Er war einer der wohlhabendsten und bekanntesten Künstler des 19. Jahrhunderts, aber heutzutage kennt ihn kaum noch jemand: Franz Xaver Winterhalter. Oder habt ihr den Namen schon mal gehört? Nach seinem Tod geriet er nämlich weitestgehend in Vergessenheit. Zeit ihn wiederzubeleben… ok, also zumindest seine Kunst. Franz Xaver Winterhalter war früher einer der gefragtesten Porträtmaler Europas. Er hat viele wichtige Leute gemalt, darunter… sich selbst. In der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet sich das „Selbstbildnis des Künstlers mit Bruder“ aus dem Jahr 1840. Man sagt ja immer: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Übrigens ein Sprichwort, das in einem Podcast eher deplatziert ist. Aber dieses Bild erzählt wirklich eine Menge. Also, viel Spaß!

Intro

Ich finde das Bild der heutigen Folge grandios. Das ist echt fantastisch gemalt, ich stand lange im Original davor und war richtig gefesselt. Ich kann euch daher nur empfehlen: Schaut euch das Bild selbst mal an. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. Aber natürlich beschreibe ich es euch auch jetzt – wie immer.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Kurzer Reminder, das Bild dieser Folge heißt: „Selbstbildnis des Künstlers mit Bruder“. Und genau das sehen wir hier. Wir sehen den Maler Franz Xaver Winterhalter sitzend, er lehnt sich auf ein rötliches Polster und hat ein Skizzenbuch plus Stift in der Hand. Offenbar zeichnet er gerade. Der Künstler schaut uns grinsend an. Sein Schnurrbart ist akkurat gezwirbelt, wie man das von einem Oldschool-Zirkusdirektor erwarten würde. Er trägt ein Hemd mit Pluderärmeln, eine Weste und eine Schildmütze, die aussieht wie von einem Bahnschaffner.

Hinter Franz Xaver Winterhalter steht sein jüngerer Bruder Hermann. Ganz kur merkt euch bitte die Namen: Franz Xaver Winterhalter, das ist der Maler des Bildes, und sein Bruder heißt Hermann Winterhalter. So jetzt geht’s um Hermann: Der legt dem Künstler lässig den Arm auf die Schulter von Franz Xaver, in der Hand hat er eine Zigarre. Hermann schaut wohlwollend und auch ein bisschen stolz auf das Skizzenbuch herab. Vielleicht wird er hier sogar selbst gerade gezeichnet. Hermanns Kleidung ist sehr elegant, ein fancy Anzug. Man sieht dem Bild die geschwisterliche Nähe an, die beiden Dargestellten wirken sehr vertraut miteinander.

Interessant ist die Lichtführung in diesem Bild: Franz Xaver ist mitten im Lichtschein, Hermann allerdings etwas im Schatten. Und das ist ziemlich sprechend, denn Hermann fristete tatsächlich eine Art Schattendasein. Aber dazu komme ich später. Noch schnell ein paar Worte zur Malweise: Wow, ist die gut. Jedes Kleidungsstück auf dem Bild wirkt, als könnte man es anfassen. Franz Xaver Winterhalter ist wahnsinnig gut darin unterschiedliche Stofflichkeiten zu malen. Genau das machte ihn als Porträtmaler so beliebt. Wie sich zeigt: Zurecht!

Der Blick fürs Detail

Mir ist das erst gar nicht aufgefallen, aber die Gesichter der beiden Brüder sind unterschiedlich gemalt. Wie kann das sein? Vermutlich haben die sich jeweils selbst gemalt. An diesem Bilde waren also möglicherweise beide Brüder beteiligt. Ein klassisches Brüder-Bild. Kommen wir zu den Unterschieden: Bei Franz Xaver Winterhalter sieht man im Gesicht viele Lichtreflexe, hier wurde alles sehr exakt und plastisch gemalt. Das Gesicht von Hermann Winterhalter hingegen wirkt etwas verschwommener, weniger ausdifferenziert. Zu dieser Zeit war Hermann künstlerisch noch nicht ganz auf Top-Level. Diese stilistischen Unterschiede verschwinden dann aber später, denn Hermann arbeitet hart daran so malen zu können wie sein Bruder Franz Xaver.

Was macht das Werk so besonders?

Für Franz Xaver Winterhalter sind Selbstbildnisse sehr selten. Er malte vor allem Porträts für aristokratische Auftraggeber*innen und die befinden sich größtenteils in Privatbesitz. Also ein Selbstporträt von ihm und das auch noch in einer öffentlichen Sammlung wie der Kunsthalle Karlsruhe – das ist richtig selten. Und dass beide Brüder hier vermutlich zusammen dran mitgearbeitet haben, das ist noch seltener. Also wir haben es hier gewissermaßen mit einer seltenen Seltenheit zu tun. Möglicherweise ist das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe ein Gruß an die Familie im Schwarzwald. Nach dem Motto: „Guckt, uns geht’s gut und wir vertragen uns.“ Insgesamt ist das hier ja auch ein sehr intimes Porträt. Kein Wunder, denn die beiden Brüder verstanden sich nicht nur gut, sie arbeiteten auch viel zusammen – sie betrieben ein echtes Family Business. Und um das zu verstehen, schauen wir uns die Biografie von Franz Xaver Winterhalter mal näher an.

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Franz Xaver Winterhalter wird 1805 geboren in Menzenschwand. Der Name von diesem Ort klingt nicht wirklich schön, aber die Lage ist es definitiv, denn Menzenschwand liegt im Schwarzwald. Nach seiner Ausbildung und einer Italienreise wird Franz Xaver Winterhalter dann zum badischen Hofmaler. Kurz darauf zieht er nach Paris. Er erhält viele Porträtaufträge und wird berühmt, weil er etliche namhafte Persönlichkeiten malt. Es sind so viele, dass er den Spitznamen „Fürstenmaler“ erhält. Und damit ist er dann überall unterwegs. Franz Xaver reist an die Höfe in Frankreich, Belgien, Großbritannien, Österreich, Spanien und Portugal. Er kriegte Aufträge von Moskau bis Lissabon.

Von 1834 bis 1870 betrieben Franz Xaver und sein Bruder Hermann in Paris ein erfolgreiches Unternehmen, richtige Business-Brüder. Franz Xaver pflegte die Kontakte. Er wurde von Zeitgenossen als sehr charmant beschrieben. Franz Xaver zog also die Aufträge an Land und machte die ganzen Porträtzeichnungen. Hermann kümmerte sich dann vor allem um die Arbeit vor Ort in Paris. Er kümmerte sich um die Atelierleitung, koordinierte die Gehilfen und Lehrlinge. Ja, die beiden Winterhalter-Brüder hatten einige Angestellte, so sehr lief das Geschäft, so groß war die Nachfrage. Außerdem malte Hermann Repliken der Bilder von Franz Xaver, den manche Auftraggeber*innen wollten gleich mehrere Exemplare von ihren Porträts, vor allem bei Staatsporträts. So ein gutes Foto von einem Promi wird ja auch für verschiedene Zwecke mehrmals benutzt. Die Repliken sind teilweise so perfekt, dass es sich oft schwer sagen lässt, wer das jetzt gemalt hat? Franz Xaver oder Herrmann? Oder beide? Bis heute ist das kaum auseinanderzuhalten. Insgesamt kann man festhalten: Hermann war eine große Unterstützung für Franz Xaver, die beiden waren enge Geschäftspartner und sie waren sehr erfolgreich.

Es gab aber auch Kritik an Franz Xaver Winterhalter. Der wollte nämlich den wichtigen Leuten schmeicheln, die er malte. Also machte er idealisierte Porträts, quasi Wunschbilder. Immer schön die Schokoladenseiten malen! Zeitgenossen wie der berühmte Eugene Delacroix fanden deshalb, er wäre ein „Gefälligkeitsmaler“. Heute würde man sagen: Kleiner Schleimer. Man könnte aber auch sagen: Wo Erfolgt ist, sind auch Hater… Naja. 1872 stirbt Franz Xaver Winterhalter dann in Frankfurt am Main.

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Ich bin großer Fan von Kunst-Memes und dieses Bild würde sich hervorragend dafür eignen. Schaut es noch mal fix über den Link in den Shownotes an, wenn ihr es nicht schon gemacht habt. Allein wie Hermann so glücklich auf seinen Bruder mit dem Stift schaut. Das wirkt echt wie der zufriedene Blick vom O2-Mitarbeiter, wenn ich einen Handyvertrag für 2 Jahre unterschreibe. Ich bin seit 20 Jahren bei O2 und bereue es jedes Jahr, naja. Auf jeden Fall hat das Werk dieser Folge großes Meme-Potential. Wenn ihr Bock habt, dann probiert euch doch mal daran aus. Wir sind auf jeden Fall am Ende dieser Folge angelangt. Ich hoffe, ihr hattet Spaß und habt einen neuen Künstler kennengelernt. In zwei Wochen geht’s weiter mit Kunstsnack, bis dann, Ciao.

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