Selfmade Women des Barocks: Catharina Treu, Fruchtstillleben mit Muschel und Eichhörnchen

Kürzlich war ich in Hamburg im Bucerius Kunstforum. Dort war eine Ausstellung, die hieß „Geniale Frauen“, ganz viele Bilder von Malerinnen, die ich bislang nicht auf dem Schirm hatte. Da freue ich mich immer, wenn mein Kanon ergänzt wird und es nicht immer die gleichen Namen sind – vor allem nur männliche Namen, sondern auch gant viele spannende Malerinnen. Vor einem Stillleben habe ich lange gestanden, weil ich Stillleben einfach liebe. Außerdem war da ein Eichhörnchen drauf. Und jetzt mal ehrlich: Was gibt’s cooleres auf einem Gemälde als ein Eichhörnchen? Ok, einen Otter. Aber Eichhörnchen – die sind auch schon echt knuffig. Und dann gucke ich auf das kleine Schild neben dem Bild, stellt sich raus: Das Werk war eine Leihgabe aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Also habe ich direkt gefragt, ob wir eine Kunstsnack-Folge dazu machen können. Und voilá: Hier ist das Fruchtstillleben mit Muschel und Eichhörnchen von der Malerin Catharina Treu. Und glaub mir, diese Folge wird richtig schön! Viel Spaß!
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Intro

 

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Man kann es nicht anders sagen: Wow, ist dieses Bild krass gemalt. Fangen wir oben im Bild an. Hier sitzt das erwähnte Eichhörnchen auf einer Holzbox und isst eine Walnuss. Das Fell sieht so weich und glänzend aus, am liebsten würde man direkt rein greifen – man vergisst fast, dass man es hier mit einem zweidimensional gemalten Eichhörnchen hat. Jedes einzelne Haar kann man erkennen. Genau dieser Detailreichtum lässt das Eichhörnchen so lebendig wirken. Funfact: Eichhörnchen benutzen ihren großen Schwanz im Sommer auch als eine Art Sonnenschirm für Schatten. Das ist auf dem Bild allerdings nicht nötig, denn insgesamt ist der Hintergrund aus Pflanzen und Himmel ziemlich dunkel.

Vor dem Eichhörnchen liegen ein paar Pflaumen, auch sie haben diese typisch samtig-trockene Oberfläche von Pflaumen, die man förmlich zwischen den Fingern spüren kann – auch das hier ist wieder wahnsinnig gut gemalt. Weiter unten in der Bildmitte liegen auf einer Steinstufe Weintrauben, Pfirsiche, Esskastanien, Nüsse und eine umgefallene Weinflasche. Es sieht alles so achtlos hingeworfen aus, als wäre das Ganze ein richtiger Messie-Marktstand. Verschiedenste Insekten schwirren herum. Je länger man hinguckt, desto mehr kleine Lebewesen fallen einem auf. Es ist ein bisschen wie im Legoland, bei den Lego-Landschaften sieht man ja viele lustige Details auch erst, wenn man sich richtig Zeit nimmt. Deshalb übrigens generell mein Tipp im Museum: Stellt euch öfter mal 5 bis 10 Minuten vor ein Bild – es ist so toll, was man dabei alles entdeckt.

Zwei weitere Highlights sind ganz unten im Bild. Hier liegt eine große Muschel. Die Oberfläche glänzt perlmuttartig und all diese bunten Farben werden hier perfekt wiedergegeben. Ich würde behaupten, nur wenige Objekte sind so schwer zu malen wie eine schimmernde Muschel. Und das hier ist ganz klar ein Muschel-Meisterwerk. Und das zweite Highlight unten im Bild ist eine Eidechse, die an einer Erdbeere knabbert. Wer kennt sie nicht? Die Erdbeer-Eidechse! Also eigentlich ist es erstaunlich, dass dieses Gemälde Still-Leben heißt. Hier ist echt eine Menge los. Und der dunkle Hintergrund lässt all die hellen Stellen umso stärker hervortreten. Man muss wirklich sagen: Dieses Werk ist eine glatte 1 mit Sternchen. Lichtregie, malerische Qualität, Stofflichkeit, Komposition – alles on Point.

 

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Normalerweise geht’s bei Stillleben immer um Vergänglichkeit, die sogenannte Vanitas. Darauf deuten auch die erwähnten Insekten hin, die sich ja bereits über das Obst und so hermachen. Außerdem hat die Steinstufe auf dem Bild auch schon bessere Zeiten gesehen und bröckelt bereits. Bei Stillleben ging es darum zu zeigen: Euer Leben ist endlich, seid euch dessen bewusst. Man kann nix mit rüber nehmen. Eigentlich war es die gemalte Form zu sagen: YOLO – you only live once.

Das Stillleben von Catharina Treu aus der Kunsthalle Karlsruhe hat aber noch eine weitere Aussage und zwar lautet diese: „BÄM! Guckt alle her!“ Denn hier geht es um’s Beeindrucken! Das hier ist ein Prunkstillleben. Die Früchte auf dem Bild waren kostbar und werden üppig inszeniert. Die Bildform des Prunkstillleben kam Mitte des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden auf. Denn in dieser Zeit erlebte die Niederlande vor allem durch die Kolonialisierung einen unglaublichen wirtschaftlichen Aufschwung. Und den stellte man zur Schau. Heute sind es Uhren von Audemars Piquet, ein Porsche oder Chanel-Taschen – früher waren unter anderem Stillleben ein Statussymbol.

Allerdings muss man sagen, dass es Prunkstillleben gibt, die es noch deutlich mehr übertreiben. Noch seltenere Pflanzen und Früchte. Dazu wurden teilweise noch etliche Gegenstände aus Gold und Silber gemalt. Also, die Message des Bildes aus Karlsruhe ist: Angeben, aber auf entspanntem Niveau.

 

Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Kurz zur Datierung des Bildes, damit ihr das zeitlich einordnen könnt. Das Werk ist nicht datiert, aber die Malerin Catharina Treu lebte von 1743 bis 1811. Also, 18. Jahrhundert und Anfang 19. Jahrhundert. In dieser Zeit war Gleichberechtigung noch nicht wirklich ein Thema.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Catharina Treu Stillleben gemalt hat. Herrscherporträts waren deutlich höher angesehen, auch religiöse Bilder oder Schlachtenszenen. Obwohl sie beim Publikum sehr beliebt waren, galten Stillleben waren damals die unterste Bildgattung. Und genau die wurde oft Frauen zugewiesen, beziehungsweise sie wurden als Malerinnen hier akzeptiert. Und das war nur ein Aspekt massiver Benachteiligung. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Frauen kaum an Kunstakademien zugelassen. Catharina Treu war hier eine sehr seltene Ausnahme, denn schon 1768 besuchte sie die Düsseldorfer Kunstakademie. Die Benachteiligung von Frauen ging noch weiter: Sie hatten keinen Zugang zu professionellen Modellen und wenn mussten sie sich auf teuren Privatschulen ausbilden lassen. Auch das Aktstudium galt für Frauen lange als unschicklich. Dabei ist es ja mega wichtig den Körper komplett studieren zu können, wenn man ihn malen will. Stellt euch mal vor, ihr wollt einen Baum malen und seinen Aufbau verstehen, aber ihr dürft den Baum nur malen, wenn er voller Blätter ist. Völliger Quatsch!

Nackte Körper studierten Frauen daher häufig an antiken Skulpturen. Aber es ist auch davon auszugehen, dass Künstlerinnen auch Familienmitglieder nutzen, um Anatomie zu studieren. Vor allem in einem so geschützten Raum, wie der väterlichen Werkstatt: dies war bei Catharina Treu der Fall, sie wurde von ihrem Vater ausgebildet. Generell wurden viele Künstlerinnen nicht ernst genommen und zu Musen degradiert. Stillleben hingegen traute man Frauen zu. Außerdem waren die Stillleben-Motive mit dem häuslichen Leben verbunden, die spielen ja immer Drinnen und da sind viele hässliche Gegenstände und genau das war ja eh die Sphäre, die damals als „weiblich“ galt. In diesem historischen Kontext muss man die Werke von Catharina Treu also betrachten, denn erst dann checkt man, wie beeindruckend und außergewöhnlich ihre Leistung war.

 

Wer hat‘s gemacht? Künstlerin im Spotlight

Ganz ehrlich, Catharina Treu hat mir nichts gesagt, bevor ich ihr Bild im Original in Hamburg gesehen habe. So ist es ja mit vielen Malerinnen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Wie schön, dass sich das jetzt langsam ändert und man viel dazu lernen kann.

Catharina Treu wurde 1743 in Bamberg geboren. Ihr Vater war Maler – vor allem für Jagdstillleben. Darin bildete er sie früh aus, zusammen mit ihren Geschwistern. Catharina Treu zeigte enormes künstlerisches Talent und übertrumpfte bald all ihre Familienmitglieder. Mit 20 Jahren wurde sie bereits Hofmalerin in Bruchsal. Kurz danach wurde sie Kabinettmalerin am Hof des pfälzischen Kurfürsten. In anderen Worten: Lief bei ihr. Außerdem verkaufte sie auch Bilder auf dem freien Kunstmarkt zu soliden Preisen. Die Stillleben von Catharina Treu waren sogar in Mailand, St. Petersburg und London gefragt. Das ist wirklich internationaler Fame!

1776 kam dann die nächste große Auszeichnung. Sie wurde als erste Frau Professorin an der Kunstakademie in Düsseldorf. Ich hatte euch ja beschrieben, wie schwierig die Bedingungen für Frauen in der Kunstwelt zu der Zeit waren. Angesichts dessen ist das wirklich, wirklich krass. Catharina Treu war damit die Kunstprofessorin im deutschsprachigen Raum überhaupt.

In der Liebe hatte sie nicht ganz so viel Glück: Ihre Ehe dauerte nur vier Jahre. Nach der Trennung zog Catharina Treu ihre beiden Töchter alleine groß. Beide wurden ebenfalls Malerinnen. 1811 starb sie dann im Alter von 68 Jahren in Mannheim.

Catharina Treu hinterließ ein beeindruckendes künstlerisches Werk. Und ein Bild davon befindet sich zum Glück in der Kunsthalle Karlsruhe. Damit sind wir durch für heute, aber wenn ihr euch eingehender für Stillleben interessiert, dann empfehle ich euch diese drei Folgen von Kunstsnack:
Folge 11 über Rachel Ruysch
Folge 13 über Frans Snyders
Folge 43 über Clara Peeters
Ach, ich kann euch eigentlich jede Folge empfehlen! Klar, ist ja Kunstsnack – euer Highend-Kunstpodcast. Wir hören uns wieder in zwei Wochen, bis dann, Ciao!

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