße Blatt H 65,2 cm  
Maße B 50,3 cm  
Material Papier gelblich
Technik Bleistift Feder in Schwarz Pinsel in Schwarz Aquarell Deckweißhöhung Autotypie
Gattung Zeichnung
Abteilung Kupferstichkabinett
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