Stefano della Bella - Blick auf den Pont Neuf in Paris

Blick auf den Pont Neuf in Paris

Stefano della Bella

Maße:
H 36,5 cm  B 69,8 cm  
Jahr:
1646
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

Zu Stefano della Bellas ambitioniertesten Radierungen gehört sein Panoramablick auf Paris vom Pont Neuf im Jahre 1646. Der Pont Neuf, heute die älteste Brücke von Paris, wurde zwischen 1578 und 1606 erbaut und entwickelte sich schnell zu einem belebten Treffpunkt Pariser Bürger aller Gesellschaftsschichten. Denn von hier hatte die städtische Bevölkerung die einzigartige Möglichkeit, eine unverstellte Sicht auf die Seine und ihre angrenzenden Ufer zu genießen, war der Pont Neuf doch die erste Brücke in Paris, die ohne eine traditionelle Hausbebauung konzipiert war.

Della Bellas Darstellung richtet den Blick auf die Brücke mit dem Reiterdenkmal von Heinrich IV., das seine Frau Maria de' Medici 1604/05 in ihrer Heimatstadt Florenz in der Werkstatt Giambolognas (1529-1608) in Auftrag gegeben hatte. Die monumentale Bronzeskulptur wurde als erstes Herrscherbildnis auf einem öffentlichen Platz in Frankreich 1614 aufgestellt. Gefertigt hatte sie Giambolognas Schüler und Mitarbeiter Pietro Tacca (1577-1640), Pate Stefano della Bellas und ebenfalls Bildhauer der Statue Ferdinandos II. im Hafen von Livorno. Ein weiteres Novum der Brückenanlage waren die breiten Seitentrottoirs für die Fußgänger, die auf der rechten Seite bereits Stände von Bouquinisten zeigen, wie sie ähnlich noch heute am Seineufer in Betrieb sind. Der Künstler wählte für seinen Blick auf das bunte Treiben eine zentrale Position zwischen den beiden Häuserpavillons, die am westlichen Ende der Ile de la Cité die Place Dauphine beschließen. Links und rechts begrenzen ihre dunklen Mauern wie ein Bühnenbild die Aussicht. Legenden auf Latein und Französisch erwähnen die wichtigsten Gebäude der Stadt, die auf der Darstellung mit den entsprechenden Nummern gekennzeichnet sind. Eine lateinische Inschrift steht als Eloge auf den städtebaulich außergewöhnlich schönen Platz unter dem Bild. Links sind die Kirchtürme von Saint-Germain-des-Prés zu erkennen, am Ufer sind das Hôtel de Nevers und die Tour de Nesle, ein Relikt der alten Pariser Stadtmauer, gekennzeichnet. Auf dem rechten Ufer erstreckt sich der Louvre mit der Petite und Grande Galerie sowie dem Königspavillon. Schließlich ist unter der Ziffer 8 der Kirchenbau Saint-Germain´-l'Auxerrois auszumachen. Zwei Engel tragen das königliche Wappen von Frankreich und Navarra, über dem sich eine Banderole mit der Widmung an den jungen Ludwig XIV. schlängelt.

Das eigentliche Leben spielt sich vor dieser genauen topographischen Wiedergabe der Stadtansicht ab. Phyllis Dearborn Massar zählte auf der Brücke 451 Menschen, 38 Pferde, 19 Hunde, drei Esel und ein Lamm. Auch ohne eine akribische Zählung vorzunehmen, ist die Anzahl der dargestellten Figuren und ihre unterschiedliche Charakterisierung enorm, erstrecken sich doch bis weit in den Hintergrund an den Ufern des Flusses sowie auf den teils schwer beladenen Booten unzählige Menschengruppen. Das tollste Treiben jedoch herrscht auf der Brücke, wo sich Bettler, Zigeuner, Wasserträger, Händler, Quacksalber und Scharlatane, Gaukler, Mütter und Kinder, Prostituierte, Liebespaare, Edelleute, Soldaten, Kutschen, Karren und Reiter tummeln. Links vor der Treppe wird einem Mann ein Zahn gezogen, von einer neugierigen Menge beobachtet. Vor der Brückenmauer findet hinten links ein Scharmützel statt, in das mehrere Männer verwickelt sind. Rechts neben dem Reiterstandbild haben zwei Gaukler ihren Auftritt, zum Zuschauen klettern Kinder auf die Umfassungsmauer. Im Vordergrund prügeln sich zwei Knaben, beobachtet von einem Wasserträger, neben dem sich ein Bettler ohne Beine über den Boden schleppt, von einem Hund beäugt. Eine Jagdgesellschaft mit Falken und einer Schar Hunden ist zu sehen, und rechts am Rand erscheint ein Drehleierspieler, von Frauen und Kindern belauscht. Bei aller Kleinteiligkeit gelingt es dem Künstler, das Wimmeln seiner Protagonisten in die große Komposition des Panoramas zu integrieren, ohne das Gesamtbild zu sprengen.

[D.S.]

Daten und Fakten

Titel Blick auf den Pont Neuf in Paris
Künstler*in Stefano della Bella
Entstehungszeit 1646
Inventarnummer V 214
Maße Blatt H 36,5 cm  B 69,8 cm  
Maße Darstellung H 33,2 cm  B 68,6 cm  
Material Papier
Technik Radierung
Gattung Radierung
Abteilung Kupferstichkabinett
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