Multitalent und Mastermind: Karoline Luise von Baden
Was für eine Frau! Sie dokumentierte den Stuhlgang ihres Sohnes, züchtete Seidenraupen und stellte eine hervorragende Kunstsammlung zusammen: Karoline Luise von Baden. Hier ist die Geschichte über ihr beeindruckendes Leben und wie sie nebenbei zur Begründerin der Kunsthalle Karlsruhe wurde.
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.
Kennt ihr diese Menschen neben denen man sich so richtig unproduktiv fühlt? Und bei denen man sich denkt: „Wie zur Hölle schaffen die das alles?“ Genau so eine war Karoline Luise. Die konnte einfach alles. Sie betrieb eine Kerzen- und Seifenmanufaktur, konnte Klavier spielen, war super belesen, beherrschte fünf Sprachen, hatte Ahnung von Kunst, war bewandert in Naturwissenschaften wie Botanik, Zoologie, Geologie, Mineralogie, Medizin, Physik, Chemie und klar, zeichnen konnte sie natürlich auch richtig gut. Bei solchen Menschen denkt man sich ja sofort: „Ok, aber dann sind die halt wenigstens richtig unsympathisch.“ Aber selbst das war sie nicht. Sie war sehr beliebt und hatte einfach mal Gäste wie Goethe zu Besuch. Und für alle, die denken, sie wären was Besseres, weil sie Serien auf Englisch gucken – Karoline Luise las Latein im Original, flüssig. Wie wurde sie so eine Überfliegerin und das auch noch im 18. Jahrhundert, als Frauen Bildung oft verwehrt blieb?
1723 wird Karoline Luise als Prinzessin von Hessen-Darmstadt geboren. Schon früh interessiert sie sich für Kunst. Es gibt in der Kunsthalle Karlsruhe zum Beispiel ein Selbstporträt von ihr. Schaut jetzt gerne mal auf Euer Gerät, mit dem Ihr diesen Podcast gerade hört, also Euer Handy oder den Laptop, da könnt Ihr das Bild sehen. Falls nicht, in den Shownotes ist ein Link zu dem Bild. Und es gibt ein Porträt von ihr, das der Künstler Jean-Etienne Liotard gemalt hat. Karoline Luise sitzt darauf kerzengerade, wie es eigentlich nur Orthopäden machen, damit man sich neben ihnen schlecht fühlt. Karoline Luise guckt uns an, während sie gerade anfängt zu zeichnen. Wobei ich ihr auch zutrauen würde, dass sie ein Bild auch ohne Hingucken hätte malen können.
1751 heiratet sie dann Karl Friedrich von Baden und wird zu Karoline Luise von Baden, vorher war sie ja Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Sie wird zu seiner einflussreichen Beraterin ihres Mannes und agiert viel im Hintergrund. Dank ihr entwickelt sich ihr Wohnort, das Karlsruher Schloss, zu einem kulturellen Hotspot. Große Köpfe gehen ein und aus – sie ist connectet in ganz Europa. Eine echte Frau von Welt. In einem Brief wird sie beschrieben als „Vielwisserin und Vielfragerin“. Außerdem fängt sie an zu sammeln: Pflanzen, präparierte Tiere, Mineralien, Münzen, Muscheln, Bücher und eben auch Kunst. Also, auch da ist sie wieder sehr breit aufgestellt, während viele von uns nicht mal ein Paninisticker-Album voll gesammelt kriegen.
Karoline Luise sammelt systematisch und das passt, denn sie ist ein Kind der Aufklärung. Sie ist neugierig, sie will die Welt verstehen, egal ob Naturwissenschaften oder Kunst. Ihr Interesse geht weit, so weit, dass sie aus medizinischen Gründen nicht nur die Atmung, Ernährung und den Schlaf ihres Sohnes dokumentiert, sondern auch seinen Stuhlgang. Da hätte ich mich bei meiner Mutter aber ordentlich bedankt. Also dagegen sind heutige Helikoptereltern ja wirklich ein Witz.
Naja, teilweise packt Karoline Luise eine richtige Sammelwut. Sie kauft allein in vier Jahren rund 160 Gemälde. Das Besondere ist: Sie baut ihre Kunstsammlung mit einem relativ kleinen Budget auf und zwar während des Siebenjährigen Krieges. Ich denke, ihr könnt euch grob denken, wie lange der gedauert hat. Alle europäischen Großmächte sind in diesen Krieg involviert. Viele Sammler*innen haben andere Dinge zu tun als zu sammeln. Aber Baden-Durlach, wo sich Karoline Luise befindet, ist neutral. Das nutzt sie aus und trägt 205 Bilder zusammen – teilweise sind richtig große Namen dabei, zum Beispiel Rembrandt, um den es in der ersten Folge dieses Podcasts ging – hört da gerne nochmal rein.
Beim Sammeln wird Karoline Luise beraten von verschiedenen Kunstagenten. „Kunstagent“ klingt nach James Bond, ist aber eher ein Makler für Kunst. Die haben die europäischen Metropolen abgesucht und Bilder teilweise zur Ansicht nach Karlsruhe geschickt. Zum Beispiel ein Landschaftsbild von dem eher unbekannten Künstler Gerrit Battem. Das gefällt Karoline Luise aber nicht. Tja, und dann wird es beim Rücktransport beschädigt und sie muss es doch kaufen. Hat was von Marmelade, die einem im Supermarkt runterfällt – nur in diesem Fall war es halt ein wertvolles Gemälde.
1783 stirbt sie dann. Nach ihrem Tod beschließen ihre Söhne die Kunstsammlung komplett zu erhalten und nicht zu teilen. Etwas mehr als 40 Jahre später bilden genau diese Werke den Grundstock der heutigen Kunsthalle Karlsruhe. Und noch heute kann man dort die Sammlung dieser Überfliegerin bewundern und zwar ohne, dass wir beim Stuhlgang gestört werden. Also Kunstgenuss pur. Damit sind wir schon am Ende dieser Folge. Vielen Dank fürs Zuhören.
Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.