Dramatischer als Dracula: Ferdinand Keller, Böcklins Grab

Der Künstler dieser Folge ist ein richtiger Kunst-Streber! Ferdinand Keller war nämlich schon als Kind begeistert vom Malen. Und zwar übertrieben begeistert! Als kleiner Junge hat er sein Taschengeld lieber für Mal-Material ausgegeben als für Süßigkeiten. Macht euch das mal klar! Pinsel statt Puffreis, Bleistifte statt Brausepulver und Kreiden statt Cola-Kracher. Ich hab als Kind Paninisticker gesammelt, Ferdinand Keller hätte sich die wahrscheinlich einfach selbst gemalt. Crazy! Und wenn ihr diesen Künstler sehen wollt, gibt es wirklich keinen besseren Ort als die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Denn hier befinden sich über 500 Zeichnungen von ihm und 14 Gemälde. Ein absolutes Meisterwerk von Ferdinand Keller haben wir für diese Folge rausgesucht. Es heißt „Böcklins Grab“ und stammt aus den Jahren 1901/1902. Und glaubt mir, dieses Bild hat es in sich. Viel Spaß!

Intro

 

Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen

Ich starte dieses Mal nicht mit der Bildbeschreibung, sondern mit einer kurzen Info. Ich hatte ja gesagt, das Bild dieser Folge heißt „Böcklins Grab“. Es handelt sich dabei um den Maler Arnold Böcklin. Der war im 19. Jahrhundert tätig. Böcklin ist bekannt für seine oft düsteren Bilder, häufig haben die Szenen was Mystisches. Böcklins Kunst passt eigentlich perfekt zu okkulten Sitzungen oder würde auch super in Geisterbahnen hängen können. Das Bild von Ferdinand Keller ist eine Hommage, deswegen heißt es „Böcklins Grab“, denn 1901 starb Arnold Böcklin. Das Bild entstand direkt nach seinem Tod. Böcklin war ein wichtiger Einfluss für Ferdinand Keller und beide Künstler hatten den gleichen Lehrer. Ihr merkt also, es geht heute um ein ziemlich emotionales Werk.

 

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Für dieses Bild wäre eine Taschenlampe hilfreich. Das ist nämlich richtig dunkel. Dadurch bekommt das Bild direkt eine beklemmende, geheimnisvolle Wirkung. Ist schon lustig, dass ein Maler mit dem Namen Ferdinand Keller so ein dunkles Bild malt.

Naja, das Hauptmotiv auf dem Bild ist ein großer, hoch aufragender Felsen im Nebel. Darauf stehen einige Bäume. Und zwar sind das Zypressen. Die sind ein Symbol für Tod und Trauer. Passt ja zu „Böcklins Grab“. Der Himmel ist bedrohlich bewölkt, an einigen Stellen geht die Farbe des Himmels sogar ins Türkis-Violette über. Ein unnatürlicher Anblick.

Das einzige Licht auf dem Bild fällt unten auf den Felsen. Hier befindet sich, in den Felsen geschlagen, eine Art Mausoleum. Vorgelagert ist ein Eingangsportal. Das ist mit Relieffiguren geschmückt. Links und rechts sind nackte Engel und über dem Durchgang ist ein Medusa-Kopf. Kurzer Reminder: Medusa ist die mit den Schlangenhaaren. Laut Mythos reichte ein Blick und Männer wurden zu Stein. Was man als Motiv halt so entspannt über einem Portal haben möchte. Das Portal ist außerdem bewachsen von einer blauen Pflanze, passenderweise heißt die Blauregen. Vor dem Felsen sind außerdem schäumende Miniwellen, die gesamte Szene ist also am Wasser. Insgesamt ist das hier ein ziemlich dramatisch inszeniertes Grab. Es könnte auch direkt aus einem Vampirfilm oder Grusel-Computerspiel stammen.

Erst auf den zweiten Blick sieht man: Das Bild ist nicht menschenleer. Vor dem Portal, direkt an der Brandung steht eine verhüllte Figur mit einer schwarzen Kapuze. Sie steht dort ganz allein mit einer riesigen Harfe. Ich sag mal so: Ferdinand Keller drückt hier echt auf die Tränendrüse. Melodramatik pur!

 

Der Epochen-Check

In seinem Bild „Böcklins Grab“ bezieht sich Ferdinand Keller nicht nur auf den Tod von Arnold Böcklin, er imitiert sogar Böcklins Malstil. Das ist wirklich eine enorme Ehrerbietung und vor allem ein sehr ungewöhnlicher Move. Arnold Böcklin stand wie kaum ein anderer Künstler für die Kunstströmung Symbolismus. Diesen Stil lässt Ferdinand Keller hier also wieder aufleben.

Der Symbolismus war vor allem im 19. Jahrhundert sehr beliebt. Die Bilder waren oft ziemlich bedeutungsschwanger und melancholisch. Es ging um die Endlichkeit des Lebens, um Übernatürliches und Mystisches. Außerdem hat man Visionen gemalt und beschäftigte sich viel mit Geisterscheinungen und antiken Mythen. Wenn der Symbolismus eine Person wäre, würde sie vermutlich Tarotkarten legen und vor einer Glaskugel hocken. Und wenn man den Symbolismus in einem Bild zusammenfassen müsste, dann wäre es vermutlich “Die Toteninsel” von Arnold Böcklin. Genau genommen war das nicht nur ein Bild, denn ursprünglich gab es von „Der Toteninsel“ fünf Versionen.

Darauf sieht man eine Insel mit hohen Felsen und Zypressen drauf. Ein einsames Boot mit zwei Leuten steuert auf die Insel zu, eine Person ist verhüllt. Gräber sind in den Felsen eingelassen. Wasser umgibt die Szenerie. Das ganze Bild ist sehr dunkel. Wartet mal kurz: Dunkles Bild, Felsen, Zypressen, Wasser, Felsengrab, verhüllte Figur – all diese Elemente sind auch auf dem Bild „Böcklins Grab“. Das ist kein Zufall. Ferdinand Keller bezieht sich mit „Böcklins Grab“ stark auf „Die Toteninsel“. Und wie Arnold Böcklin malt er keine reale Landschaft, sondern eine Fantasielandschaft, die vor allem auf eine starke Wirkung angelegt ist. Typisch Symbolismus. Auch wenn das Bild von Ferdinand Keller ja von 1901/1902 ist, also damit eigentlich etwas zu spät, denn der Symbolismus war ja eher so im 19. Jahrhundert verortet. Aber genau darum ging es Keller: Den Symbolismus wieder aufleben zu lassen und es geht ihm um einen große Hommage Arnold Böcklin.

 

Kunst-Hotspot Karlsruhe

Ferdinand Keller ist ein Karlsruher Original. 1842 wird er nämlich in Karlsruhe geboren. Sein Vater ist Baurat und arbeitet viel in Brasilien, Ferdinand Keller begleitet ihn dorthin. Die intensive Farbigkeit des brasilianischen Regenwalds wird seine Kunst sehr beeinflussen. 1862 besucht er dann die Karlsruher Kunstakademie. Später wird er Professor und schließlich Direktor der Kunstschule. Es gibt Angebote aus Kassel, aber Ferdinand Keller will in Karlsruhe bleiben.

Besonders bekannt wird er schließlich, weil er den Vorhang der Semperoper in Dresden entwirft. Das gibt es übrigens häufiger, dass Kunstschaffende Vorhänge für Opern entwerfen. Ist ja auch toll, so ein riesiges Format bespielen zu können. Insgesamt war Ferdinand Keller unglaublich produktiv, in dem Moment, in dem er ein Gemälde vollendete, interessierte es ihn nicht mehr und er schuf ein neues. Zack, zack, zack: Ferdinand, das Fließband. 1912 stirbt er dann, allerdings in Baden-Baden. Aber ok, ist ja in der Nähe von Karlsruhe.

Er war also ein richtiger Lokalmatador. Wie gut, dass die Kunsthalle Karlsruhe viele Werke von Ferdinand Keller besitzt. Denn er ist einer der Gründe, die Karlsruhe zu einer bedeutenden Kunststadt machen. Deshalb kommt ja auch Kunstsnack hierher. Komplett logisch! Und damit sind wir am Ende dieser Folge. Die nächste erscheint wie immer in zwei Wochen, abonniert gern kostenlos diesen Podcast. Macht’s gut, Ciao.

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