Fabrik in Den Haag
Beschreibung
Ein erster Auftrag, den Vincent van Gogh zu Beginn seines künstlerischen Schaffens erhielt, stammte von seinem Onkel, dem Kunsthändler Cornelis Marinus van Gogh. Er sollte Ansichten von Den Haag anfertigen, denn dort hielt er sich zwischen März und frühem April 1882 auf. Eine Zeichnung aus diesem Konvolut zeigt die Eisengießerei ›Fabriek van Sterkman‹, die von Albert Sterkman gegründet und später von F.H.M. Pino Post übernommen und umbenannt wurde in ›De Prins van Oranje‹. Zwischen 1840 und 1897 wurden hier Dampfmaschinen und Eisenkonstruktionen für den nahegelegenen Rijnspoor-Bahnhof produziert.
Die örtliche Nähe zum Bahnhof unterstreicht der Künstler in dieser Zeichnung auch perspektivisch, denn er nähert sich dem Fabrikgelände nicht vom Hauptgebäude aus an, sondern blickt vom Bahnhof auf die Nebenanlagen. So ist nicht die nicht prächtige Frontseite, sondern die weniger repräsentative Seitenansicht zu sehen: die Kesselmacherei links, das Zeichenbüro des leitenden Ingenieurs, gut am Rundfenster erkennbar, in der Mitte und die Schlosserei rechts. Van Gogh zeichnet hier mit einer Mischtechnik aus Bleistiften verschiedener Stärken, Kreide und Sepia und akzentuiert so dezidiert bauliche Elemente. Die Nieten der Kessel und einzelne Linien sind mit Feder hervorgehoben, wie auch die Figuren auf der rechten Seite. Aufgrund ihres durchscheinenden, schemenartigen Charakters muten sie fast etwas geisterhaft an.
Im Gesamtwerk Vincent van Goghs sind Darstellungen von Industriebauten eine Seltenheit. Sein künstlerisches Interesse galt vielmehr Menschen und Natur, die er in zahlreichen Gemälden und Zeichnungen in den Blick nahm. Diese Trennung von industrieller Architektur und unberührter Landschaft bleibt auch in der vorliegenden Zeichnung erhalten. Die starke horizontale Ausrichtung, bedingt durch die Anlage der Fabrik, wird durch den dunklen Graben im Mittelgrund verstärkt. Einzig ein Baum verbindet die Sphären von Technik und Natur.
Van Goghs erste Auftragsarbeit
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Diese Gebäude laden uns nicht zum Besuch ein – im Gegenteil wenden sie uns ihre verbarrikadierte Seite zu. Dennoch hat das abweisende Ensemble mit den Schienen im Vordergrund sowie den dahinterliegenden Häusern und stählernen Objekten das Interesse des Künstlers geweckt.
Die Eisengießerei in der Nähe des Rijnspoor-Bahnhofs
Vincent van Gogh zeichnete die Eisengießerei »Fabriek van Sterkman« bei Den Haag im Jahr 1882, also während einer industriellen Epoche, in der auch in Holland für Gebäude, Fahrzeuge und Verkehrswege große Mengen an Metallwaren benötigt wurden. Aus kleineren handwerklichen Betrieben wurden immer größere Komplexe. So ungetümhaft konnte eine Fabrik wirken.
Auf der linken Seite befand sich die Kesselmacherei und auf der rechten Seite war die Schlosserei. In der Mitte, gut am Rundfenster erkennbar, hatte der leitende Ingenieur sein Zeichenbüro. Mit den großen Metallkörpern und dem vorgelagerten Kanal wirkt der Betrieb wie eine Festung. Lange Arbeitszeiten, kurze Ruhezeiten, Kinderarbeit und Nahrungsmangel gehörten zum Alltag der Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Fabriken.
All dies lässt uns der Künstler nicht sehen, jedoch will er uns vielleicht mit der bizarren Umgebung Hinweise auf das Geschehen im Inneren geben.
Der Mensch ist hier nur Nebensache und Mittel zum Zweck. Inmitten dieses ungeordneten Ganzen sind in der rechten Bildhälfte vier Figuren nur schemenhaft erkennbar. Im Vordergrund findet sich die Tristesse winterlicher Leere. Auch der entlaubte Baum spendet keinen Trost, und ein schneidender Wind scheint durch diese Szenerie zu wehen.
Triste März-Stimmung
Van Gogh erschafft mit einer Mischtechnik bestehend aus schwarzer Kreide, Bleistift und Tinte eine trostlose, ja sogar bedrückende Atmosphäre. Geometrische Formen mit dreieckigen Giebeln, rechteckigen Kesseln und schienenartigen Metallkörpern beherrschen das Fabrikbild.
Der strukturlose Himmel wird von Rauchschwaden durchzogen, die auf den Betrieb der Anlage hinweisen. Nur vereinzelte Sepia-Akzente bringen ein wenig Wärme. Dieses Werk sollte eines der wenigen bleiben, in denen sich Vincent van Gogh mit Industriebauten befasste.
Daten und Fakten
| Titel | Fabrik in Den Haag |
|---|---|
| Künstler*in | Vincent van Gogh |
| Entstehungszeit | 1882 |
| Inventarnummer | 1982-39 |
| Maße Blatt | H 23,7 cm B 33,4 cm |
| Material | Büttenpapier |
| Technik | Bleistift schwarze Kreide stellenweise radiert Feder in Sepia |
| Gattung | Zeichnung |
| Abteilung | Kupferstichkabinett |
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"Vincent van Gogh. Zeichnungen und Gemälde"
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1928: L'oeuvre de Vincent van Gogh
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Catalogue raisonné -
1970: The Works of Vincent van Gogh
J.-B. de la Faille
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1982: Van Gogh
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1990: Van Gogh und die Haager Schule
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2019: Making Van Gogh
Gogh, Vincent van; Eiling, Alexander; Krämer, Felix; Schroll, Elena
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