Wenn Dresden zu Venedig wird: Blick auf Dresden von Bernardo Bellotto

Dieses Bild ist eine echte Reise in die Vergangenheit. In eine prachtvolle Stadt vor 250 Jahren. Eine beeindruckende Kulisse, eine Stadt voller Leben und Schönheit. Die Rede ist natürlich…von Dresden. 1765 schuf der Maler Bernardo Bellotto sein Gemälde „Blick auf Dresden“. Und wie es sich für eine Ansicht von Dresden gehört, befindet sich das Werk in… Karlsruhe. Genau, und zwar in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Also, schauen wir uns das Ganze mal näher an, denn es gibt viel zu entdecken und viele Besonderheiten an diesem Bild. Let’s go!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Ich kann euch nur empfehlen: Schaut euch das Bild dieser Folge an. In den Shownotes findet ihr einen Link zu Abbildung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Der „Blick auf Dresden“ zeigt genau, was der Titel verspricht. Wir schauen vom Flussufer auf die Stadt. Auf der Elbe sind einige Schiffe unterwegs – mit Segeln und Rudern. Durch das seichte Wasser des Ufers staksen ein paar Pferde. Auf der Brücke, das ist die Augustusbrücke, ist einiges los. Eine Kutsche ist unterwegs und sehr viele Menschen laufen umher. Durch die Kleinteiligkeit und die ganzen einzelnen Figuren erinnert mich das Ganze ein bisschen an eine Märklin Landschaft – nur eben vor Erfindung der Eisenbahn.
Das Gemälde wirkt, als hätte man es mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen. Die gesamte Stadt erstreckt sich über die Leinwand. Man sieht die Hofkirche, den Georgenbau, das Schloss, den Zwinger, die Brühlschen Terrassen, die Frauenkirche und so weiter. Insgesamt ist das eine ziemlich beeindruckende Kulisse. Vor allem weil sich viele der Gebäude auch noch auf dem Wasser spiegeln. Das ist echte Meisterschaft: Die Spiegelung mit all den Wellen und Verzerrungen. Stark!

Wenn ich solche Bilder aus dem 18. Jahrhundert sehe, frage ich mich immer: „War das Leben damals entspannter als heute?“ Und ich befürchte, die Antwort lautet: „Ja.“ Ich mag, dass Kunst diesen Blick in vergangene Zeiten ermöglicht. Und dieses Bild eignet sich dafür besonders gut, weil man so viel erkennen kann. Bernardo Bellotto zeigt hier sein ganzes Können. Alles ist sehr detailliert gemalt. Egal, wie nah man rangeht, alles wirkt scharf. Feinmalerei at its finest! Das Sonnenlicht fällt von rechts in das Bild, sodass sich alle Teile des Bildes gut sichtbar voneinander absetzen. Die Menschen lassen die sonst statische Szene lebendig wirken. Alles sehr geschickt inszeniert.

Bei „Blick auf Dresden“ handelt es sich um eine sogenannte Vedute. Eine Vedute ist eine möglichst wirklichkeitsgetreue Wiedergabe von einer Landschaft oder eben wie hier von einer Stadt. Bellotto perfektionierte Veduten und dafür gab es einen Markt. Diese Bilder waren als besonderes Souvenir bei Tourist*innen sehr beliebt. Heute sind es Tassen, Schlüsselanhänger und hässliche Schneekugeln – früher waren es Bilder.

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Wann genau Bellotto geboren wurde ist nicht ganz klar. 1721 oder 1722 – auf jeden Fall kam er in Venedig zur Welt. Sein Onkel war der berühmte Künstler Antonio Canal, genannt Canaletto. Canaletto ist bis heute sehr bekannt für seine Veduten von Venedig. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Canaletto war ein Weltmeister der Veduten, ein wahres Veduten-Wunder. Bei ihm ging Bellotto in die Lehre. So, und jetzt wird’s richtig verwirrend: Bellotto nennt sich später selbst Canaletto. Vielleicht wollte er etwas von dem Fame seines Onkels abgreifen, der Name Canaletto öffnete sicher Türen. Auf jeden Fall kommt bei einigen Leuten Verwirrung auf. Um euch davor zu bewahren, nenne ich Bellotto konsequent bei seinem Namen Bellotto.
Bellotto lernt von seinem Onkel, wie man Veduten malt. Aber Bellotto entwickelt auch seinen eigenen Stil. Der zeichnet sich dadurch aus, dass er die Architekturen auf seinen Gemälden penibel genau wiedergibt. 1747 kommt er dann nach Dresden, mit Unterbrechungen wird hier die längste Zeit seines Lebens bleiben. Bellotto malte Dresden so oft, er wurde zu einem Chronisten dieser Stadt. Seine Bilder sind quasi gemalte Dresden-Dokus.

Kurz zur Geschichte von Dresden und dem Erscheinungsbild dieser Stadt: August der Starke regierte Ende des 17. Jahrhunderts, Anfang des 18. Jahrhunderts in Dresden. Und er hatte ein Vorbild für Dresden, nämlich Venedig. Er gestaltete Dresden zu Teilen wie die italienische Stadt. Also im Prinzip ein bisschen wie in Las Vegas – da gibt’s ja auch ein Hotel, das ein kleines Venedig nachgebaut hat, inklusive Kanäle und allem. Ich will darauf hinaus: Zwischen Bellottos Heimatstadt Venedig und seinem neuen Wohnort Dresden gab es bereits einige Verbindungen.

Zwischenzeitlich verdiente Bellotto sehr gut in Dresden. Die deutsche Sprache lernte er nie so ganz, sein Sohn dolmetschte für ihn und unterstützte ihn auch künstlerisch. 1770 geht Bellotto dann nach Warschau und stirbt 10 Jahre später dort. Er war ein viel reisender Künstler, mit einigen Lebensstationen, aber Dresden war lange seine Homebase.

Was macht das Werk so besonders?

Die Maltechnik dieses Werks ist wirklich bemerkenswert. Bellotto benutzte zum Malen nämlich eine camera obscura. Das war eine Lochkamera, bei der man das Bild dann verkehrt herum an der Wand sieht. Ich stand mal in einer camera obscura in einem Museum. Das war ein komplett dunkler Raum mit einem kleinen Loch nach draußen. Und das funktioniert tatsächlich. Dann sieht man an der Wand wirklich die Außenwelt – ähnlich wie ein Foto.

Seine Erkenntnisse aus der camera obscura übertrug Bellotto dann in Detailstudien, so konnte er die Perspektive besser studieren. Und dann fasste Bellotto seine Detailstudien zusammen – da malte Bellotto eine große Vorzeichnung auf Leinwand und er arbeitete mit Liniengittern und dann könnte er die Detailstudien besser Teil für Teil übertragen. Also eine insgesamt ziemlich systematische Herangehensweise an das Malen. Bellotto war gewissermaßen der Sachbearbeiter der Malerei. Penibel und genau. Und von wem hatte er das alles gelernt? Genau, von seinem Onkel Canaletto – denn der hat das auch gemacht.
Allerdings nahm sich Bellotto auch gewisse künstlerische Freiheiten raus. Wenn Gebäude noch nicht ganz fertig waren – in den Gemälden von Bellotto waren sie vollendet.
Er passte auch Größenverhältnisse an, damit sich eine stimmige Ansicht ergab. Also vielleicht beschreibt man ihn am besten als: kreativer Sachbearbeiter der Kunst.

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Bernardo Bellotto hat Dresden wirklich nachhaltig geprägt. Allerdings unter seinem Namen Canaletto. Denn bis heute gibt es in Dresden den sogenannten Canaletto-Blick. Das ist der Blick auf Dresden vom rechten Elbufer aus – unterhalb der Augustusbrücke. Ich finde es spannend, dass die Kunst teilweise unseren Blick auf die Welt prägt. Ich habe kürzlich nachts den Vollmond gesehen und da drum herum waren Wolken – es sah sehr melancholisch und dramatisch aus und ich dachte sofort: „Wow, ein richtiger Caspar David Friedrich Himmel.“ Über Caspar David Friedrich haben wir übrigens auch eine Kunstsnackfolge gemacht – Nummer 38 ist das.

Es gibt eine weitere interessante Info zu Bellotto, allerdings ist das kein Funfact, sondern hat einen ernsten Hintergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Warschau sehr zerstört. Und zum Wiederaufbau nutzte man unter anderem… ja, Stadtansichten von Bellotto. Das muss man sich mal klarmachen: Dieser Künstler hat so exakt gemalt, dass man über 150 Jahre nach seinem Tod seine Bilder nimmt, um eine Stadt wieder originalgetreu aufzubauen.

Das soll noch mal jemand sagen, Kunst hätte mit unserem Leben nichts zu tun. Ich denke, dass ist ein schönes Schlusswort für diese Folge Kunstsnack. In zwei Wochen stelle ich euch das nächste Werk aus der Kunsthalle Karlsruhe vor. Bis dann, danke für’s Zuhören, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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