Gustav Kampmann - Winter-Abend

"Winter-Abend"

Gustav Kampmann

Jahr:
1900
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

Über einem dunklen Hügel, von hellen Rinnsalen durchzogen, ein fahler Himmel. Einzelne Wolkenschlieren ziehen über die aschgrüne Fläche, von einigen orangebraunen Partien durchwirkt. Das milchige Licht kündigt eine kalte Winternacht an, die sich auf die schneegefüllten Ackerfurchen legt. Auf der Anhöhe der dunklen Hügelmasse erhebt sich links oben ein gedrungener Turm, neben dem der Schattenriss eines Dachfirstes erscheint, karge Andeutungen von menschlicher Behausung in der unwirtlichen Einsamkeit. Doch bleibt auch die Siedlung dunkel, kein lebendiges Wesen stört die abendliche Dämmerung über dem weiten Ackerland.

Die Komposition dieser schlichten Landschaft bedient sich nur weniger Mittel: Fünf schneegefüllte Vertiefungen auf dem Feld laufen als helle Linien direkt auf die Erhebung mit dem Turm zu, wo sie sich in einem angedeuteten Kreis zu bündeln scheinen. Himmel und Erde stehen sich als lichte und dunkle Masse gegenüber und teilen das Bild in zwei Hälften, diagonal gegeneinandergesetzt. Die Untersicht auf den dunklen Berg könnte bedrohlich wirken, würde der lichte, vom sanften Abendrot gerade noch erfasste Himmel nicht mildernd auf das kahle Land scheinen und mit seinen vereinzelten Wolken dem dunklen Höhenzug entgegenwirken.

So reduziert der Landschaftsausschnitt auch wiedergegeben ist, das Karlsruher Publikum konnte bereits 1900 unschwer erkennen, welchen Ort der in Grötzingen ansässige Künstler dargestellt hatte: Der Turmberg bei Durlach beherrschte damals wie heute den Blick auf die rheinische Ebene mit der Residenzstadt Karlsruhe.

Mit einem schwarzen Zeichenstein und vier weiteren Tonsteinen schuf Kampmann mit dem ¿Winterabend¿ eine Farblithographie, wie sie sowohl für seinen persönlichen Stil als auch für die Arbeiten des Karlsruher Künstlerbundes charakteristisch waren. Der Karlsruher Künstlerbund wurde 1896 aufgrund heftiger Auseinandersetzungen in der Karlsruher Künstlergenossenschaft gegründet und setzte zahlreiche Unternehmungen zur Aktivierung des Kunstlebens frei. Neben der Teilnahme an vielen wichtigen Ausstellungen im In- und Ausland wurde die lithographische Produktion ausgebaut, deren Vertrieb besonders durch die Schnellpressendrucke der Leipziger Verlage Teubner und Voigtländer gefördert wurde. Im Sinne der neuen Kunsterziehungsbewegung um 1900 sollten auch die Karlsruher Künstlerlithographien hochwertige deutsche Kunst durch das preiswerte Druckverfahren weit verbreiten und auch für weniger wohlhabende Leute erschwinglich machen, um erzieherisch auf ihre Ästhetik einzuwirken. Zu den Spitzenreitern der Karlsruher Blätter zählten die Landschaften Kampmanns, die teilweise eine Rekord-Auflage von bis zu 10.000 Stück erfuhren. Für Kampmanns bewusste Reduzierung auf das Wesentliche, das charakteristische Dämmerlicht des Abends, in dem die Formen und Farben der Natur zu großen, diffusen Flächen zusammengefasst werden, war die Lithographie ein ideales Medium. In Kombination von Kreide-, Pinsel- und Federtechnik erreicht der Künstler durch das Übereinanderdrucken von mehreren Steinen Farbtöne von eigenwilliger, kaum definierbarer Mischung, die mit den körnigen Flächen des weichen Kreidestrichs zu verschmelzen scheinen. Die Verknappung in der Wiedergabe von unspektakulären Landschaftsausschnitten erreicht dabei einen Grad von Abstraktion, der aus einem kühnen Selbstbewusstsein heraus viele Errungenschaften der Moderne vorwegnimmt.

Gustav Kampmann wurde 1859 in Boppard am Rhein geboren. Als er vierzehn Jahre alt war, zog seine Familie nach Karlsruhe, wo er 1879 in die Großherzoglich-Badische Kunstschule eintrat. 1890 bezog er mit seiner Mutter und seiner Halbschwester Jenny Nottebohm, später Fikentscher, eine Wohnung auf Schloss Augustenburg in Grötzingen, wo er eine der Leitfiguren der ¿Grötzinger Malerkolonie¿ wurde. 1905 wurde Kampmann der Professorentitel verliehen, 1917 wurde er auf eigenen Wunsch wegen Krankheit aus dem Kriegsdienst entlassen. Im selben Jahr nahm er sich das Leben.

Daten und Fakten

Titel "Winter-Abend"
Künstler*in Gustav Kampmann
Entstehungszeit 1900
Inventarnummer 1936-32
Maße Einfassungslinie H 30cm B 41.2cm
Technik Farblithografie
Gattung Lithografie
Abteilung Kupferstichkabinett
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